21.10.2025 · IWW-Abrufnummer 250791
Landgericht Ellwangen: Teilurteil vom 31.07.2025 – 3 O 284/24
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Ellwangen, Teilurteil vom 31.07.2025, Az. 3 O 284/24
1. Der Beklagte wird verurteilt, der Erbengemeinschaft nach dem am 08.xx.2023 verstorbenen W., zuletzt wohnhaft xxxx in E., bestehend aus den Erben M., J., S. sowie der Klägerin, Auskunft zu erteilen über sämtliche Verfügungen, die er für den Verstorbenen aufgrund der Generalvollmacht vom 17.12.2017 in der Zeit vom 01.07.2021 bis 18.01.2023 getätigt hat, und zwar durch Vorlage einer nach Einnahmen und Ausgaben geordneten Aufstellung sowie durch Vorlage der dazugehörigen Belege.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Auskunftserteilung und eidesstattliche Versicherung.
Die Parteien sind Geschwister.
Am 08.xx.2023 verstarb der gemeinsame Vater, Herr W. (im Folgenden: "Erblasser").
Der Erblasser hatte dem Beklagten zu Lebzeiten mit notarieller Urkunde vom 06.12.2017 umfassende General- und Vorsorgevollmacht erteilt.
Unter Ziffer I. der Urkunde heißt es (vgl. Anlage K2):
"Die Vollmacht erstreckt sich ohne Ausnahme auf alle Rechtsgeschäfte. Verfahrenserklärungen und Rechtshandlungen, die - soweit gesetzlich möglich - von einem Vollmachtgeber und ihm gegenüber vorgenommen werden können. Die Vollmacht berechtigt insbesondere Zur Verwaltung des Vermögens des Vollmachtgebers, zur Verfügung über Vermögensgegenstände [...]"
Unter Ziffer III. der Urkunde heißt es weiter:
"Die Vollmacht erlischt nicht durch den Tod des Vollmachtgebers. Sie endet auch dann nicht, wenn der Vollmachtgeber geschäftsunfähig werden sollte [...].
Besonders wurde auf das einer Vollmachtserteilung zugrunde liegende Vertrauensverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem hingewiesen [...].
Durch die Bevollmächtigung wird auch die Kontrolle durch das Betreuungsgericht wegfallen. Dies wird ausdrücklich so gewünscht. Der Bevollmächtigte unterliegen nicht den Einschränkungen eines rechtlichen Betreuers."
Mit Testament vom 23.01.2020 (Anlage K1) setzte der Erblasser seine sechs Abkömmlinge, S., M., J., S. sowie die Parteien, zu jeweils 1/6 als Erben ein. Zugleich ordnete der Erblasser unter § 3 Testamentsvollstreckung an und setzte den Beklagten als Testamentsvollstrecker ein, der das Amt nach Eintritt des Erbfalls übernahm.
Im Zeitraum 03.07.2021 bis 18.01.2023 hob der Beklagte insgesamt 25.105,00 € vom Konto des Erblassers ab (vgl. die Auflistung unter Anlage K7).
Mit anwaltlichen Schreiben vom 27.02.2023 (Anlage K3) und 05.07.2023 (Anlage K4) wurde der Beklagte von den übrigen Erben zur Auskunft und Rechenschaft über die seit dem Versterben des Erblassers bzw. auch über die zu Lebzeiten des Erblassers vorgenommen Geschäfte bzw. Vermögensverfügungen aufgefordert.
Der Beklagte antwortete hierauf mit anwaltlichen Schreiben vom 08.08.2023, 20.09.2023, 20.10.2023 und 07.03.2024 (Anlagen B1 bis B4).
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte den übrigen Erben der Erbengemeinschaft als Bevollmächtigter, hilfsweise als Testamentsvollstrecker, gemäß § 666 BGB, jedenfalls gemäß § 242 BGB, zur Auskunft und Rechenschaft verpflichtet sei. Missbrauch der erteilten Vollmacht sei ansonsten Tür und Tor geöffnet.
Die Klägerin beantragt,
1.
