18.12.2018 · IWW-Abrufnummer 206194
Finanzgericht Münster: Urteil vom 21.06.2018 – 3 K 310/16 F
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
Tenor:
Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer für die wirtschaftliche Einheit A-Straße 1 auf den 00.00.2012 vom 29.12.2014 und die Einspruchsentscheidung vom 15.01.2016 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
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Tatbestand
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Streitig ist die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer.
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Am 00.00.2015 ist M 2 verstorben. Zu seinem Alleinerben setzte er seinen Sohn M 3 ein, der auch zum Testamentsvollstrecker bestimmt war. Für seinen Sohn M 1, den Kläger, und seine Töchter M 4 und M 5 setzte er Vermächtnisse aus u. a. mit dem Inhalt, dass das ihm gehörende Grundstück A-Straße 1 in R zu gleichen Teilen auf die drei Vermächtnisnehmer übergehen solle.
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Das Finanzamt T, das für die Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständig ist, fragte beim Beklagten nach den Grundbesitzwerten für verschiedene Grundstücke für Erbschaftsteuerzwecke an. Die Anfrage beinhaltet auch das Grundstück A-Straße 1, um das es im Klageverfahren geht. Das Finanzamt gab weiter in der Anfrage an, dass das Grundstück von dem Erblasser auf M 3 übergegangen sei. In der Anfrage wird nachrichtlich mitgeteilt, dass in dem Erbschaftsteuerfall Steuerberater O & Partner beteiligt seien. Es wird weiter mitgeteilt, dass das Grundstück der Testamentsvollstreckung unterliege und M 3 Testamentsvollstrecker sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anfrage vom 05.06.2013 Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 08.07.2013 forderte der Beklagte den Prozessbevollmächtigten auf, eine Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwerts abzugeben und gab als Steuerpflichtigen „M 3 … bzw. die Vermächtnisnehmer“ an. Angegeben sind neben dem Grundstück A-Straße 1 die weiteren im Bezirk des Beklagten belegenen Grundstücke, die zum Nachlass des Erblassers gehörten. In dem Anschreiben vom 08.07.2013 heißt es u. a.: Da die jeweiligen Vermächtnisnehmer die Schuldner der Erbschaftsteuer seien, würden die Bescheide auch an sie bekannt gegeben.
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In der Akte befindet sich ein Vermerk vom 11.06.2014, dass die Erbschaftsteuerstelle irrtümlich Bedarfswerte für den Alleinerben M 3 angefordert habe. Es sollten jedoch die Bedarfswerte für die Vermächtnisnehmer ermittelt werden. Bezug genommen wird auf eine telefonische Rücksprache mit Frau E vom Erbschaftsteuerfinanzamt T vom 11.06.2014.
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Am 20.09.2013 ist eine Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts abgegeben worden. Die Erklärung ist unterschrieben vom Kläger und von M 5. Nach der Erklärung soll der Bescheid an O & Partner, die Prozessbevollmächtigten, bekannt gegeben werden.
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Der Beklagte stellte den Bedarfswert des Grundstücks auf 390.769 Euro fest. Er erließ 4 Bescheide, einen Bescheid gerichtet an den Erben, M 3, dem ein Anteil von 1/1 zugerechnet wird. Die anderen Bescheide enthalten als Inhaltsadressaten jeweils den Vermächtnisnehmer, dem im Bescheid ein Anteil von 1/3 zugerechnet wird. Alle 4 Bescheide sind den Prozessbevollmächtigten als Empfangsbevollmächtigte bekannt gegeben worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 00.00.2012 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 29.12.2014 Bezug genommen.
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Gegen den Bescheid vom 29.12.2014 ist von den Prozessbevollmächtigten Einspruch eingelegt worden für M 3. Die angegebene Steuernummer betrifft allerdings die Vermächtnisnehmerin M 5. Auf dem Einspruchsschreiben vom 07.01.2015 befindet sich eine handschriftliche Abänderung in die Steuernummer von M 3 mit dem Hinweis, „lt. tel. Einverständnis des Herrn O sen.“.
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Mit Schreiben vom 12.03.2015 teilte im Einspruchsverfahren von M 3 der Prozessbevollmächtigte mit, dass die Vermächtnisnehmer entschlossen seien, die Immobilie zu veräußern. Es werde gebeten, den Einspruch gegen den Bedarfswertbescheid zunächst ruhen zu lassen.
