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  • · Fachbeitrag · Reform des Erbschaftsteuergesetzes

    Kein Rechtsschutz, kein Vertrauensschutz: Acht Änderungsvorschläge des Bundesrates

    | Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 8.7.16 dem vom Deutschen Bundestag am 24.6.16 verabschiedeten Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des BVerfG ( ErbBstg 16, 159 ) nicht zugestimmt. Er hat beschlossen, gemäß Art. 77 Abs. 2 GG den Vermittlungsausschuss einzuberufen. Ziel: die grundlegende Überarbeitung. |

    1. Acht Änderungsvorschläge des Bunderates

    Der Bundesrat geht davon aus, dass der verfassungswidrige Zustand durch das Gesetz nicht beseitigt wird, und beanstandet das Gesetz insbesondere unter folgenden acht Gesichtspunkten:

     

    • Verschonung: Die zu beantragende Optionsverschonung von 100 % will der Bundesrat weiterhin nur zulassen, wenn die Quote des nicht begünstigten Verwaltungsvermögens die 10 %-Grenze nicht übersteigt. Der Anteil des begünstigten Vermögens muss für die 100 %-Verschonung also mindestens 90 % betragen.

     

    • Begünstigungsfähiges Vermögen: Der Bundesrat will über den Vermittlungsausschuss erreichen, dass die Verschonung für gewerblich geprägte Gesellschaften mit Einkünften gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG grundsätzlich ausgeschlossen wird und damit insbesondere auch die in eine gewerblich geprägte Gesellschaft überführten Wirtschaftsgüter, die ihrer Natur nach typischerweise der privaten Lebensführung dienen, nicht begünstigt werden. Der Bundesrat hatte schon zuvor gefordert, dass Wirtschaftsgüter, die unter das ertragsteuerliche Abzugsverbot in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 EStG fallen (z. B. Sportflugzeuge, Oldtimersammlung), als Verwaltungsvermögen definiert werden.

     

    • Altersversorgungsverpflichtungen: Der Bundesrat will Vermögensgegenstände, die ausschließlich und dauerhaft dazu dienen, Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen zu erfüllen, ebenfalls als nicht zum Verwaltungsvermögen gehörend ansehen und die damit im Zusammenhang stehenden Schulden verrechnen. Um unerwünschte Gestaltungen zu vermeiden, soll die Begünstigung der vom Verwaltungsvermögen auszunehmenden Vermögensteile auf den bei der Übertragung real vorhandenen Bestand an Altersvorsorgeverpflichtungen gedeckelt werden.

     

    • Unschädliches Verwaltungsvermögen (10 %-Grenze): Der Bundesrat lehnt es generell ab, dass Verwaltungsvermögen begünstigt wird, soweit der Nettowert des Verwaltungsvermögens die im Gesetz definierte Grenze von 10 % nicht übersteigt. Er verweist beispielhaft darauf, dass eine Gesellschaft mit 1 Mio. EUR Produktivvermögen und 9 Mio. EUR Geldmitteln nach den vorgesehenen Regeln wegen der Freibeträge für Finanzmittel (15 %) und Verwaltungsvermögen (10 %) zu etwa 27,5 % begünstigt wird.
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      • Verwaltungsvermögen

      vorhandenes Produktivvermögen

      1.000.000 EUR

      zzgl. 15 % Freibetrag für Finanzmittel15 % von 10.000.000 EUR =

       

      1.500.000 EUR

      Zwischenwert

      2.500.000 EUR

      zzgl. 10 %-Freibetrag für Verwaltungsvermögen10 % von 2.500.000 EUR =

       

      250.000 EUR

      begünstigtes Vermögen

      2.750.000 EUR

       

       

     

    • Abschmelzmodell: Die Abschmelzzone von 26 Mio. EUR bis 90 Mio. EUR sieht der Bundesrat in ihrem Umfang als zu großzügig an. Um Härten zu vermeiden, soll die Abschmelzung nicht in Stufen von 750.000 EUR, sondern „stufenlos“ erfolgen. Wie die Berechnung im Detail zu erfolgen hat, lässt er offen. Auch nennt er für das Modell keine Obergrenze, die an die Stelle von 90 Mio. EUR treten soll.

