· Personengesellschaften
Zur Mitunternehmerstellung des durch einen Nießbrauch an einem Kommanditanteil Begünstigten

von RA Ann-Kristin Gruner, LL. M. und StB Dipl.-Finw. Matthias Borgmeier, LL. M., FOM, beide Essen
| Die vorweggenommene Erbfolge von Unternehmensvermögen wirft regelmäßig die Frage auf, wie die Mitunternehmerstellung steuerlich einzuordnen ist. Insbesondere bei der Übertragung von Kommanditanteilen unter gleichzeitiger Bestellung eines Nießbrauchs entsteht eine komplexe Abgrenzungsproblematik zwischen dem Übertragenden und dem Erwerber. Der folgende Beitrag beleuchtet anhand der aktuellen Rechtsprechung die Voraussetzungen der Mitunternehmerstellung und die daraus resultierenden Folgen für die schenkung- und einkommensteuerliche Behandlung. |
1. Der Fall vor dem BFH ‒ 2.7.25, IV R 36/22
Der Kläger A war bis Juli 2013 alleiniger Kommanditist der Z-KG (später Y-KG) sowie Geschäftsführer der Komplementär-GmbH (X-GmbH). Außerdem war er alleiniger Kommanditist der V-KG, deren Zweck die Vermögensverwaltung war, sowie deren Komplementärin (D-GmbH). Im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge übertrug A mit notariellem Vertrag vom 30.7.13 seinen Kommanditanteil an der Y-KG zu gleichen Teilen auf seine drei Söhne. Die Schenkung war an zwei Auflagen gebunden:
- Bestellung eines unentgeltlichen Ertragsnießbrauchs (70 %) zugunsten der V-KG, die der Altersversorgung des A dienen sollte,
- Einbringung der geschenkten Kommanditanteile in die neu gegründete F-Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG (F-KG), deren Gesellschafter A und seine Söhne wurden.
Dadurch sollte das Familienvermögen gebündelt und gemeinsam verwaltet werden. Alle Verträge (Schenkung, Nießbrauch, Einbringung, Gesellschaftsvertrag der F-KG) wurden am selben Tag geschlossen. Nach der Übertragung erließ das FA Schenkungsteuerbescheide für die Söhne. Für das Jahr 2014 erging ein Gewinnfeststellungsbescheid, in dem die Y-KG die Nießbrauchszahlungen als Aufwand abzog. Der verbleibende Gewinn wurde der X-GmbH und der F-KG zugerechnet.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung kam das FA jedoch zu dem Ergebnis, dass A trotz Übertragung seines Kommanditanteils weiterhin Mitunternehmer der Y-KG sei, da ihm über den Ertragsnießbrauch ein Mitunternehmerrisiko und eine Mitunternehmerinitiative verblieben seien. Die ihm zustehenden Gewinnanteile stellten daher aus Sicht des FA originär gewerbliche Einkünfte dar. Daraufhin änderte das FA 2017 den Gewinnfeststellungsbescheid: Der Gesamthandsgewinn wurde nunmehr dem Kläger A, der X-GmbH und der F-KG zugerechnet; die V-KG wurde mangels Mitunternehmerinitiative nicht als Mitunternehmerin anerkannt. Hiergegen legten A und die Y-KG nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage ein.
2. Entscheidungsgründe
Die Revision ist teilweise begründet. Der BFH gab dem A und der Y-KG dahin gehend recht, dass der A aufgrund des Nießbrauchs nicht Mitunternehmer war. Unbegründet war die Revision insoweit, als sie auf eine mitunternehmerbezogene Korrektur des Gesamthandsgewinns durch einen Ergänzungsbilanzverlust der F-KG abzielte.
2.1 Mitunternehmerstellung
Mitunternehmer i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ist eine Person, die entweder zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder in besonderen Ausnahmefällen eine wirtschaftlich vergleichbare Stellung innehat. Voraussetzung ist außerdem, dass sie sowohl Mitunternehmerrisiko trägt als auch Mitunternehmerinitiative ausübt und eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt (BFH 22.6.17, IV R 42/13, BFHE 259, 258, Rn. 32, m. w. N.). Ein Weniger an Mitunternehmerinitiative kann durch ein Mehr an Mitunternehmerrisiko kompensiert werden und vice versa.
2.2 Voraussetzung 1: Mitunternehmerrisiko
Mitunternehmerrisiko liegt vor, wenn der Beteiligte ‒ gesellschaftsrechtlich oder in wirtschaftlich vergleichbarer Weise ‒ am wirtschaftlichen Erfolg wie am Misserfolg des Unternehmens teilhat. Charakteristisch hierfür ist regelmäßig eine Beteiligung an Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven (BFH 25.6.84, GrS 4/82). Entscheidend ist ein eigener Beitrag, durch den das Vermögen des Beteiligten im Fall negativer Unternehmensentwicklungen tatsächlich gefährdet sein kann. Ein solches Risiko kann auch aus einer persönlichen Haftung resultieren. So trägt etwa auch eine Komplementärin, die weder am Gewinn noch am Verlust oder Vermögen der KG beteiligt ist, aufgrund ihrer Haftungsposition ein Mitunternehmerrisiko (BFH 19.12.19, IV R 8/17). Demgegenüber genügt es nicht, wenn lediglich auf eine spätere Gewinnbeteiligung verzichtet wird; dies hat der BFH insbesondere für die stille Gesellschaft mehrfach klargestellt (BFH 13.7.17, IV R 41/14; BFH 4.4.23, IV R 19/20).