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Der Beklagte forderte vom Klägervertreter eine Vollmacht von M 3 an, da die Begründung des Einspruchs sich auf die Steuernummer der Vermächtnisnehmerin M 5 beziehe. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wies mit Schreiben vom 06.05.2015 darauf hin, dass ihm die Bescheide über die Bedarfsbewertung für den Erben und die für die Vermächtnisnehmer vorlägen, die ihm als Empfangsbevollmächtigten bekannt gegeben worden seien. Es sei bei dieser Sachlage nur gegen den an M 3 adressierten Bescheid gleichen Inhalts Einspruch eingelegt worden, weil er alleiniger Erbe sei und die Bedarfsbewertung seines Erachtens zu Recht gegen den Erben gerichtet worden sei. M 3 habe als Erbe die Vermächtnisse zu erfüllen und habe dies anschließend an den Übergang der Erbmasse durch weiteren notariellen Akt erledigt. Es werde um Überprüfung gebeten, ob eine Vollmacht noch benötigt werde. Die Bevollmächtigung werde versichert. Inzwischen sei die Immobilie durch die Vermächtnisnehmer veräußert worden und zwar für X Euro. Auf den Vertrag vom 15.04.2015 (UR-Nr. 00/2015 des Notars N in R) wird Bezug genommen.
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Der Beklagte wies den Prozessbevollmächtigten am 21.05.2015 telefonisch darauf hin, dass der Kaufvertrag noch nicht rechtswirksam sei. Der Beklagte sei aber bereit, den vereinbarten Kaufpreis als niedrigeren gemeinen Wert gemäß § 198 Bewertungsgesetz (BewG) zu Grunde zu legen. In dem Vermerk heißt es weiter, da nach Auskunft des zuständigen Finanzamts für Erbschaftsteuer der Wert des Vermächtnisses zu 100 % programmgesteuert vom jeweils festgestellten Grundbesitzwert abgezogen werde, ergebe sich für den Erben … eine steuerliche Auswirkung von 0 Euro.
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Weiter heißt es: Anders stelle sich der Fall bei den Vermächtnisnehmern dar. Da die gegenüber den Vermächtnisnehmern bekannt gegebenen Feststellungsbescheide bereits bestandskräftig seien, ergebe sich hier mangels Änderungsvorschrift keine Möglichkeit des Ansatzes des niedrigeren gemeinen Werts (Kaufpreis). Insoweit bleibe es bei der Höhe der bekanntgegebenen Grundbesitzwerte.
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Der Prozessbevollmächtigte teilte daraufhin mit, es könne nicht zweifelhaft sein, dass er in dem Fall für alle an der Erbsache Beteiligten tätig geworden sei. So sei auch der Einspruch zu verstehen. Dass M 3 als Beteiligter im Einspruchsschreiben genannt werde, sei deswegen erfolgt, weil dieser sowohl hinsichtlich des Bedarfswerts als auch der Zurechnung des übertragenen Anteils zu 100 % beteiligt gewesen sei. Besondere Einsprüche für die am Bedarfswert beteiligten Vermächtnisnehmer habe es nicht gegeben. Der Einspruch gegen den an den Erben gerichteten Feststellungsbescheid genüge, wie bereits ausgeführt, zur Wahrung der allseitigen Rechte. Bei der Bewertung könne es keine Gegensätze zwischen dem Erben und den Vermächtnisnehmern geben. Möglichweise sei der Bedarfswert für den Erben wie ein Grundlagenbescheid für die Vermächtnisnehmer zu behandeln, so dass eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) in Betracht gezogen werden müsse. Ggf. seien aber auch nach § 174 AO die Bescheide gegenüber den Vermächtnisnehmern zu ändern.
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Der Beklagte änderte den Bescheid mit dem Inhaltsadressaten M 3, dem Erben, und setzte den Grundbesitzwert auf X Euro herab. Wegen der Einzelheiten wird auf den Änderungsbescheid vom 05.06.2015 Bezug genommen.
