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  • · Fachbeitrag · Besteuerungsgrundlagen

    Entscheidend ist, ob Abfindung auf Pflichtteilsverzicht vor oder nach dem Erbfall vereinbart wurde

    von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin

    | Die Besteuerung der Abfindung, die ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch zahlt, richtet sich nach der zwischen den Erben maßgebenden Steuerklasse. Damit weicht der BFH von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Vorerwerbe vom künftigen Erblasser sind nicht zu berücksichtigen, so der BFH mit Urteil vom 10.5.17. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger K verzichtete im Jahr 2006 gegenüber seinen drei Brüdern für den Fall, dass er durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge seiner Mutter M ausgeschlossen sein sollte, auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs gegen eine von den Brüdern jeweils zu zahlende Abfindung i. H. von 150.000 EUR. Im Jahr 2002 hatte er von M bereits Schenkungen i. H. von 1.056.232 EUR erhalten. Der BFH hatte hierzu bereits in einem ersten Verfahren entschieden, dass die an K gezahlten Abfindungen nicht als Schenkung der M an K, sondern jeweils als freigebige Zuwendungen der Brüder an K zu besteuern sind (BFH 16.5.13, II R 21/11, ErbBstg 13, 248).

     

    Das FA erließ daraufhin drei SchenkSt-Bescheide gegen K. Die Besteuerung erfolgte dennoch ähnlich wie bei einer Zuwendung durch M: Das FA rechnete jeweils den Abfindungen der Brüder von je 150.000 EUR den vollen Wert der Vorschenkungen der M an K hinzu. Davon zog es den persönlichen Freibetrag (FB) von 205.000 EUR (Verhältnis Kind-Eltern, heute: 400.000 EUR) ab, wandte den Steuersatz der Steuerklasse I für Kinder an (19 %) und zog die Steuer für die Vorschenkungen ab. Hieraus ergab sich eine Steuer von 28.405 EUR.

     

    Das FG Münster (26.2.15, 3 K 3065/14 Erb, ErbBstg 15, 207; siehe auch Brüggemann, ErbBstg 16, 201 ff.) gab der Klage statt. Es rechnete die Vorschenkungen zwar nicht hinzu, berücksichtigte aber nur den für die „übrigen Personen der Steuerklasse I“ vorgesehenen FB i. H. von 51.200 EUR (heute: 100.000 EUR). Damit setzte das FG die SchenkSt auf 10.810 EUR herab.

     

    Entscheidungsgründe

    Es handelt sich um eine Zuwendung zwischen Geschwistern und nicht um eine Zuwendung der M an K. Die Vorschenkungen der M sind bei der Steuerberechnung daher nicht zu berücksichtigen. Anzuwenden ist die im Verhältnis des K zu seinen Brüdern geltende Steuerklasse II (FB 10.300 EUR, heute 20.000 EUR; Steuersatz 17 %). Die SchenkSt war daher auf 23.647 EUR festzusetzen (BFH 10.5.17, II R 25/15, Abruf-Nr. 195796).

     

    Verzichtet der eine künftige gesetzliche Erbe auf seine künftigen Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche gegen Zahlung eines Geldbetrags, ist die Zahlung eine freigebige Zuwendung des Zahlenden i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Da die Abfindung aus dem Vermögen des künftigen gesetzlichen Erben geleistet wird, liegt eine freigebige Zuwendung von diesem und nicht eine freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers an den Empfänger der Abfindung vor (BFH 16.5.13, II R 21/11, ErbBstg 13, 248).

     

    Bisher war der BFH der Ansicht, die Steuerklasse richte sich nicht nach dem Verhältnis des Verzichtenden zum Zahlenden, sondern zum künftigen Erblasser (BFH 25.1.01, II R 22/98, BStBl II 01, 456; BFH 16.5.13, II R 21/11, ErbBstg 13, 248). Der Verzicht auf Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche gegenüber einem anderen gesetzlichen Erben sollte hinsichtlich der Steuerklasse vor Eintritt des Erbfalls nicht anders behandelt werden als nach Eintritt des Erbfalls, bei dem der Verzicht auf die noch nicht geltend gemachten Pflichtteilsansprüche gegen Abfindung gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG nach der Steuerklasse zu bestimmen ist, die im Verhältnis zum Erblasser gilt (BFH 25.1.01, II R 22/98, BStBl II 01, 456, unter II.2.d). Zudem sollte es für die anwendbare Steuerklasse keinen Unterschied machen, ob der Verzicht mit dem künftigen Erblasser oder dem anderen gesetzlichen Erben vereinbart wird. Der BFH hält an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest.

     

    Würde bei mehreren Zahlungsverpflichteten der im Verhältnis zum Erblasser maßgebende FB bei jeder Abfindung des Verzichtenden berücksichtigt, könnte dies wegen der Vervielfachung des FB eine erhebliche Besserstellung des vor dem Erbfall vereinbarten Pflichtteilsverzichts die Folge sein.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die geänderte Rechtsprechung führt bei Pflichtteilsverzichten zwischen Geschwistern gegen Abfindung, die noch zu Lebzeiten des Erblassers vereinbart werden, wohl meist zu einer höheren Steuerbelastung als bei einer Vereinbarung nach dem Erbfall. Die Vereinbarung zu Lebzeiten begründet die Anwendung der Steuerklasse II, die Vereinbarung nach dem Erbfall die der Steuerklasse I. Bei einem nach Abzug des FB von 20.000 EUR je Zahlenden bei Steuerklasse II und von 400.000 EUR bei Steuerklasse I verbleibenden steuerpflichtigen Erwerb von z. B. 75.001 EUR bis zu 300.000 EUR beläuft sich der Steuersatz in der Steuerklasse II auf 20 % anstelle von 11 % in Steuerklasse I.

     

    • Ermittlung der Schenkungsteuer
    Finanzamt
     Finanzgericht
     BFH

    Abfindung

    150.000 EUR

    150.000 EUR

    150.000 EUR

    Kosten der Schenkung

    ./. 520 EUR

    ./. 520 EUR

    ./. 520 EUR

    Vorschenkung

    1.056.232 EUR

    kein Ansatz

    kein Ansatz

     

    Freibetrag

    (Kind-Eltern)

    205.000 EUR

    (übrige Personen in der Steuerklasse I)

    51.200 EUR

    (Bruder-Bruder)

    10.300 EUR

    steuerpflichtiger Erwerb

    1.000.712 EUR

    98.280 EUR

    139.180 EUR

    abgerundet

    1.000.700 EUR

    98.200 EUR

    139.100 EUR

    Steuersatz

    (Steuerklasse I) 19 %

    (Steuerklasse I) 11 %

    (Steuerklasse II) 17 %

    Steuer

    190.133 EUR

    (laut Urteil 10.810 EUR) 10.802 EUR

    23.647 EUR

    Steuer auf Vorschenkung

    161.728 EUR

    entfällt

    entfällt

    zu zahlende Steuer

    28.405 EUR

    10.810 EUR

    23.647 EUR

     
    Quelle: Ausgabe 09 / 2017 | Seite 207 | ID 44837249

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