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  • 22.05.2025 · IWW-Abrufnummer 248237

    Oberlandesgericht Zweibrücken: Beschluss vom 10.03.2025 – 8 W 19/24

    Für einen Erbvertrag wird gerade nicht vorausgesetzt, dass die Vertragsschließenden "wechselseitige Verfügungen" treffen. Die Frage, ob eine Verfügung sich als "vertragsmäßige Verfügung" darstellt, ist zunächst Sache der Vertragschließenden, die dies vereinbaren können. Haben die Vertragschließenden im Erbvertrag ausdrücklich festgestellt, dass eine Verfügung vertragsmäßig getroffen sein soll, bleibt für eine abweichende Auslegung regelmäßig kein Raum. Nur wenn die Vertragschließenden eine solche erbvertragliche Bindung tatsächlich nicht gewollt haben, liegt kein Erbvertrag, sondern lediglich ein einseitiges Testament vor. Dagegen liegt ohne weiteres ein Erbvertrag vor, wenn eine Bindung gewollt und diese lediglich durch einen in den Erbvertrag aufgenommenen Vorbehalt gelockert oder eingeschränkt worden ist.


    Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 10.03.2025, Az. 8 W 19/24

    Tenor:

    1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 14.02.2024 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Kaiserslautern vom 05.02.2024 abgeändert wie folgt:

    Die zur Begründung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 1) vom 18.12.2023 erforderlichen Tatsachen werden als festgestellt erachtet.

    2. Das Amtsgericht - Nachlassgericht - Kaiserslautern wird angewiesen, der Beteiligten zu 1) einen Erbscheinsantrag gemäß dem Antrag vom 18.12.2023 zu erteilen.

    3. Die Beteiligte zu 1) hat die durch die Beantragung des Erbscheins angefallenen Gerichtsgebühren zu tragen.

    4. Hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens werden keine Gerichtsgebühren erhoben und eine Kostenerstattung wird nicht angeordnet.

    5. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf einen Wert in der Stufe bis 90.000,00 € festgesetzt.

    Gründe
    I.

    Der zwischen dem 08.07.2023 und dem 17.07.2023 in Kaiserslautern verstorbene Erblasser war geschieden und kinderlos geblieben.

    Die Beteiligte zu 1) ist eine Nichte des Erblassers, Tochter der einzigen, bereits vorverstorbenen Schwester des Erblassers.

    Die Beteiligte zu 2) ist die Tochter der früheren Ehefrau des Erblassers, von der dieser geschiedenen wurde.

    Unter dem 29.01.1990 hatten der Erblasser und die Mutter der Beteiligten zu 2) gemäß der Urkunde des Notars H. in L., UrkNr. 70/90 W, im Hinblick auf eine "demnächst beabsichtigte Heirat" einen "Ehe- und Erbvertrag" geschlossen, in dem sie im Teil A (Ehevertrag) den Güterstand der Gütertrennung für ihre künftige Ehe vereinbarten und sodann im Teil B (Erbvertrag) die nachfolgenden Regelungen getroffen haben:

    "Teil B)

    Erbvertrag

    Die Erschienenen schließen den nachfolgenden Erbvertrag:

    Herr M.U. setzt die Tochter von Frau J.L. aus erster Ehe, A.L. zu seinem alleinigen dereinstigen Erben ein, ohne Rücksicht darauf ob und welche weitere Pflichtteilsberechtigte vorhanden sein werden.

    Darüber hinaus vermacht Herr M.U. Frau J.L. das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnungsrecht an alle Räumen seines Hausanwesens in E..

    Dieses Wohnrecht ist auf Verlangen der Berechtigten dinglich im Grundbuch abzusichern. Zum Vollzug dieses Wohnungsrechts setzt Herr U. Frau J.L. zur Testamentsvollstreckerin ein.

    III.

    M.U. behält sich den jederzeitigen Rücktritt von diesem Erbvertrag vor.

    IV.

    Es ist uns bekannt, daß wir die vorstehenden Vereinbarungen nur im gegenseitigem Einvernehmen noch abändern oder aufheben können, soweit das Abänderungsrecht des Überlebenden von uns nicht ausdrücklich vorbehalten worden ist.

    In diesem Bewusstsein nehmen wir unsere Erklärungen gegenseitig zur erbvertraglichen Bindung an.