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Den Einspruch des Klägers wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 15.01.2016 als unzulässig zurück. Es fehle im Streitfall die für die Zulässigkeit des Einspruchs erforderliche zutreffende Erkennbarkeit des Klägers als Einspruchsführer. Aus dem Schriftsatz vom 07.01.2015 ergebe sich nicht, dass für ihn Einspruch eingelegt werden solle. In dem Schreiben sei eindeutig nur für den Erben Einspruch eingelegt worden. Dieser sei namentlich bezeichnet worden. Eine Auslegung des Schreibens vom 07.01.2015 als Einspruch auch für alle Vermächtnisnehmer sei nicht möglich. Aus dem Erlass des Finanzministeriums NRW vom 25.01.2011 (S 3200 – 100 – VA 6) ergebe sich, dass die Feststellung des Grundbesitzwerts gegenüber dem Vermächtnisnehmer erfolge und zwar unabhängig davon, ob gegenüber dem Erben eine Feststellung durchgeführt werde.
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So sei der Beklagte verfahren und habe die Werte des Grundstücks bzw. die jeweiligen Anteile am Grundbesitz im Rahmen gesonderter Feststellungen gegenüber dem Erben und den Vermächtnisnehmern festgestellt. Es handele sich nicht um eine einheitliche und gesonderte Feststellung im Sinne des § 180 AO, bei denen mehrere Personen Beteiligte des Verfahrens seien. Bei einheitlichen und gesonderten Feststellungen habe die Rechtsprechung in besonderen Fällen Auslegungen zugelassen. Ein solcher Sachverhalt liege im Streitfall aber nicht vor.
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Eine Auslegungsfähigkeit ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Steuernummer der Vermächtnisnehmerin M 5 im Einspruch angegeben worden sei. Der Widerspruch im Schriftsatz sei durch die telefonische Rücksprache des zuständigen Sachbearbeiters des Beklagten mit dem steuerlichen Berater am 13.01.2015 einvernehmlich geklärt worden. Die Angabe der Steuernummer der Vermächtnisnehmerin habe danach auf einem Versehen beruht.
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Es komme auch nicht darauf an, ob das Schreiben vom 12.03.2015 als Einspruch des Klägers gewertet werden könne. Denn zu diesem Zeitpunkt sei die Rechtsmittelfrist für die gesonderte Feststellung bereits abgelaufen gewesen. Über ggf. gestellte weitere Anträge sei in der Einspruchsentscheidung nicht zu befinden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 15.01.2016 Bezug genommen.
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Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Einspruch habe sich auf alle Beteiligte und nicht nur auf den Erben bezogen. Eine Unklarheit darüber könne nicht vorliegen, wenn man den inneren Zusammenhang des gesamten Sachverhalts würdige. Bereits im Einspruchsschreiben sei darauf hingewiesen worden, dass eine interne Abstimmung über die Folgen des Bescheids zwischen allen Beteiligten erforderlich sei. Es habe mit dem zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten relativ viele Telefongespräche gegeben, jeweils über die Wertfindungsmaßstäbe und die Überlegung aller Beteiligten, ein Wertgutachten einzuholen oder in Anbetracht von Verkaufsverhandlungen darauf zu verzichten. Stillschweigend seien sowohl der Kläger als auch der Beklagte davon ausgegangen, dass es für alle Beteiligte nur einen Grundbesitzwert geben könne.
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Für das Grundstück G sei im Übrigen nur ein Bedarfswert von dem dafür zuständigen Finanzamt für die Gemeinschaft als Vermächtnisnehmer nach dem Erblasser festgestellt worden, und zwar unter Verzicht auf eine Aufteilung. Auf den Bescheid des Finanzamts B vom 09.02.2016 werde hingewiesen, dort sei als Inhaltsadressat bezeichnet mit „Gemeinschaft als Vermächtnisnehmer nach M 2“. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen, Blatt 64 der Gerichtsakte.
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Das Belegenheitsfinanzamt sei auch regelmäßig nicht in der Lage, die Aufteilung auf die Vermächtnisnehmer vorzunehmen, weil diese Angaben nur dem Erbschaftsteuerfinanzamt vorlägen. Ein Vermächtnisnehmer habe im Übrigen keinen Zugriff auf Unterlagen und Erkenntnisquellen, die nur der Erbe habe, so dass er auch nicht der Lage sei, eine Erbschaftsteuererklärung abzugeben. Er sei abhängig von der Tätigkeit des Erben. Er sei deswegen auch kaum in der Lage, einen Einspruch einzulegen, weil ihm die entsprechenden Informationen fehlten. Letztlich bleibe dies Aufgabe des Erben/Testamentsvollstreckers, der dies auch im Interesse der Vermächtnisnehmer tun müsse, weil er sich sonst dem Vorwurf einer Pflichtverletzung aussetzen könne.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den Bescheid vom 29.12.2014 und die Einspruchsentscheidung vom 15.01.2016 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
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Jeder Bescheid sei nur einzeln rechtsbehelfsfähig, d. h. jeder mögliche Einspruchsführer entscheide in eigener Zuständigkeit über die ggf. zu führenden Einspruchsverfahren.