2.3 Voraussetzung 2: Mitunternehmerinitiative
Mitunternehmerinitiative zeigt sich typischerweise in Befugnissen, wie sie Gesellschaftern oder vergleichbar Stellungnehmenden ‒ etwa Geschäftsführern, Prokuristen oder leitenden Angestellten ‒ zustehen (BFH 19.7.18, IV R 10/17, Rn. 29 ff.). Es genügt jedoch bereits die Möglichkeit, entsprechende Rechte auszuüben. Ausreichend ist daher, wenn die Beteiligung zumindest Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte vermittelt, die denjenigen eines Kommanditisten nach dem HGB angenähert sind oder den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB a. F. entsprechen (BFH 19.7.18, IV R 10/17, Rn. 29; BFH 4.4.23, IV R 19/20, Rn. 39).
2.4 Nießbrauchstellung
Die Bestellung des Nießbrauchs erfolgt nach § 1069 BGB. Die Bestellung kann hierbei am Gesellschaftsanteil oder am Gewinnstammrecht bzw. den Gewinnansprüchen erfolgen. Lediglich die Bestellung am Gesellschaftsanteil kommt für einen anzuerkennenden Nießbrauch infrage, da der hiervon abweichende Fall steuerlich keine Anerkennung genießt.
2.5 Vorbehaltsnießbraucher als Mitunternehmer
Ist vorgesehen, dass der Vorbehaltsnießbraucher weder an den stillen Reserven noch am Verlust beteiligt ist, trägt er kein Mitunternehmerrisiko. Der BFH stellt klar, dass allein das „Risiko“ des Verlustes einer Entnahmemöglichkeit durch Herabsinken des Kapitalkontos unter den Betrag der Pflichteinlage kein Risiko im Sinne eines Mitunternehmerrisikos darstellt. Soweit der Nießbrauch jedoch so ausgestaltet ist, dass er auch eine Verlustbeteiligung und eine Beteiligung an den stillen Reserven trägt, könne man von einem Mitunternehmerrisiko ausgehen.
Beachten Sie | In der Vergangenheit ging der BFH in bestimmten Fällen von einer Verdopplung der Mitunternehmerstellung aus (BFH 1.3.94, VIII R 35/92, BStBl II 1995, 241, DStR 1994, 1803). Der IV. Senat des BFH hat jedoch in mehreren Entscheidungen ‒ jeweils im Wege eines obiter dictums ‒ infrage gestellt, ob durch einen Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft eine doppelte Mitunternehmerschaft vermittelt werden kann. Seit diesen Ausführungen kamen keine richtungsweisenden Urteile für die Beratungspraxis.
Die Revision des A und der Y-KG hatte nur insoweit keinen Erfolg, als dass beantragt wurde, dass eine Ergänzungsbilanz für die F-KG aufzustellen sei, da es zum einen an der Unmittelbarkeit des Erwerbs fehlte und zum anderen auch an der Entgeltlichkeit des Erwerbs durch Vereinbarung des Nießbrauchs.
3. Relevanz für die Praxis
Mit einem Fokus auf die Begünstigungsvorschriften der §§ 13a, 13b ErbStG muss der Erwerber Mitunternehmer werden, um in den Genuss einer möglichen Begünstigung zu kommen. Andernfalls wäre die Übertragung von vornherein steuerpflichtig. Er hätte nun grundsätzlich die Einkünfte i. S. v. § 15 EStG zu versteuern.
Sollte sich nun der Übertragende selbst Mitbestimmungsrechte und Erträge zurückbehalten wollen, ergibt sich eben die vorbesprochene Problemkonstellation und Frage „Wer ist Mitunternehmer?“. Für eine Begünstigung ist zwingend, dass der Erwerber Mitunternehmer wird. Es ist auch nicht ausreichend, wenn der Erwerber bereits an der Gesellschaft beteiligt ist und daher als Mitunternehmer anzusehen ist, da er mit den neu erworbenen Anteilen Mitunternehmer werden muss.
Für die Praxis lässt sich festhalten, dass die Ausgestaltung eines Nießbrauchs eine stärkere Position des Erwerbers vorsehen sollte, um die Begünstigung nicht zu verlieren. Gleichzeitig sollten Überlegungen angestellt werden, ob ggf. zwei Übertragungen erfolgen sollen (eine mit und eine ohne Nießbrauch). Andernfalls wäre der Formwechsel in eine GmbH denkbar, der Rückbehalt eines Zwerganteils und der Erzielung von Einnahmen hieraus oder auch die mittelbare Kontrolle über eine Komplementär-GmbH. Diese Gestaltungsalternativen müssen aber in jedem Einzelfall im Detail beleuchtet werden.