    Über das gesetzliche Pflichtteilsrecht sind wir belehrt worden.

    ..."

    Die danach von dem Erblasser und der Mutter der Beteiligten zu 1) geschlossene Ehe wurde am 30.05.1995 wieder geschieden.

    Nach dem Tod des Erblassers und der Eröffnung des o.g. Ehe- und Erbvertrages durch das Nachlassgericht beantragte die Beteiligte zu 1) unter dem 18.12.2023 zu Protokoll des Nachlassgerichts in Kaiserslautern die Erteilung eines Erbscheins, der sie aufgrund der gesetzlichen Erbfolge als Alleinerbin des Erblassers ausweisen soll. Sie hat insoweit die Auffassung vertreten, dass die Einsetzung der Beteiligten zu 2) als Erbin in dem Ehe- und Erbvertrag vom 29.01.1990 aufgrund der späteren Ehescheidung unwirksam geworden sei.

    Die Beteiligte zu 2) ist dem Erbscheinsantrag entgegengetreten und hat die Auffassung vertreten, dass ihre Einsetzung zur Erbin in dem Erbvertrag weiterhin wirksam sei, da einerseits der Erbvertrag unabhängig vom Ehevertrag gewesen sei und die Erbeinsetzung im Übrigen nicht wechselseitig, sondern einseitig erfolgt sei.

    Mit dem angefochtenen Beschluss vom 05.02.2024 hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das die gesetzliche Erbfolge vorliegend nicht eingreife, da eine wirksame Erbeinsetzung zu Gunsten der Beteiligten zu 2) vorliege. Zwar sei gemäß § 2279 BGB nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auch in den Fällen, in denen Ehepartner, Lebenspartner oder Verlobte in einem Erbvertrag einen Dritten erbvertraglich bindend bedenken, ein Zusammenhang zwischen der engen persönlichen Bindung der Vertragsteile und der Zuwendung an den Dritten zu vermuten, so dass § 2279 Abs. 2 BGB die Anwendbarkeit des § 2077 BGB auch für diesen Fall anordne. Dies gelte jedoch nicht, wenn der Dritte nur einseitig bedacht worden sei. In einem solchen Falle bleibe die Verfügung auch bei Auflösung der Ehe oder Partnerschaft bestehen, sofern sich nicht über § 2085 BGB etwas anderes ergebe. Vorliegend handele es sich bei dem als Erbvertrag überschriebenen Teil des Ehevertrages um eine einseitige Erbeinsetzung, so dass ein Fall des § 2077 Abs. 3 BGB vorliege. Anhaltspunkte dafür, dass die Einsetzung der Beteiligten zu 2) zur Erben durch den Erblasser in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu einer entsprechenden Verfügung der damaligen Verlobten des Erblassers gestanden habe, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Der notarielle Vertrag in Teil 2 der Vertragsurkunde stelle vielmehr lediglich ein jederzeit widerrufbares, einseitiges Testament des Erblassers dar. Die damalige Verlobte habe in diesem Zusammenhang keinerlei Verfügungen getroffen. Im Übrigen sei im vorliegenden Fall auch davon auszugehen, dass gemäß § 2085 BGB nur das Vermächtnis (Wohnrecht) zugunsten der zukünftigen Ehefrau durch die Ehescheidung unwirksam geworden sei, mangels Wechselseitigkeit jedoch nicht die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2).

    Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer Beschwerde, mit der sie weiterhin die Erteilung des von ihr beantragten Erbscheins erstrebt. Sie ist der Ansicht, dass die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) sehr wohl eine wechselseitige Verfügung sei, was sich schon aus dem Text des Erbvertrages ergebe und im Übrigen auch aus der unmittelbaren Verknüpfung mit dem Ehevertrag. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) für den Fall der Auflösung der Ehe weiterhin gewollt habe, so dass der Erbvertrag mit der Scheidung der Ehe des Erblassers unwirksam insgesamt geworden sei.

    Die Beteiligte zu 2) ist der Beschwerde entgegengetreten und hat ergänzend vorgebracht, dass der Erblasser die Erbeinsetzung auch unabhängig von dem Fortbestand der Ehe gewollt habe, da sie ein eigenes gutes "Vater-Tochter-Verhältnis" zu diesem gehabt habe, das der Erblasser auch nach der Scheidung bis zuletzt gepflegt habe.