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Der Bezug auf die „interne Abstimmung über die Folgen des Bescheids“ führe nicht dazu, dass von mehreren Einsprüchen durch mehrere Einspruchsführer ausgegangen werden könne. Der Grundbesitzwert werde im Rahmen einer gesonderten Feststellung jeweils gegenüber dem Erben und den Vermächtnisnehmern einzeln festgestellt und nicht im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Feststellung.
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Eine Auslegung des Einspruchsschreibens des Erben M 3 sei nicht gerechtfertigt. Soweit der Kläger vortrage, die Feststellung gegen die Vermächtnisnehmer sei auf Initiative des Beklagten und nicht des für die Festsetzung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamts erfolgt, sei dem nicht zu folgen. Zum einen sei die Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich, da die Feststellung in Ermangelung eines fristgerechten Einspruchs bestandskräftig geworden sei. Zum anderen bestünden keinerlei Formvorschriften hinsichtlich der Anforderung von Feststellungen durch das Festsetzungsfinanzamt. Ob die Anforderung schriftlich oder fernmündlich erfolge, sei gleichgültig. Es sei auch nicht erheblich, wann im Verfahren die Anforderung erfolge. Im Streitfall habe das Festsetzungsfinanzamt die Anforderung jedenfalls vor Erlass des Feststellungsbescheides gegen die Vermächtnisnehmer ausgesprochen. Der Verweis auf die Handhabung bei anderen Finanzämtern sei für das hier vorliegende Klageverfahren ebenfalls ohne Bedeutung. Im Übrigen werde auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
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Eine einheitliche und gesonderte Feststellung gegenüber dem Erben und den Vermächtnisnehmern sei nicht vorzunehmen. Der Grundbesitz werde im Rahmen einer nur gesonderten Feststellung jeweils gegenüber dem Erben und den Vermächtnisnehmern einzeln festgestellt. Dementsprechend sei auch die Anforderung der Feststellung durch das Festsetzungsfinanzamt erfolgt. Dies ergebe sich aus dem Aktenvermerk über das Telefongespräch mit der Sachbearbeiterin des zuständigen Erbschaftsteuerfinanzamtes vom 11.06.2014. Da die Anforderung keiner Formvorschrift unterliege, könne sie auch mündlich erteilt werden.
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Die Berichterstatterin hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 26.03.2018 erörtert; wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll über den Erörterungstermin hingewiesen.
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Der Senat hat am 21.06.2018 mündlich verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet.
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Der angefochtene Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer auf den 00.00.2012 vom 29.12.2014 ist wegen mangelnder inhaltlicher Bestimmtheit nichtig (§ 125 Abs. 1 AO) und deshalb ebenso wie die Einspruchsentscheidung vom 15.01.2016 zur Beseitigung des Rechtsscheins aufzuheben.
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Im Streitfall ist alleiniger Inhaltsadressat in dem angefochtenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer auf den 00.00.2012 der Kläger als einer von mehreren Vermächtnisnehmern. Zutreffender Inhaltsadressat des Feststellungsbescheids ist aber der Erbe als Erwerber des Grundbesitzes, der zu bewerten ist. Gegenstand der Bewertung ist nicht der schuldrechtliche Anspruch des Vermächtnisnehmers.
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I. Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Verwaltungsakt inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist (§ 119 Abs. 1 AO). Einem Verwaltungsakt muss nämlich hinreichend sicher entnommen werden können, was von wem verlangt wird (vgl. BFH, Urteil vom 19.08.1999 IV R 34/98, BFH/NV 2001, 409). Die Angabe des Inhaltsadressaten ist konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsaktes, denn es muss angegeben werden, wem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll. Es reicht dabei aus, wenn der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der dem Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann.