     

    • Stundung: Die zusätzlich geschaffene Möglichkeit, die auf das begünstigte Vermögen (gegebenenfalls nach Steuerverschonung) noch anfallende Steuer vorbehaltlos und zinslos für die Dauer von zehn Jahren nach dem Erbfall zu stunden, lehnt der Bundesrat ab. Die Stundung sollte nach dem Gesetzentwurf ohne weitere Voraussetzungen gewährt werden, obwohl durch die (nicht bestandene) Verschonungsbedarfsprüfung positiv feststehe, dass Mittel zur Zahlung der Steuer vorhanden sind. Auch wenn sich der Erwerber für das Abschmelzmodell entscheide, liege es nahe, dass dies vorteilhafter ist als die Verschonungsbedarfsprüfung. Auch in diesem Fall könne daher davon ausgegangen werden, dass ausreichend nicht begünstigtes Vermögen vorhanden sei, um die Steuerschuld zu begleichen.

     

    • Als Alternative verweist der Bundesrat auf § 28a Abs. 3 des Regierungsentwurfs, wonach die geschuldete Steuer - bis zu sechs Monate - gestundet werden sollte, wenn die Einziehung eine erhebliche Härte bedeuten würde. Eine derartige Regelung sowie die Vorschriften zur Stundung in der AO sieht der Bundesrat als ausreichend an. Es bestehe kein Grund, an dieser Stelle Unternehmenserben zusätzlich zu privilegieren. Durch die großzügigere Stundungsregelung würde auch die Ungleichbehandlung zu Erwerbern von Privatvermögen, vor allem von Grundbesitz, weiter vergrößert. Ihnen wird eine bis zu zehnjährige Stundung - zu Recht - nur eingeräumt, soweit sie die Steuer nur durch Veräußerung der Grundstücke aufbringen könnten (§ 28 Abs. 3 ErbStG).

     

    • Familienunternehmen: Unternehmen, die bestimmte gesellschaftsvertragliche oder satzungsmäßige Voraussetzungen erfüllen, kann ein Abschlag gewährt werden. Die Höhe des Abschlags richtet sich nach der im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung vorgesehenen prozentualen Minderung der Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert und darf 30 % nicht übersteigen. Die gesellschaftsvertraglichen oder satzungsmäßigen Voraussetzungen müssen 2 Jahre vor und 20 Jahre nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer vorliegen.

     

    • Nach Auffassung des Bundesrates ist grundsätzlich zu prüfen, ob diese Vergünstigung zusätzlich zu den Verschonungsabschlägen von 100 % bzw. 85 % gewährt werden kann. Zudem fordert der Bundesrat bei den vorgesehenen Entnahme- bzw. Ausschüttungsbeschränkungen eine Mindestquote von 50 %. Bezüglich des Kreises, innerhalb dessen das Unternehmen oder Anteile des Unternehmens übertragen werden können, verlangt der Bundesrat, dass die vorgenommenen Erweiterungen, insbesondere die pauschale Erweiterung auf Mitgesellschafter, herausgenommen wird, um Missbrauch vorzubeugen.

     

    • Unternehmensbewertung: Die im vereinfachten Bewertungsverfahren vorgesehene Begrenzung des Basiszinses (§ 203 BewG) nach unten auf mindestens 3,5 % und nach oben auf höchstens 5,5 % (Art. 2 des Gesetzentwurfs) wird vom Bundesrat abgelehnt.

     

    • Die im Gesetzesbeschluss geänderte Bemessung des Unternehmenswerts führt nach Auffassung des Bundesrates zu einer unmittelbar aufkommenswirksamen Senkung um rund 30 %. Zusammen mit dem zugleich neu eingeführten Vorab-Abschlag von weiteren bis zu 30 % für gesellschaftsvertragliche Verfügungsbeschränkungen bei Familienunternehmen führe dies in der Gesamtwirkung dazu, dass sich durch Kumulation insgesamt ein Wert von unter 50 % des wahren Verkehrswerts ergeben kann. Im Ergebnis falle die Neuregelung damit vielfach auf das bereits durch Urteil vom 7.11.06 vom BVerfG für verfassungswidrig erklärte Bewertungsniveau zurück (BVerfG 7.11.06, BvL 10/02, BStBl II 07, 192).

     

    • Der Bundesrat fordert daher, den vorgesehenen Mindest-Basiszins zu streichen. Er geht davon aus, dass dem vereinfachten Ertragswertverfahren durch einen Mindest-Basiszins der Marktbezug entzogen wird, weil dieser eine verfassungsrechtlich ausdrücklich geforderte objektive Ermittlung des gemeinen Werts ausschließt. Aufgrund der allgemein angenommenen künftigen Zinsentwicklung würde es für viele Jahre de facto bei einem festen Faktor von 12,5 verbleiben. Schon im Jahr 2006 sei aber bei der Grundstücksbewertung ein einheitlicher Faktor (von 12,5) vom BVerfG wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz beanstandet worden. Ein erneuter Verstoß gegen dieses Gebot - nun bei der Bewertung von Unternehmen - müsse unbedingt vermieden werden. Zudem wären die Folgen dieser Anpassung nicht auf das ErbStG beschränkt, sondern würden sich auch auf die Ertragsteuern auswirken.