    Das Nachlassgericht hat der Beschwerde der Beteiligten zu 1) durch den Beschluss vom 16.02.2024 "aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen" nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.

    II.

    Die gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1) führt auch in der Sache zum Erfolg.

    Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Kaiserslautern vom 05.02.2024 ist dahingehend abzuändern, dass die zur Begründung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 1) vom 18.12.2023 erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet werden und das Nachlassgericht angewiesen wird, der Beteiligten zu 1) einen Erbschein gemäß ihrem Antrag vom 18.12.2023 zu erteilen, der die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin des Erblassers ausweist.

    Die Erbfolge nach dem Erblasser richtet sich entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts nicht nach dem Erbvertrag, den der Erblasser unter dem 29.01.1990 mit der Mutter der Beteiligten zu 2) als seiner künftigen Ehefrau geschlossen hat, sondern nach der gesetzlichen Erbfolge. Denn der Erbvertrag vom 29.01.1990 ist durch die im Jahre 1995 erfolgte Scheidung der Ehe zwischen dem Erblasser und der Mutter der Beteiligte zu 2) auch insoweit unwirksam geworden, als der Erblasser darin die Beteiligte zu 2) zu seiner alleinigen Erbin bestimmt hat.

    Gemäß § 2279 Abs. 1 BGB finden "auf vertragsmäßige Zuwendungen und Auflagen" in einem Erbvertrag die für letztwillige Zuwendungen und Auflagen geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Zu diesen Vorschriften gehört auch § 2268 Abs. 1 BGB, der bestimmt, dass ein gemeinschaftliches Testament in den Fällen des § 2077 BGB grundsätzlich seinem ganzen Inhalt nach unwirksam wird. Weiterhin bestimmt § 2279 Abs. 2 BGB, dass die Vorschrift des § 2077 BGB auch insoweit für einen Erbvertrag zwischen Ehegatten, Lebenspartnern oder Verlobten gilt, als darin ein Dritter bedacht ist. Daher findet die Vorschrift des § 2077 BGB vorliegend auch Anwendung, soweit der Erblasser in dem Erbvertrag vom 29.01.1990 die Beteiligte zu 2) zu seiner Erbin eingesetzt hat.

    Entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts kommt es dabei nicht darauf an, ob es sich bei der Einsetzung der Beteiligten zu 2) um eine "wechselseitige Verfügung" handelt. Denn für einen Erbvertrag wird gerade nicht vorausgesetzt, dass die Vertragsschließenden "wechselseitige Verfügungen" treffen. Vielmehr besagt § 2278 Abs. 1 BGB, dass "in einem Erbvertrag ... jeder Vertragschließende vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen treffen" kann. Die Frage, ob eine Verfügung sich als "vertragsmäßige Verfügung" darstellt, ist zunächst Sache der Vertragschließenden, die dies vereinbaren können (vgl. Litzenburger in BeckOK-BGB, Stand 1.11.2024, § 2278 Rdnr 4; Musielak in MüKo-BGB, 9. Auflage, § 2278 Rdnr. 3). Haben die Vertragschließenden im Erbvertrag ausdrücklich festgestellt, dass eine Verfügung vertragsmäßig getroffen sein soll, bleibt für eine abweichende Auslegung regelmäßig kein Raum (vgl. Musielak, a.a.O.; OLG Stuttgart, Urteil vom 29.08.2002 - 19 U 39/2002, ZEV 2003, 79, 80). Ist eine Verfügung vertragsmäßig getroffen, bewirkt sie die erbvertragliche Bindung des Erblassers gemäß § 2289 BGB. Nur wenn die Vertragschließenden eine solche erbvertragliche Bindung tatsächlich nicht gewollt haben, liegt kein Erbvertrag, sondern lediglich ein einseitiges Testament vor. Dagegen liegt ohne weiteres ein Erbvertrag vor, wenn eine Bindung gewollt und diese lediglich durch einen in den Erbvertrag aufgenommenen Vorbehalt gelockert oder eingeschränkt worden ist (vgl. Grüneberg/Weidlich, BGB, 84. Auflage, § 2278 Rdnr. 1).

