· Fachbeitrag · Nießbrauchsgestaltungen
Übertragung von Anteilen an gewerblichen Personengesellschaften unter Nießbrauchsvorbehalt
von StBin Dr. Katrin Dorn, Fachberaterin für Unternehmensnachfolge DStV e. V., Partnerin bei Möhrle Happ Luther, München/Hamburg
| Der Nießbrauch ist auch bei Übertragungen von Beteiligungen an Personengesellschaften in der Nachfolgeplanung ein beliebtes Gestaltungsmittel. Dabei sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten, damit die gewünschten Steuerfolgen auch eintreten. Zudem bestehen aufgrund der Rechtsprechung der Finanzgerichte einige offene Punkte, wie z. B. die Frage der doppelten Mitunternehmerschaft, die ebenfalls bedacht werden sollten. Dieser Beitrag stellt die Steuerfolgen der Bestellung und Beendigung sowie die laufenden Steuerfolgen während des Bestehens des Nießbrauchs an Beteiligungen an gewerblichen Personengesellschaften grundlegend anhand von Beispielen dar. |
1. Ertragsteuerliche Folgen
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A überträgt seine Beteiligung an der gewerblichen B-KG unentgeltlich auf seine Tochter. Ziel ist, dass der Vater insbesondere die Erträge aus der Beteiligung weiterhin vereinnahmen kann. Der Nießbrauch wird zu Lebzeiten bestellt. Diese Übertragung ist nach § 6 Abs. 3 EStG zu Buchwerten möglich, soweit die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Ansonsten müsste eine Besteuerung nach § 16 EStG erfolgen. |
Aus ertragsteuerlicher Sicht stellt die schenkweise Übertragung einer Beteiligung an einer gewerblichen Personengesellschaft unter Nießbrauchsvorbehalt eine unentgeltliche Vermögensübertragung dar. Diese kann nach § 6 Abs. 3 EStG erfolgen, soweit insbesondere die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Sollte diese Voraussetzung nicht erfüllt sein, wäre eine Übertragung zu Buchwerten nicht möglich. Die Übertragung würde dann eine Besteuerung nach § 16 EStG auslösen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung steht die Übertragung der Beteiligung an der gewerblichen Personengesellschaft unter Nießbrauchsvorbehalt der Übertragung zu Buchwerten nicht entgegen (BMF 20.11.19, IV C 6 - S 2241/15/10003, BStBl I 19, 1291).
Etwas anderes würde jedoch z. B. gelten, wenn ein Einzelunternehmen unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen würde. In diesen Fällen scheidet nach der Rechtsprechung des BFH eine Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG zu Buchwerten aus, weil der Übertragende (bisherige Einzelunternehmer) seine Tätigkeit nicht einstellt (vgl. BFH 25.1.17, X R 59/14, BStBl II 19, 730). Dies gilt auch dann, wenn ein verpachteter Betrieb übertragen wird, nicht aber, wenn es sich dabei um einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb handeln würde (vgl. BFH 8.8.24, IV R 1/20 ‒ in der Literatur auch als „Nießbrauch an passivem Gewerbebetrieb“ bezeichnet; vgl. Stein, DStR 25, 504). Für diesen gilt eine branchenspezifische Ausnahme.
2. Schenkungsteuerliche Folgen
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Für die Übertragung der Beteiligung an der B-KG kommt eine Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG in Betracht, soweit die Tochter im Zuge dieser Übertragung Mitunternehmerin wird. Sollte die Voraussetzung für ihre Mitunternehmerschaft nicht erfüllt sein, würde diese Steuerbefreiung nicht gewährt. |
Die Beteiligung an der gewerblichen Personengesellschaft gehört zum begünstigungsfähigen Vermögen nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, sodass hier eine Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG in Betracht kommt. Dies gilt auch dann, wenn die Beteiligung unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen wird. Voraussetzung ist jedoch, dass der Beschenkte durch diese Übertragung Mitunternehmer wird (BFH 6.11.19, II R 34/16).
Beachten Sie | Die Beurteilung richtet sich nach ertragsteuerlichen Grundsätzen (vgl. dazu auch Kepper: Übertragung von Einzelunternehmen und Anteilen an Personengesellschaften unter Nießbrauchsvorbehalt im Lichte der neueren BFH-Rechtsprechung, NZG 19, 212). Daher wird vorausgesetzt, dass die Erträge und Mitwirkungsrechte zwischen den Beteiligten so verteilt sind, dass der Begünstigte ausreichend (Mit-)Unternehmerrisiko innehat und (Mit-)Unternehmerinitiative entfaltet.