Der Beklagte wird verurteilt, den Erben der Erbengemeinschaft nach dem am 08.01.2023 verstorbenen Herrn W., zuletzt wohnhaft xxxx in E. durch Vorlage einer nach Einnahmen und Ausgaben geordneten Übersicht Auskunft über alle Verfügungen zu erteilen, die der Beklagte für den Erblasser, Herrn W., verstorben am 08.xx.2023 in der Zeit vom 01.07.2021 bis 18.01.2023 getätigt hat, sowie alle dazu erforderlichen Rechnungen und Belege vorzulegen.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, für den Fall, dass die Angaben über Einnahmen und Ausgaben in dem Rechenschaftsbericht nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, an Eides statt zu versichern, dass er die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen so vollständig gemacht hat, wie er dazu im Stande ist.
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass es für den geltend gemachten Anspruch an einer Anspruchsgrundlage fehlen würde, er insbesondere nicht nach § 666 BGB i.V.m. § 1922 BGB zur Auskunft und Rechenschaft verpflichtet sei, da der erteilten Vollmacht kein Auftragsrecht zugrunde gelegt worden sei. Im Übrigen sei die Klägerin infolge der angeordneten Testamentsvollstreckung nicht aktivlegitimiert und ein eventueller Auskunftsanspruch durch die anwaltlichen Schreiben gemäß Anlagen B1 - B4 jedenfalls erfüllt.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 27.06.2025 (Bl. 98 ff.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist auf erster Stufe begründet.
1.) Die Klage ist zulässig.
a) Die Klägerin ist als Miterbin gemäß § 2039 S. 1 BGB kraft Gesetzes prozessführungsbefugt.
b) Als zulässig wird auch eine Stufenklage angesehen, die sich - wie vorliegend - auf Auskunft und Rechnungslegung sowie Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beschränkt, aber keinen Leistungsantrag umfasst (BeckOK ZPO/Bacher, 56. Ed. 1.3.2025, ZPO § 254 Rn. 11 m.d.N.).
2.) Die Klage ist auf erster Stufe auch begründet.
Den übrigen Erben steht gemäß § 666 BGB i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB der geltend gemachte Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch gegenüber dem Beklagten als Bevollmächtigtem zu (zur Tenorierung vgl. FormB-ErbR/Lenz-Brendel/Roglmeier, 5. Aufl. 2023, § 1 Rn. 267).
a) Vorliegend ist entsprechend den Grundsätzen der obergerichtlichen Rechtsprechung von einem Auftragsverhältnis im Sinne von § 662 BGB zwischen dem Erblasser und dem Beklagten und nicht bloß von einem Gefälligkeitsverhältnis auszugehen.
Die Abgrenzung von einem Auftrag zu einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis, welches keine rechtlichen Pflichten auslöst, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wenn für den Auftragnehmer erkennbar ist, dass der Auftraggeber ein wesentliches Interesse an der Durchführung des Auftrages hat, ist von einem Rechtsbindungswillen auszugehen. Es kommt darauf an, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden darstellt. Eine vertragliche Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger, also den Auftraggeber, wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Zusage des Leistenden verlässt. Ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer spricht grundsätzlich nicht gegen einen Auftrag i. S. von § 662 BGB. Denn ein "besonderes Vertrauensverhältnis" zwischen den Beteiligten ist der Regelfall eines Auftrages mit rechtlichen Verpflichtungen. Wenn ein Familienangehöriger Geldgeschäfte für einen anderen Familienangehörigen erledigt - im Rahmen einer Vorsorgevollmacht oder auch im Rahmen eines Einzelauftrages - wird man im Regelfall von einem Auftrag mit rechtlichen Verpflichtungen ausgehen müssen. Eine abweichende Bewertung kann nur ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls in Betracht kommen. Dabei ist die Rechtsprechung des BGH zur Bedeutung einer Vollmacht unter zusammenlebenden Eheleuten (vgl. BGH, NJW 2000, 3199 [BGH 05.07.2000 - XII ZR 26/98]) auf andere Familienkonstellationen (vgl. insbes. BGH, NJW 2001, 1131 [BGH 04.12.2000 - II ZR 230/99]) nicht übertragbar (OLG Brandenburg, Urteil vom 02.04.2019 - 3 U 39/18, DNotZ 2020, 906; ebenso: OLG Brandenburg, Urteil vom 07.12.2011 - 3 U 94/11, BeckRS 2012, 20726; OLG Schleswig, Urteil vom 18.03.2014 - 3 U 50/13; ErbR 2014, 347; OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.05.2017 - 9 U 167/15, ErbR 2017, 570; OLG Braunschweig, Urteil vom 28.04.2021 - 9 U 24/20, BeckRS 2021, 10190; Rechtsprechungsübersichten bei: MAH-ErbR/Lipp/Schrader, 6. Aufl. 2024, § 44 Rn. 34; BeckNotar-HdB/Reetz, 8. Aufl. 2024, § 16 Rn. 66 ff.).