    Ausgehend hiervon liegt bei der Einsetzung der Beteiligten zu 2) als Erbin des Erblassers durch diesen eine vertragsmäßige Verfügung und keine einseitige Verfügung des Erblassers vor. Denn in Teil B) des Ehe- und Erbvertrages haben der Erblasser und die Mutter der Beteiligten zu 2) als die Vertragsschließenden unter der Ziffer IV. ausdrücklich festgestellt, dass ihnen "bekannt (sei), daß wir die vorstehenden Vereinbarungen nur im gegenseitigen Einvernehmen noch abändern oder aufheben können, soweit das einseitige Abänderungsrecht des Überlebenden von uns nicht ausdrücklich vorbehalten ist" und dass sie "in diesem Bewußtsein ... unsere Erklärungen gegenseitig zur erbvertraglichen Bindung" annehmen. Damit aber haben sie eindeutig klargestellt, dass eine erbvertragliche Bindung gewollt war.

    Gegen den Willen zur erbvertraglichen Bindung spricht auch nicht, dass der Erblasser sich unter Ziffer III. des Vertrages "den jederzeitigen Rücktritt von diesem Erbvertrag" vorbehalten hat. Denn die - vom Gesetz in § 2293 BGB ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit der - Einräumung eines Rücktrittsvorbehaltes steht der Einstufung als Erbvertrag - anders als möglicherweise eine von den Parteien hier indes gerade nicht vereinbarte jederzeitige einseitige Abänderungsbefugnis - nicht entgegen. Vielmehr stellt sich die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts vom Erbvertrag lediglich als eine zulässige Lockerung bzw. Einschränkung der Bindungswirkung des Erbvertrages (vgl. Grüneberg/Weidlich, a.a.O.) dar, die gerade darauf hindeutet, dass eine vertragsmäßige Verfügung gewollt ist, da nur bei einer vertragsmäßigen Verfügung die Vereinbarung eines Rechtes zum Rücktritt vom Vertrag Sinn ergibt (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.), während es bei einem einseitig vereinbarten Änderungsvorbehalt eines Rücktritts vom Vertrag gerade nicht bedarf. Dies gilt vorliegend umso mehr, als es hier um die Auslegung einer notariellen Urkunde geht und dem Notar der Unterschied zwischen dem den ganzen Vertrag auflösenden Rücktritt und einer einseitigen Abänderungsbefugnis hinsichtlich einer darin erfolgten Erbeinsetzung durch einen der Vertragschließenden sicher bekannt war.

    Somit ist gemäß §§ 2279 Abs. 2, 2077 Abs. 1 BGB infolge der späteren Scheidung des Erblassers von der Mutter der Beteiligten zu 2) grundsätzlich auch die in dem Erbvertrag durch den Erblasser erfolgte Einsetzung der Beteiligten zu 2) als alleinige Erbin unwirksam geworden.

    Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) kann nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden, dass der Erblasser im Sinne des § 2077 Abs. 3 BGB die Verfügung zur Einsetzung der Beteiligten zu 2) zur Alleinerbin auch für den Fall der Auflösung der Ehe getroffen hätte. Die Feststellungslast trifft insoweit aber die Beteiligte zu 2), die sich auf den Fortbestand der Erbeinsetzung trotz der Scheidung der Ehe beruft (vgl. Grüneberg/Weidlich, a.a.O. § 2077 Rdnr. 8 m.w.N.). Gegen eine losgelöst von einer etwaigen Scheidung erfolgte Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) spricht zunächst schon, dass der Erbvertrag gerade nicht unabhängig von der Eheschließung des Erblassers mit der Mutter der Beteiligten zu 2) geschlossen wurde, sondern vielmehr gemeinsam mit dem - aus Anlass der bevorstehenden Eheschließung abgeschlossenen - Ehevertrages zwischen dem Erblasser und der Mutter der Beteiligten zu 2). Des Weiteren folgt unmittelbar auf die Einsetzung der Beteiligten zu 2) als Erbin des Erblassers durch diesen die Zuwendung eines Vermächtnisses in Form eines lebenslänglichen und unentgeltlichen Wohnungsrechtes für die Mutter der Beteiligten zu 2) an allen Räumen des damaligen Hausanwesens des Erblassers in Einöllen. Soweit die Beteiligte zu 2) vorträgt, dass der Erblasser bereits bei Abschluss des Ehevertrages im Jahr 1990 ein Vater-Tochter-Verhältnis zur - damals 8-jährigen - Beteiligten zu 2) aufgebaut gehabt habe, bleibt dieser Vortrag ohne Substanz. Vorgetragen wird lediglich zu dem Verhalten des Erblassers nach Eheschließung und der späteren Scheidung. Dies lässt aber keinen Rückschluss auf ein besonderes "Vater-Tochter-Verhältnis" im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages zu, worauf es hier aber allein ankommt. Es ist kaum anzunehmen, dass der Erblasser zu der damals 8-jährigen Tochter seiner Verlobten bereits ein solches Verhältnis aufgebaut hatte, das die Annahme rechtfertigen würde, dass er schon damals die Einsetzung der Beteiligten zu 2) als Erbin auch für den Fall der Auflösung der Ehe gewollt hätte. Diese gilt umso mehr, als der Erblasser ja davon ausgehen musste, dass die damals 8-jährige Beteiligte zu 2) als Tochter seiner künftigen Ehefrau noch mindestens 10 Jahre unter deren elterlicher Sorge stehen würde, was im Falle seines Ablebens zur Folge gehabt hätte, dass die Ehefrau auch nach einer Scheidung u.U. noch lange über das Vermögen der Beteiligten zu 2) verfügen können würde.