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2. Inhaltsadressat eines Verwaltungsaktes ist derjenige, gegen den er sich richtet, für den er bestimmt ist und gegen den er wirken soll (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 122 AO Rz 18). Bei Steuerbescheiden ist dies der Steuerschuldner, bei Feststellungsbescheiden der Feststellungsbeteiligte, gegen den sich die Feststellungen richten (vgl. § 181 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Feststellungsbescheide müssen ebenso wie Steuerbescheide hinreichend deutlich erkennen lassen, für wen sie inhaltlich bestimmt sind (BFH-Urteile vom 30.09.2015 II R 31/13, BStBl II 2016, 637; vom 07. 07.2004 II R 77/01, BFH/NV 2005, 73; vom 02.07.2004 II R 73/01, BFH/NV 2005, 214 und 17.09.1997 II R 49/95, BFH/NV 1998, 417). Der Feststellungsbeteiligte ist regelmäßig identisch mit demjenigen, dem der Gegenstand der Feststellung bei der Besteuerung zuzurechnen ist (§ 179 Abs. 2 Satz 1 AO; vgl. BFH-Urteil vom 17.09.1997 II R 49/95, BFH/NV 1998, 417 mit weiteren Nachweisen).
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3. Nach § 151 Abs. 1 Nr. 1 BewG werden gesondert festgestellt Grundbesitzwerte, wenn die Werte für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind. Die Entscheidung über eine Bedeutung für die Besteuerung trifft das für die Festsetzung der Erbschaftsteuer oder die Feststellung nach Satz 1 Nr. 2 bis 4 BewG zuständige Finanzamt.
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Nach Abs. 2 von § 151 BewG sind in dem Feststellungsbescheid für Grundbesitzwerte auch Feststellungen über die Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit und bei mehreren Beteiligten über die Höhe des Anteils zu treffen, der für die Besteuerung oder eine andere Feststellung von Bedeutung ist (§ 151 Abs. 2 Nr. 2 BewG). Nach § 154 Abs. 1 BewG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind am Feststellungsverfahren beteiligt,
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1. diejenigen, denen der Gegenstand der Feststellung zuzurechnen ist;
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2. diejenigen, die das Finanzamt zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert hat;
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3. diejenigen, die eine Steuer schulden, für deren Festsetzung die Feststellung von Bedeutung ist.
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Feststellungsbeteiligt ist im Erbfall der Erbe, denn diesem ist der Gegenstand der Feststellung zuzurechnen.
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Vermächtnisnehmer sind beteiligt am Feststellungsverfahren nach § 154 Abs. 1 Nr. 3 BewG, da sie eine Steuer schulden, für deren Festsetzung die Feststellung von Bedeutung ist. Sie sind darüber hinaus am Feststellungsverfahren beteiligt, wenn das Finanzamt sie zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert hat (§ 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG). Daraus folgt nach Auffassung des Senats aber nicht, dass einem Vermächtnisnehmer gegenüber ein eigener Feststellungsbescheid erlassen werden kann. Denn der Vermächtnisnehmer selbst hat nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem Erben und dieser schuldrechtliche Anspruch ist nicht im Wege der Grundbesitzbewertung festzustellen.
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Daraus folgt nach Auffassung des Senats, dass der Grundbesitzwert grundsätzlich gegenüber dem Erben festzustellen ist. Die Vermächtnisnehmer müssten dann nach Auffassung des Senats als Beteiligte im Bescheid bzw. in einer Anlage zum Bescheid namentlich benannt werden. Dies hat zur Folge, dass die Vermächtnisnehmer die Möglichkeit haben, gegen den Feststellungsbescheid, der an den Erben gerichtet ist, ohne zeitliche Begrenzung Einspruch einzulegen; vgl. BFH-Urteil vom 06.07.2011 II R 43/10. Der vom Beklagten erlassene Feststellungsbescheid gegenüber dem Vermächtnisnehmer ist nicht nur rechtswidrig, sondern, da er nicht an alle Beteiligten gerichtet ist, für die er inhaltlich bestimmt ist, nichtig; vgl. BFH-Urteil vom 02.07.2004 II R 73/01.