Hier hat der Erblasser dem Beklagten im Jahr 2017 eine umfassende notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht erteilt, die diesen "ohne Ausnahme" zu allen Rechtsgeschäften, Verfahrenserklärungen und Rechtshandlungen ermächtigt hat (vgl. erneut Ziffer I. der Urkunde). Unter diesen Umständen war für den Beklagten aufgrund der Erteilung so weitreichender Befugnisse zu seinen Gunsten erkennbar, dass für den Erblasser wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel standen und er als Bevollmächtigter über das komplette Vermögen des Erblassers, darunter ein Kontoguthaben in Höhe von immerhin knapp 23.000,00 EUR, verfügen konnte. Besondere Umstände, aus denen der Beklagte hätte schließen können, dass mit der Erteilung der Vollmacht für den Fall, dass er auf deren Grundlage für den Erblasser tätig werden würde, seinerseits keinerlei Informations- oder Rechenschaftspflichten verbunden sein sollten, liegen nicht vor. Dass er sich um den Erblasser gekümmert hat und ein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen bestand, reicht hierfür ebenso wenig aus wie das bloße Verwandtschaftsverhältnis (OLG Brandenburg, Urteil vom 02.04.2019 - 3 U 39/18, DNotZ 2020, 906; OLG Schleswig, a.a.O.). Wenn man einen Rechtsbindungswillen verneinen würde, hätte der Beklagte im Übrigen keine Verpflichtung gehabt, die vom Konto des Erblassers unstrittig abgehobenen Gelder an diesen abzuliefern (OLG Karlsruhe, a.a.O.).
b) Der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch wurde beklagtenseits weder ganz noch teilweise im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB erfüllt.
Erfüllt ist der Auskunftsanspruch, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Rechnungslegung in weitergehendem Umfang nicht begründen, sondern führt lediglich zu einem Anspruch auf eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit der erteilten Auskunft gemäß § 260 Abs. 2 BGB. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist daher die - gegebenenfalls konkludente - Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist (BGH, Urteil vom 03.09.2020 - III ZR 136/18, NJW 2021, 765 Rn. 43).
Die Rechenschaftslegung erfordert eine übersichtliche, in sich verständliche Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben. Die Ausgaben müssen so detailliert und verständlich dargestellt sein, dass der Berechtigte ohne fremde Hilfe in der Lage ist, seine Ansprüche und die gegen ihn gerichteten Ansprüche nach Grund und Höhe zu überprüfen (OLG Schleswig, Urteil vom 16.10.2024 - 12 U 6/24, BeckRS 2024, 27538 Rn. 20; Grüneberg/ders., 84. Aufl. 2025, § 666 BGB Rn. 4; BeckOGK/Riesenhuber, 1.6.2025, BGB § 666 Rn. 35 ff.).
Diesen Anforderungen genügen weder die anwaltlichen Schreiben des darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten unter Anlagen B1 bis B4 noch die Ausführungen in den vorbereitenden Schriftsätzen, a.v. fehlt weiterhin die Vorlage einer nach Einnahmen und Ausgaben geordneten Aufstellung für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum sowie die Vorlage der dazugehörigen Belege.
Im Übrigen genügt der Beklagte seiner Darlegungslast nicht, wenn er anstelle eines geordneten Sachvortrags letztlich nur auf die Anlagen B1 bis B4 verweist, aus denen das Gericht sich die erheblichen Tatsachen - zumindest für eine Teilerfüllung - heraussuchen soll (BeckOK-ZPO/von Selle, 56. Ed. 1.3.2025, ZPO § 137 Rn. 8 m.w.N.).
c) Irrelevant ist im Übrigen, dass der Erblasser zu Lebzeiten selbst weder Auskunft noch Rechnungslegung vom Beklagten verlangt hatte.
Auf einen ggf. konkludenten Verzicht könnte sich der Beklagte jedenfalls deshalb nicht berufen, weil im Hinblick auf seine pauschalen und widersprüchlichen Angaben zur Verwendung der von ihm in bar abgehobenen Geldbeträge Zweifel an dessen Zuverlässigkeit bestehen (OLG Brandenburg, Urteil vom 02.04.2019 - 3 U 39/18, DNotZ 2020, 906 m.w.N.; BeckOGK/Preuß, 1.5.2025, BGB § 1922 Rn. 194).