    Der Umstand, dass der Erblasser auch nach der erfolgten Scheidung einen ausdrücklichen Rücktritt vom Erbvertrag gegenüber seiner geschiedenen Frau/Mutter der Beteiligten zu 2) nicht erklärt hat, besagt schließlich nicht, dass er die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) bei Abschluss des Erbvertrages auch für den Fall der Auflösung der Ehe gewollt hätte. Vielmehr durfte er aufgrund der Auflösung der Ehe von der Unwirksamkeit des Erbvertrages ausgehen, weshalb er keinen Anlass hatte, den gemäß §§ 2293, 2296 BGB grundsätzlich durch eine notarielle Erklärung vorzunehmenden Rücktritt vom Erbvertrag zu erklären. Zu einem "einfachen Rücktritt" durch ein Testament gemäß § 2297 BGB wäre der Erblasser dagegen erst nach dem Tod der Mutter der Beteiligten zu 2) berechtigt gewesen.

    Da somit durch die erfolgte Scheidung des Erblassers und der Mutter der Beteiligten zu 2) der Erbvertrag vom 29.01.1990 insgesamt unwirksam geworden ist, richtet sich die Erbfolge nach dem Erblasser nach der gesetzlichen Erbfolge, so dass die Beteiligte zu 1), wie in ihrem Erbscheinsantrag vom 18.12.2023 wiedergegeben, Alleinerbin des Erblassers geworden ist. Daher war der angefochtene Beschluss abzuändern und auszusprechen, dass gemäß § 352e FamFG die zur Begründung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 1) vom 18.12.2023 erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet werden. Weiterhin war das Nachlassgericht anzuweisen, der Beteiligten zu 1) einen Erbschein gemäß deren Antrag vom 18.12.2023 zu erteilen.

    III.

    Die im erstinstanzlichen Verfahren für die Beantragung und Erteilung des Erbscheins anfallenden Gerichtskosten sind von der Beteiligten zu 1) zu tragen, da sie diese als Antragstellerin auch dann zu tragen gehabt hätte, wenn die Beteiligte zu 2) dem Antrag nicht entgegengetreten wäre.

    Hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens erscheint es aufgrund des Erfolgs der Beschwerde angemessen, von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen.

    Im Übrigen erscheint es angemessen, dass die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben. Ein Fall in dem das Gericht gemäß § 81 Abs. 2 FamFG die jeweiligen Kosten einem anderen Beteiligten auferlegen soll, ist nicht gegeben, noch ist die vorliegende Konstellation mit den dort niedergelegten Konstellationen vergleichbar.

    Der Geschäftswert für das Nachlassverfahren wird im Anschluss an die von der Beteiligten zu 1) vorgelegte Nachlassaufstellung auf einen Wert in der Stufe bis 90.000,00 € festgesetzt (§§ 61 Abs. 1, 40 Abs. 1 GNotKG).

    RechtsgebietWirksamkeit Erbeinsetzung trotz späterer Scheidung