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  • · Fachbeitrag · Nachlassverbindlichkeit

    Berliner Testament: Verjährter Pflichtteilsanspruch kann nun doch nicht mehr abgezogen werden

    von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin

    | Der Alleinerbe kann nach dem Tod des verpflichteten Erblassers seinen nun gegen sich selbst gerichteten Pflichtteilsanspruch auch dann noch als Nachlassverbindlichkeit vom Erwerb abziehen, wenn der Anspruch bereits verjährt ist ‒ so noch die Auffassung des FG Schleswig-Holstein im Jahr 2017. Dem hat der BFH aber aktuell einen Riegel vorgeschoben. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger K war Alleinerbe seiner Stiefmutter S. Im Jahr 1986 errichteten S und der Vater V ein Testament, worin sie sich gegenseitig zu Alleinerben und den K zum Erben des Überlebenden einsetzten (Berliner Testament). V verstarb in 2003, S verstarb in 2014. K machte erst in der ErbSt-Erklärung für den Erbfall nach S seinen ‒ unstreitig bereits verjährten ‒ Pflichtteilsanspruch gegen S als Nachlassverbindlichkeit geltend. Das FA lehnte dies ab, da der Pflichtteilsanspruch zivilrechtlich durch Konfusion erloschen und verjährt sei. Auch fehle es an einer wirtschaftlichen Belastung des Nachlasses. Das FG Schleswig-Holstein (4.5.16, 3 K 148/15, EFG 16, 1102) gab der Klage als Vorinstanz noch statt. Dem hat der BFH nun aber eine klare Absage erteilt!

     

    • 1. Im Erbschaftsteuerrecht gelten die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit zivilrechtlich erloschenen Rechtsverhältnisse gemäß § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen. Diese Fiktion umfasst auch das Recht des Pflichtteilsberechtigten, der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten ist, die Geltendmachung des Pflichtteils fiktiv nachzuholen.
    • 2. Die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG reicht jedoch nicht so weit, dass der zivilrechtlich aufgrund Konfusion erloschene Pflichtteilsanspruch auch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn er in diesem Zeitpunkt zivilrechtlich verjährt war (BFH 5.2.20, II R 17/16, Abruf-Nr. 216982, gleichlautend BFH 5.2.20, II R 1/16).
     

    Entscheidungsgründe

    Der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch kann nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden. Die ErbSt für den Erwerb des Pflichtteilsanspruchs (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG) entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung. Hinsichtlich des Abzugs des Pflichtteils als Nachlassverbindlichkeit wirkt dessen Geltendmachung dagegen auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) zurück, ist also ein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO (BFH 19.2.13, II R 47/11, BStBl II 13, 332).

     

    Verstirbt der Pflichtteilsverpflichtete, bevor der Pflichtteilsanspruch durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) oder aus anderen Gründen ‒ etwa aufgrund eines Erlassvertrags (§ 397 Abs. 1 BGB) ‒ erloschen ist, geht die Verbindlichkeit gemäß §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB zivilrechtlich auf dessen Erben über, ohne dass es auf die vorherige Geltendmachung des Anspruchs ankommt. Das gilt auch, wenn ein Pflichtteilsberechtigter zugleich der Erbe des verstorbenen Pflichtteilsverpflichteten ist.

     

    Ist der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten, erlöschen durch den Tod des Pflichtteilsverpflichteten zivilrechtlich sowohl dessen Verbindlichkeit als auch der Pflichtteilsanspruch durch die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person (Konfusion, z. B. BGH 23.4.09, IX ZR 19/08, NJW-RR Zivilrecht 09, 1059). Im Erbschaftsteuerrecht gelten die infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit bzw. Belastung zivilrechtlich erloschenen Rechtsverhältnisse gemäß § 10 Abs. 3 ErbStG hingegen als nicht erloschen. Der Pflichtteilsberechtigte kann daher den Pflichtteilsanspruch als Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten nachholen (BFH 19.2.13, II R 47/11, BStBl II 13, 332).

     

    Beachten Sie | § 10 Abs. 3 ErbStG begründet aber kein Recht des Pflichtteilsberechtigten, den Anspruch auch noch nach Eintritt der Verjährung fiktiv gegen sich selbst geltend zu machen. Anderenfalls würde die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG die Funktion der Verjährung, Rechtsfrieden herbeizuführen, insoweit aufheben. Der Erbe könnte zeitlich unbefristet seinen zivilrechtlich erloschenen Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit mit Rückwirkung gegen sich selbst geltend machen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Wird der Pflichtteilsanspruch vor der Verjährung des Anspruchs geltend gemacht, gilt der Pflichtteilsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG als Erwerb des Pflichtteilsberechtigten von Todes wegen vom ursprünglichen Erblasser, dessen persönliches Verhältnis zu dem von der Erbfolge ausgeschlossenen Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteilsanspruch begründet hat.

     

    Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs besteht in dem ernstlichen Verlangen auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben. Der Berechtigte muss seinen Entschluss, die Erfüllung des Anspruchs zu verlangen, in geeigneter Weise bekunden (BFH 19.2.13, II R 47/11, BStBl II 13, 332). Im Streitfall hatte der Kläger behauptet, er habe den Pflichtteilsanspruch noch zu Lebzeiten seiner Stiefmutter dieser gegenüber mündlich geltend gemacht. Im Klageverfahren konnte er dies jedoch nicht glaubhaft machen.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2020 | Seite 248 | ID 46838560

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