II.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
Die Höhe der Sicherheit war nach dem voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten der Auskunftserteilung und Rechenschaftslegung zu bemessen (vgl. BGH, Urteil vom 14.07.2022 - I ZR 121/21, GRUR 2022, 1675 Rn. 26 m.w.N.).
Tenor:
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Auskunftserteilung und eidesstattliche Versicherung.
Die Parteien sind Geschwister.
Am 08.xx.2023 verstarb der gemeinsame Vater, Herr W. (im Folgenden: "Erblasser").
Der Erblasser hatte dem Beklagten zu Lebzeiten mit notarieller Urkunde vom 06.12.2017 umfassende General- und Vorsorgevollmacht erteilt.
Unter Ziffer I. der Urkunde heißt es (vgl. Anlage K2):
"Die Vollmacht erstreckt sich ohne Ausnahme auf alle Rechtsgeschäfte. Verfahrenserklärungen und Rechtshandlungen, die - soweit gesetzlich möglich - von einem Vollmachtgeber und ihm gegenüber vorgenommen werden können. Die Vollmacht berechtigt insbesondere Zur Verwaltung des Vermögens des Vollmachtgebers, zur Verfügung über Vermögensgegenstände [...]"
Unter Ziffer III. der Urkunde heißt es weiter:
"Die Vollmacht erlischt nicht durch den Tod des Vollmachtgebers. Sie endet auch dann nicht, wenn der Vollmachtgeber geschäftsunfähig werden sollte [...].
Besonders wurde auf das einer Vollmachtserteilung zugrunde liegende Vertrauensverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem hingewiesen [...].
Durch die Bevollmächtigung wird auch die Kontrolle durch das Betreuungsgericht wegfallen. Dies wird ausdrücklich so gewünscht. Der Bevollmächtigte unterliegen nicht den Einschränkungen eines rechtlichen Betreuers."
Mit Testament vom 23.01.2020 (Anlage K1) setzte der Erblasser seine sechs Abkömmlinge, S., M., J., S. sowie die Parteien, zu jeweils 1/6 als Erben ein. Zugleich ordnete der Erblasser unter § 3 Testamentsvollstreckung an und setzte den Beklagten als Testamentsvollstrecker ein, der das Amt nach Eintritt des Erbfalls übernahm.
Im Zeitraum 03.07.2021 bis 18.01.2023 hob der Beklagte insgesamt 25.105,00 € vom Konto des Erblassers ab (vgl. die Auflistung unter Anlage K7).
Mit anwaltlichen Schreiben vom 27.02.2023 (Anlage K3) und 05.07.2023 (Anlage K4) wurde der Beklagte von den übrigen Erben zur Auskunft und Rechenschaft über die seit dem Versterben des Erblassers bzw. auch über die zu Lebzeiten des Erblassers vorgenommen Geschäfte bzw. Vermögensverfügungen aufgefordert.
Der Beklagte antwortete hierauf mit anwaltlichen Schreiben vom 08.08.2023, 20.09.2023, 20.10.2023 und 07.03.2024 (Anlagen B1 bis B4).
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte den übrigen Erben der Erbengemeinschaft als Bevollmächtigter, hilfsweise als Testamentsvollstrecker, gemäß § 666 BGB, jedenfalls gemäß § 242 BGB, zur Auskunft und Rechenschaft verpflichtet sei. Missbrauch der erteilten Vollmacht sei ansonsten Tür und Tor geöffnet.
Die Klägerin beantragt,
1.
Der Beklagte wird verurteilt, den Erben der Erbengemeinschaft nach dem am 08.01.2023 verstorbenen Herrn W., zuletzt wohnhaft xxxx in E. durch Vorlage einer nach Einnahmen und Ausgaben geordneten Übersicht Auskunft über alle Verfügungen zu erteilen, die der Beklagte für den Erblasser, Herrn W., verstorben am 08.xx.2023 in der Zeit vom 01.07.2021 bis 18.01.2023 getätigt hat, sowie alle dazu erforderlichen Rechnungen und Belege vorzulegen.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, für den Fall, dass die Angaben über Einnahmen und Ausgaben in dem Rechenschaftsbericht nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, an Eides statt zu versichern, dass er die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen so vollständig gemacht hat, wie er dazu im Stande ist.
