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  • · Fachbeitrag · Schenkungsteuer

    Hinterziehungszinsen trotz rückwirkendem Wegfall des Schenkungsteueranspruchs?

    von RA Philipp Külz, FA StR, Zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA), und RAin Liv Hansen, ROXIN Rechtsanwälte LLP, Düsseldorf

    | Nach Ansicht des Hessischen FG können Hinterziehungszinsen für die Nichtanzeige einer Schenkung trotz rückwirkendem Wegfall des Steueranspruchs festgesetzt werden, da der Zinsanspruch nicht akzessorisch zum Erlöschen des Steueranspruchs ist. Die Richter haben die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen. |

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin erhielt von ihrem Ehemann im Jahr 2000 eine Bargeldsumme von umgerechnet 1,8 Mio. EUR. Auf Anforderung des FA teilte die Klägerin im Dezember 2015 mit, dass die Zuwendung im Jahr 2014 Gegenstand eines Zugewinnausgleichs gewesen sei. Sie und ihr Ehemann hätten am 11.7.14 einen Ehevertrag geschlossen, durch den der gesetzliche Tatbestand der Zugewinngemeinschaft zugunsten der Gütertrennung aufgehoben worden sei. Im Rahmen des sodann durchzuführenden Zugewinnausgleichs habe man die Bargeldsumme zu ihren Gunsten angerechnet. Das FA setzte in der Folgezeit Zinsen für hinterzogene Schenkungsteuer von 213.333 EUR bei einem Zinslauf von 147 Monaten fest, sah aber von einer nachträglichen Steuerfestsetzung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ab.

     

    Die Klägerin erhob nach der Zurückweisung ihres Einspruchs Klage und beantragte, den Bescheid über Zinsen zur Schenkungsteuer aufzuheben. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, sie habe nie Schenkungsteuer geschuldet; es fehle aufgrund des Wegfalls des Steueranspruchs „ex tunc“ (§ 29 ErbStG) insgesamt an einem zu versteuernden Steueranspruch. Mangels zinsauslösender Hauptschuld sei auch keine Rechtsgrundlage für die Zinsfestsetzung vorhanden. Da sich bei § 235 AO die Höhe der Hinterziehungszinsen nach dem hinterzogenen Steuerbetrag richten würde, sei diese Norm nicht einschlägig.

     

    Entscheidungsgründe

    Das FG Hessen wies die Klage als unbegründet ab. Nach seiner Ansicht erfolgte die Festsetzung der Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO zu Recht (FG Hessen 7.5.18, 10 K 477/17, Abruf-Nr. 202860, Revision zugelassen).

     

    Der objektive und subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO war nach Ansicht des Gerichts durch die Klägerin innerhalb des zu verzinsenden Zeitraums erfüllt. Hier ist eine Verkürzung von Schenkungsteuer i.S. des § 370 Abs. 4 AO dadurch erfolgt, dass die Klägerin und der Zuwendende ihren Anzeigepflichten gemäß § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG nicht nachgekommen sind, die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und mithin Schenkungsteuer für diese Zuwendung nicht rechtzeitig festgesetzt wurde.

     

    Das rückwirkende Erlöschen des Schenkungsteueranspruchs „ex tunc“ gemäß § 29 ErbStG lässt die Steuerhinterziehung auch nicht entfallen. Die Steuerverkürzung war zu dem Zeitpunkt voll- und beendet, zu dem das FA bei rechtzeitiger Anzeige der Zuwendung den Steuerbescheid bekannt gegeben hätte. Bei einer Steuerverkürzung auf Zeit ist ausschließlich relevant, ob eine Steuer vor oder nach einem bestimmten Zeitpunkt festgesetzt wurde. Erfolgt zu einem maßgeblichen Zeitpunkt keine Steuerfestsetzung, so ist dies der Verkürzungserfolg; bei einer Steuerverkürzung auf Zeit spielt der Inhalt des Steuerbescheids daher grundsätzlich keine Rolle.

     

    Auch die Akzessorietät des Zinsanspruchs schließt die Festsetzung der Hinterziehungszinsen nicht aus. Die Zinsfestsetzung gemäß § 235 AO hat zum Ziel, dass der erlangte Vorteil der Steuerhinterziehung abgeschöpft wird. Der Zinsanspruch setzt daher Taterfolg voraus und ist insoweit akzessorisch zu dem Steueranspruch. Nach den Ausführungen des Hessischen FG sind Steuer- und Zinsschuld jedoch nicht in jeder Hinsicht akzessorisch.

     

    Eine solche Akzessorietät fehlt etwa in Bezug auf die Festsetzung, da sich die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nicht akzessorisch nach dem festgesetzten Betrag richtet (BFH 28.3.12, II R 39/10, BStBl II 12, 712). Ebenso kann die Hinterziehung von Vorauszahlungen auch nach Erlöschen durch Erlass des Jahressteuerbescheids eine Festsetzung von Hinterziehungszinsen auslösen. Zusätzlich beeinflusst eine Änderung der Steuerfestsetzung nach Ende des Zinslaufs gemäß § 235 Abs. 3 S. 3 AO die Höhe der Hinterziehungszinsen nicht. Der Akzessorietät bei der Zinsanspruchsentstehung folgt daher nicht auch eine Akzessorietät beim Erlöschen.

     

    Weiter führt das FG als zusätzliches Argument für seine Ansicht an, auch aus § 233a Abs. 2a AO würde sich ergeben, dass rückwirkende Ereignisse, die die Steuerfestsetzung beeinflussen, nicht unbedingt rückwirkende Auswirkungen auf die Zinsfestsetzung hätten.

     

    Relevanz für die Praxis

    Es ist mit Spannung abzuwarten, wie sich der BFH in dieser Frage positioniert. In der täglichen Beratungspraxis sollte der Mandant in jedem Fall frühzeitig auf das „scharfe Schwert“ des § 235 AO hingewiesen werden. Gerade Berater mit strafrechtlichem Schwerpunkt haben diese Norm nicht immer im Auge.

     

    Nicht selten besteht bei Auseinandersetzungen zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO jedoch beim Tatbestandsmerkmal der Steuerhinterziehung erhebliches „Verteidigungspotenzial“. Insbesondere in strafrechtlich verjährten Fällen der vermeintlichen Hinterziehung von Schenkungsteuer werden seitens der Finanzbehörden vorschnell die Voraussetzungen des § 370 Abs. 1 AO angenommen.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2018 | Seite 214 | ID 45451923

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