Offen ist derzeit, ob der Nießbrauch den Wert des begünstigten Vermögens für die Prüfung der sog. Erwerbsschwelle des § 13a Abs. 1 ErbStG mindert (vgl. FG Düsseldorf 17.7.24, 4 K 1675/23, Revision beim BFH unter II R 22/24 anhängig). Zur Bedeutung folgendes Zahlenspiel: Die Beteiligung hat einen Wert von 40 Mio. EUR und der Nießbrauch einen Wert von 15 Mio. EUR. Ohne Berücksichtigung des Nießbrauchs würde ein Großerwerb vorliegen, nach Berücksichtigung des Werts des Nießbrauchs jedoch nicht. Die Bewertung des Nießbrauchs richtet sich nach § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. §§ 13 ff. BewG.
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Ein paar Jahre nach der Übertragung widerruft der Vater die Schenkung. Es liegt ein Anwendungsfall des § 29 Abs. 2 ErbStG dar. Für die Zeit, in welcher die Tochter an der KG beteiligt war, wird sie als Nießbraucherin behandelt. Auch für einen solchen fiktiven Nießbrauch kommt nach der Rechtsprechung des BFH im Urteil vom 19.3.25 (II R 34/22) eine Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG in Betracht, wenn die Tochter zu der Zeit, in der die Schenkung wirksam war, Mitunternehmerin war. |
Beachten Sie | Die schenkweise Einräumung einer Unterbeteiligung an einer KG, durch die der Beschenkte die Stellung eines Mitunternehmers erlangt, ist nach Auffassung des BFH auch dann nach § 13a Abs. 4 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes i. d. F. bis 31.12.08 begünstigt, wenn der Beschenkte nach einem Widerruf der Schenkung für den Zeitraum, für den ihm die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben, nach § 29 Abs. 2 ErbStG wie ein Nießbraucher zu behandeln ist.
3. Grunderwerbsteuerliche Folgen
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Zum Vermögen der gewerblichen B-KG gehört ein inländisches Grundstück. Durch die Übertragung von 100% der Anteile an der Gesellschaft an die Tochter wird ein steuerbarer Vorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG ausgelöst. Dieser bleibt nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei, weil er unentgeltlich im Wege einer Schenkung erfolgt. Soweit die Übertragung dabei nicht steuerfrei erfolgen sollte (ob dies der Fall ist, dürfte davon abhängen, ob der Nießbrauch den Wert der Schenkung mindert oder nicht), wäre hier eine Steuerbefreiung aufgrund der personenbezogenen Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 GrEStG möglich, weil die Beteiligten hier in gerader Linie verwandt sind. |
Auch unentgeltliche Übertragungen von Anteilen an grundbesitzenden Personengesellschaften können einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang auslösen. Voraussetzung ist, dass ein sog. Share Deal nach § 1 Abs. 2a, 3 und Abs. 3a GrEStG ausgelöst wird. Soweit die Übertragung unentgeltlich erfolgt, kommt eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG in Betracht. Darüber hinaus kommen auch die personenbezogenen Steuerbefreiungen der § 3 Nr. 4, 5, 5a und 6 GrEStG zur Anwendung bei Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften. Bei Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften greifen diese nicht.
4. Zurechnung der Einkünfte nach Übertragung der Beteiligung unter Nießbrauchsvorbehalt
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Der Vater erzielt nach der Übertragung weiterhin Einkünfte i. S. d. § 15 EStG, sofern dieser Mitunternehmer ist. Daneben kann auch die Tochter Einkünfte i. S. d. § 15 EStG erzielen, sofern sie als Mitunternehmerin Einkünfte aus der Beteiligung erzielt, welche nicht dem Nießbraucher zustehen (sog. doppelte Mitunternehmerschaft). Sollte der Vater nicht als Mitunternehmer anzusehen sein, so sollten die Einkünfte ausschließlich der Tochter als Gesellschafterin und Mitunternehmerin zuzurechnen sein. |
Wer nach der Übertragung die Einkünfte aus der Beteiligung an der gewerblichen Personengesellschaft i. S. d. § 15 EStG besteuern muss, hängt also ebenfalls von der Mitunternehmereigenschaft der Beteiligten ab. Wer die Einkünfte besteuern muss, hängt damit maßgeblich von der Ausgestaltung des Nießbrauchsrechts ab. Da es sich beim Nießbrauch um ein sog. Fruchtziehungsrecht handelt, stehen dem Nießbraucher i. d. R. nicht alle Erträge (Früchte und Substanz) aus dem Unternehmen zu, sondern nur die Früchte ‒ insbesondere also keine Gewinne aus der Realisierung stiller Reserven des Anlagevermögens (BFH, BStBl II 1995, 241). Abweichende Vereinbarungen sind möglich. Bei der Ausgestaltung sollte berücksichtigt werden, dass der Beschenkte eine Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG nur in Anspruch nehmen kann, wenn dieser durch die Übertragung Mitunternehmer wird. Dafür muss er entsprechende Rechte und Pflichten erhalten, welche ihn als Mitunternehmer qualifizieren.