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass es für den geltend gemachten Anspruch an einer Anspruchsgrundlage fehlen würde, er insbesondere nicht nach § 666 BGB i.V.m. § 1922 BGB zur Auskunft und Rechenschaft verpflichtet sei, da der erteilten Vollmacht kein Auftragsrecht zugrunde gelegt worden sei. Im Übrigen sei die Klägerin infolge der angeordneten Testamentsvollstreckung nicht aktivlegitimiert und ein eventueller Auskunftsanspruch durch die anwaltlichen Schreiben gemäß Anlagen B1 - B4 jedenfalls erfüllt.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 27.06.2025 (Bl. 98 ff.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist auf erster Stufe begründet.
1.) Die Klage ist zulässig.
a) Die Klägerin ist als Miterbin gemäß § 2039 S. 1 BGB kraft Gesetzes prozessführungsbefugt.
b) Als zulässig wird auch eine Stufenklage angesehen, die sich - wie vorliegend - auf Auskunft und Rechnungslegung sowie Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beschränkt, aber keinen Leistungsantrag umfasst (BeckOK ZPO/Bacher, 56. Ed. 1.3.2025, ZPO § 254 Rn. 11 m.d.N.).
2.) Die Klage ist auf erster Stufe auch begründet.
Den übrigen Erben steht gemäß § 666 BGB i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB der geltend gemachte Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch gegenüber dem Beklagten als Bevollmächtigtem zu (zur Tenorierung vgl. FormB-ErbR/Lenz-Brendel/Roglmeier, 5. Aufl. 2023, § 1 Rn. 267).
a) Vorliegend ist entsprechend den Grundsätzen der obergerichtlichen Rechtsprechung von einem Auftragsverhältnis im Sinne von § 662 BGB zwischen dem Erblasser und dem Beklagten und nicht bloß von einem Gefälligkeitsverhältnis auszugehen.
Die Abgrenzung von einem Auftrag zu einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis, welches keine rechtlichen Pflichten auslöst, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wenn für den Auftragnehmer erkennbar ist, dass der Auftraggeber ein wesentliches Interesse an der Durchführung des Auftrages hat, ist von einem Rechtsbindungswillen auszugehen. Es kommt darauf an, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden darstellt. Eine vertragliche Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger, also den Auftraggeber, wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Zusage des Leistenden verlässt. Ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer spricht grundsätzlich nicht gegen einen Auftrag i. S. von § 662 BGB. Denn ein "besonderes Vertrauensverhältnis" zwischen den Beteiligten ist der Regelfall eines Auftrages mit rechtlichen Verpflichtungen. Wenn ein Familienangehöriger Geldgeschäfte für einen anderen Familienangehörigen erledigt - im Rahmen einer Vorsorgevollmacht oder auch im Rahmen eines Einzelauftrages - wird man im Regelfall von einem Auftrag mit rechtlichen Verpflichtungen ausgehen müssen. Eine abweichende Bewertung kann nur ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls in Betracht kommen. Dabei ist die Rechtsprechung des BGH zur Bedeutung einer Vollmacht unter zusammenlebenden Eheleuten (vgl. BGH, NJW 2000, 3199 [BGH 05.07.2000 - XII ZR 26/98]) auf andere Familienkonstellationen (vgl. insbes. BGH, NJW 2001, 1131 [BGH 04.12.2000 - II ZR 230/99]) nicht übertragbar (OLG Brandenburg, Urteil vom 02.04.2019 - 3 U 39/18, DNotZ 2020, 906; ebenso: OLG Brandenburg, Urteil vom 07.12.2011 - 3 U 94/11, BeckRS 2012, 20726; OLG Schleswig, Urteil vom 18.03.2014 - 3 U 50/13; ErbR 2014, 347; OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.05.2017 - 9 U 167/15, ErbR 2017, 570; OLG Braunschweig, Urteil vom 28.04.2021 - 9 U 24/20, BeckRS 2021, 10190; Rechtsprechungsübersichten bei: MAH-ErbR/Lipp/Schrader, 6. Aufl. 2024, § 44 Rn. 34; BeckNotar-HdB/Reetz, 8. Aufl. 2024, § 16 Rn. 66 ff.).