     

    • Soweit immer wieder eine durch das niedrige Zinsniveau entstandene Überbewertung von Unternehmenswerten behauptet werde, sei dies kein ausreichender Grund. Der Umfang einer möglichen Überbewertung sei bisher nicht evaluiert worden und somit nicht belegt. Zudem könne der Steuerpflichtige jederzeit eine individuelle Unternehmensbewertung z. B. nach IDW S 1 vorlegen, wenn er der Auffassung ist, dass auf dem Wege der vereinfachten Bewertungsmethode eine Überbewertung vorliege.

    2. Unzulässige Rückwirkung?

    Da das reformierte Gesetz weiterhin für alle Erwerbe gelten soll, für die die Steuer nach dem 30.6.16 entsteht und der Vermittlungsausschuss frühestens im September 2016 tagt, wird natürlich weiterhin diskutiert, ob es zulässig ist, dass das Gesetz rückwirkend in Kraft treten soll.

     

    Einer Pressemitteilung des BVerfG vom 14.7.16 ist zu entnehmen, dass der Vorsitzende des Ersten Senats des BVerfG, Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, nun mit Schreiben an die Bundesregierung, den Bundestag und den Bundesrat vom 12.7.16 mitgeteilt hat, dass der Erste Senat sich nach der Sommerpause Ende September mit dem weiteren Vorgehen im Normenkontrollverfahren um das ErbStG befassen wird. Trotz dieser Pressemitteilung kann nicht damit gerechnet werden, dass in der Übergangszeit

    • die Erbschaft- und Schenkungsteuer vollständig entfällt,
    • das ErbStG in vollem Umfang weiter gilt - mit einer möglichen Vollzugsregelung des BVerfG (siehe auch Brüggemann, ErbBstg 16, 127).

     

    Der Vermittlungsausschuss soll Ende September das Gesetz zu einem guten Ende bringen. Es ist zu erwarten, dass das neue Gesetz dann rückwirkend zum 1.7.16 in Kraft tritt. Die Finanzverwaltung wendet aber das bisherige Recht bis zu einer Neuregelung in vollem Umfang weiter an (Erlass vom 21.6.16, DB 16, 1609).

     

    Das BVerfG hat für den Fall der echten Rückwirkung (abgeschlossener Sachverhalt in der Vergangenheit) grundsätzlich entschieden, dass durch die Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ die geplanten Gesetzesänderungen öffentlich würden und ab diesem Zeitpunkt mögliche zukünftige Gesetzesänderungen in konkreten Umrissen allgemein vorhersehbar seien. Deshalb könnten Steuerpflichtige regelmäßig nicht mehr darauf vertrauen, das gegenwärtig geltende Recht werde auch in Zukunft unverändert fortbestehen. Jedenfalls ab dem Gesetzesbeschluss des Bundestages müsse der Steuerpflichtige damit rechnen, dass die Neuregelung verkündet werde und in Kraft tritt. Es sei ihm ab diesem Zeitpunkt zuzumuten, sein Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten (BVerfG 10.10.12, 1 BvL 6/07, BStBl II 12, 932).

     

    Ob dies auch gilt, wenn nach dem Beschluss des Deutschen Bundestages der Vermittlungsausschuss angerufen wird, hat das BVerfG in dem Urteil allerdings offengelassen. Für die Grunderwerbsteuer hat es jüngst entschieden, dass sich die Steuerschuldner darauf einstellen können, dass sie nach der rückwirkenden Neuregelung für die seit dem 1.1.09 getätigten grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgänge aller Voraussicht nach herangezogen bleiben (BVerfG 23.6.15, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl II 15, 871). Wer gleichwohl auf eine steuerfreie Übergangszeit „spekuliert“, könnte eine Schenkung noch vor einem Vorschlag des Vermittlungsausschusses vollziehen und den Schenkungs- und Übertragungsvertrag mit einem Rückforderungsrecht ausgestalten, das eine Rückübertragung im Falle einer zulässigen rückwirkenden Steuerpflicht des Erwerbs vorsieht. Für den (sehr unwahrscheinlichen) Fall einer steuerfreien Übergangszeit wäre dann der Steuervorteil gesichert.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2016 | Seite 189 | ID 44178501

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