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4. Es kann im Streitfall deswegen offen bleiben, ob eine Anforderung des Erbschaftsteuerfinanzamts für eine Grundbesitzwertfeststellung gegenüber dem Vermächtnisnehmer vorliegt, bzw. ob eine telefonische Klärung zwischen den zuständigen Sachbearbeitern des Lagefinanzamts und des Erbschaftsteuerfinanzamts sowie im Streitfall ein entsprechender handschriftlicher Vermerk ausreichend ist. Nach Auffassung des Senats ist es ureigene Sache des Erbschaftsteuerfinanzamts beim Lagefinanzamt einen Grundbesitzwert anzufordern, dafür ist nach Auffassung des Senats Schriftform erforderlich. Ggf. mag es im Einzelfall auch zu einer Abänderung nach einer telefonischen Rücksprache kommen. Wenn der Inhaltsadressat ausgewechselt werden soll, reicht dafür ein Telefonvermerk aber möglicherweise nicht aus. In diesem Zusammenhang wird auf das Urteil des FG Münster vom 22.08.2013 3 K 1558/13 F, rechtkräftig, hingewiesen. Im Streitfall kann offenbleiben, ob der angefochtene Bescheid aus diesem Grund rechtswidrig oder gar nichtig ist.
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5. a) Wenn man der Auffassung des Beklagten folgt, dass an die Vermächtnisnehmer ein eigener Bescheid gerichtet werden kann, dann aber auch nach der Gesetzeslage im Streitjahr nur im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Feststellung bei mehreren Vermächtnisnehmern, da es sich bei den Vermächtnisnehmern um eine Gemeinschaft handelt, die zumindest wie eine Gesamthandsgemeinschaft zu behandeln ist. Nach § 179 Abs. 2 Satz 2 AO wird eine gesonderte Feststellung gegenüber mehren Beteiligten einheitlich vorgenommen, wenn dies gesetzlich bestimmt ist oder der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist. Der Gesetzgeber hat inzwischen in § 154 BewG insofern klargestellt, in dem er in Abs. 1 einen Satz 2 eingefügt hat, wonach gegenüber mehren Beteiligten nach Satz 1 eine gesonderte und einheitliche Feststellung zu erfolgen hat. Dies ist nach Auffassung des Senats aber nicht eine Neuregelung, sondern stellt dies nur noch einmal ausdrücklich klar, jedenfalls soweit es um Gemeinschaften wie hier von Vermächtnisnehmern geht.
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b) Soweit der Beklagte sich auf die Richtlinien und den Erlass der OFD NRW vom 03.09.2013 (S 3190 – 2013 – St 25, S 3190 – 2014/0006 – St 25) bezieht, heißt es dort, dass der Wert der wirtschaftlichen Einheit oder des Miteigentums gesondert festzustellen und dem Erben oder der Erbengemeinschaft zuzurechnen ist und weiter:
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„Eine eigenständige gesonderte Feststellung erfolgt auch gegenüber dem Vermächtnisnehmer, wenn eine entsprechende separate Anfrage seitens der ESST gestellt wird. Damit wird der Vermächtnisnehmer im Fall des Grundbesitzvermächtnisses bei der Erbschaftsteuer so behandelt, als sei auf ihn Grundbesitz mit dinglicher Wirkung übergegangen.
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Die Feststellung gegenüber dem Vermächtnisnehmer erfolgt unabhängig davon, ob gegenüber dem Erben oder der Erbengemeinschaft eine gesonderte bzw. gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts vorgenommen wird …
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Dementsprechend ist für die Frage, ob für den Erben bzw. die Erbengemeinschaft und/oder für den Vermächtnisnehmer eine Feststellung durchzuführen ist, die Anzahl der Anfragen (eine oder ggf. zwei) seitens der ESST entscheidend. In Zweifelsfragen ist bitte Rücksprache mit der ESST zu halten.“
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Hier fällt auf, dass sich die Richtlinien nicht zu mehreren Vermächtnisnehmern verhalten, sondern sie gehen, was die gesonderte Feststellung angeht, soweit dies ersichtlich ist, nur von einem Vermächtnisnehmer aus.
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Auch unter diesen Umständen wäre der Bescheid nichtig, da er sich nicht an alle Beteiligten richtet, für die er inhaltlich bestimmt ist.
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6. Es kommt im Streitfall danach nicht mehr darauf an, wie das Einspruchsschreiben des Bevollmächtigten gegen den an den Erben adressierten Grundbesitzwertbescheid auszulegen ist.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
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Die Revision war zuzulassen, denn die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).