Hier hat der Erblasser dem Beklagten im Jahr 2017 eine umfassende notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht erteilt, die diesen "ohne Ausnahme" zu allen Rechtsgeschäften, Verfahrenserklärungen und Rechtshandlungen ermächtigt hat (vgl. erneut Ziffer I. der Urkunde). Unter diesen Umständen war für den Beklagten aufgrund der Erteilung so weitreichender Befugnisse zu seinen Gunsten erkennbar, dass für den Erblasser wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel standen und er als Bevollmächtigter über das komplette Vermögen des Erblassers, darunter ein Kontoguthaben in Höhe von immerhin knapp 23.000,00 EUR, verfügen konnte. Besondere Umstände, aus denen der Beklagte hätte schließen können, dass mit der Erteilung der Vollmacht für den Fall, dass er auf deren Grundlage für den Erblasser tätig werden würde, seinerseits keinerlei Informations- oder Rechenschaftspflichten verbunden sein sollten, liegen nicht vor. Dass er sich um den Erblasser gekümmert hat und ein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen bestand, reicht hierfür ebenso wenig aus wie das bloße Verwandtschaftsverhältnis (OLG Brandenburg, Urteil vom 02.04.2019 - 3 U 39/18, DNotZ 2020, 906; OLG Schleswig, a.a.O.). Wenn man einen Rechtsbindungswillen verneinen würde, hätte der Beklagte im Übrigen keine Verpflichtung gehabt, die vom Konto des Erblassers unstrittig abgehobenen Gelder an diesen abzuliefern (OLG Karlsruhe, a.a.O.).
b) Der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch wurde beklagtenseits weder ganz noch teilweise im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB erfüllt.
Erfüllt ist der Auskunftsanspruch, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Rechnungslegung in weitergehendem Umfang nicht begründen, sondern führt lediglich zu einem Anspruch auf eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit der erteilten Auskunft gemäß § 260 Abs. 2 BGB. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist daher die - gegebenenfalls konkludente - Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist (BGH, Urteil vom 03.09.2020 - III ZR 136/18, NJW 2021, 765 Rn. 43).
Die Rechenschaftslegung erfordert eine übersichtliche, in sich verständliche Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben. Die Ausgaben müssen so detailliert und verständlich dargestellt sein, dass der Berechtigte ohne fremde Hilfe in der Lage ist, seine Ansprüche und die gegen ihn gerichteten Ansprüche nach Grund und Höhe zu überprüfen (OLG Schleswig, Urteil vom 16.10.2024 - 12 U 6/24, BeckRS 2024, 27538 Rn. 20; Grüneberg/ders., 84. Aufl. 2025, § 666 BGB Rn. 4; BeckOGK/Riesenhuber, 1.6.2025, BGB § 666 Rn. 35 ff.).
Diesen Anforderungen genügen weder die anwaltlichen Schreiben des darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten unter Anlagen B1 bis B4 noch die Ausführungen in den vorbereitenden Schriftsätzen, a.v. fehlt weiterhin die Vorlage einer nach Einnahmen und Ausgaben geordneten Aufstellung für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum sowie die Vorlage der dazugehörigen Belege.
Im Übrigen genügt der Beklagte seiner Darlegungslast nicht, wenn er anstelle eines geordneten Sachvortrags letztlich nur auf die Anlagen B1 bis B4 verweist, aus denen das Gericht sich die erheblichen Tatsachen - zumindest für eine Teilerfüllung - heraussuchen soll (BeckOK-ZPO/von Selle, 56. Ed. 1.3.2025, ZPO § 137 Rn. 8 m.w.N.).
c) Irrelevant ist im Übrigen, dass der Erblasser zu Lebzeiten selbst weder Auskunft noch Rechnungslegung vom Beklagten verlangt hatte.
Auf einen ggf. konkludenten Verzicht könnte sich der Beklagte jedenfalls deshalb nicht berufen, weil im Hinblick auf seine pauschalen und widersprüchlichen Angaben zur Verwendung der von ihm in bar abgehobenen Geldbeträge Zweifel an dessen Zuverlässigkeit bestehen (OLG Brandenburg, Urteil vom 02.04.2019 - 3 U 39/18, DNotZ 2020, 906 m.w.N.; BeckOGK/Preuß, 1.5.2025, BGB § 1922 Rn. 194).
II.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
Die Höhe der Sicherheit war nach dem voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten der Auskunftserteilung und Rechenschaftslegung zu bemessen (vgl. BGH, Urteil vom 14.07.2022 - I ZR 121/21, GRUR 2022, 1675 Rn. 26 m.w.N.).