Beachten Sie | Zu beachten ist hier die Rechtsprechung des IV. Senats, der wohl die Existenz der sog. doppelten Mitunternehmerschaft infrage stellt (BFH, DStR 18, 2372, Rn. 36). Als Reaktion auf diese Rechtsprechung wird eine Innengesellschaft als Gestaltungsinstrument für ein mitunternehmerisches Nießbrauchsrecht diskutiert (siehe z. B. Hermes, DStR 19, 1777). Die Finanzverwaltung hält dies bislang für möglich (BMF 20.11.19, IV C 6 - S 2241/15/10003, BStBl I 19, 1291). Sollte der Nießbraucher hingegen nicht die Voraussetzungen eines Mitunternehmers erfüllen, kann er keine Einkünfte i. S. d. § 15 EStG verwirklichen. Die Einkünfte aus der Beteiligung müsste dann der Eigentümer der Beteiligung nach § 15 EStG versteuern. Entsprechendes gilt auch, wenn ein Ertrags- oder Quotennießbrauch vorliegt. Dessen Zahlungen an den Nießbraucher sollten dann unter Berücksichtigung des Grundes für die Bestellung des Nießbrauchs der Einkommensverwendung zuzurechnen sein.
5. Steuerliche Folgen bei Beendigung des Nießbrauchs
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Kurze Zeit nach der Übertragung der Beteiligung unter Nießbrauchsvorbehalt zugunsten des Vaters verstirbt dieser. Obwohl die Voraussetzungen nach § 14 Abs. 2 BewG vorliegen, kommt es zu keiner Nachversteuerung, weil die Übertragung der Beteiligung nach § 13a ErbStG steuerfrei erfolgte. Der Nießbrauch wurde daher nicht wertmindernd bei der Schenkungsteuer berücksichtigt (vgl. § 10 Abs. 6, 6a ErbStG). |
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Nach einiger Zeit überlegt sich der Vater, dass er auf den Nießbrauch verzichten möchte. Ein Entgelt möchte er dafür nicht. Daher liegt eine Schenkung vom Vater an die Tochter vor. Soweit der Vater bislang Mitunternehmer war, kommt dafür wohl eine Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG in Betracht. Dafür spricht, dass auch der Zuwendungsnießbrauch an einer gewerblichen Personengesellschaft als begünstigungsfähiges Vermögen i. S. d. § 13b ErbStG in Betracht kommt, sofern der Nießbraucher durch diese Übertragung Mitunternehmer wird. Denn mit dem Verzicht auf den Nießbrauch geht seine Mitunternehmerstellung auf den Gesellschafter über (vgl. auch die Ausführungen in den gleichlautenden Erlassen vom 2.11.12, BStBl I 12, 1101, wonach darin die Übertragung eines Anteils an der Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG zusehen ist). |
Beachten Sie | Sollte die Beendigung des Nießbrauchs entgeltlich erfolgen, löst dies eine Besteuerung nach § 16 EStG aus, sofern damit die Mitunternehmerschaft des Nießbrauchers endet. Das FG Baden-Württemberg hat mit rechtskräftigem Urteil vom 21.9.23 (12 K 2281/21) entschieden, dass eine Zahlung für die Aufgabe bzw. den Verzicht auf einen Nießbrauch an einem Kommanditanteil zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört, wenn der Nießbrauchsberechtigte als Mitunternehmer anzusehen ist. Offen ist, ob diese Rechtsfolge auch gelten kann, wenn der Nießbraucher kein Mitunternehmer wäre. Darin könnte, wie bei Ablösung des Nießbrauchsrechts an Anteilen an Kapitalgesellschaften für den Fall, dass der Nießbraucher kein wirtschaftlicher Eigentümer der Beteiligung ist, eine nicht relevante Vermögensumschichtung zu sehen sein (vgl. ausführlich Dorn, ErbBstg 25, 166 ff.).