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  • · Fachbeitrag · Erbfälle und Schenkungen

    Nießbrauch an Immobilien oder Wertpapieren ‒ die vermögensverwaltende PersG als attraktive Lösung?

    von Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rennar, Hannover

    | Nießbrauchgestaltungen treten gerade in Erbschaft- und Schenkungsteuerfällen regelmäßig auf. Der Nießbrauch an herkömmlichen Immobiliensachwerten ist dabei der „Klassiker“. Praktische Besonderheiten ergeben sich jedoch bei Nießbrauchgestaltungen an Wertpapiervermögen. Gerade die Wertermittlung des Kapitalwerts wirft unter Beachtung der gesonderten Interpolierung des Jahreswerts hier zahlreiche Einzelfragen auf. Wie Sie zumindest bei festverzinslichen Wertpapieren ‒ hierzu zählen auch sog. Zero-Bonds ‒ eine grundlegende Bewertung durchführen können, konnten wir in der letzten Ausgabe bereits umfassend klären (siehe ErbBstg 22, 232 ). Was hingegen bei der Bewertung des Nießbrauchs an Sachen, Sachgesamtheiten und Rechten zu beachten ist und wie der Transfer eines Wertpapierdepots erbschaft- und schenkungsteuerlich behandelt wird, wird nachfolgend analysiert. |

    1. Ein Blick in die Statistik

    Wie die nachfolgende Übersicht des Statistischen Bundesamts zeigt, wurden auch im Corona-Jahr 2021 insbesondere Bankguthaben und Wertpapiere von insgesamt 34,5 Mrd. EUR vererbt. Dies entspricht einem gewaltigen Gesamtanteil von mehr als 50 % der Erbschaften im gesamten Berichtsjahr 2021.

     

     

    Bei den Schenkungen sieht es nach aktuellen statistischen Auswertungen hingegen danach aus, dass der überwiegende Anteil von ca. 26,7 Mrd. EUR (Berichtsjahr 2021) auf Betriebsvermögen entfällt, wobei land- und forstwirtschaftliches Vermögen nur eine Randnotiz einnimmt. Auch dies entspricht einem nennenswerten Gesamtanteil von ca. 25 % der Schenkungen im gesamten Berichtsjahr. Vor diesem Hintergrund zeigt sich auch die praktische Relevanz von Nießbrauchgestaltungen an Wertpapierdepots für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Bei einer Anleihe, begrifflich auch festverzinsliches Wertpapier, Rentenpapier, Schuldverschreibung oder Obligation, handelt es sich beispielsweise um ein sog. zinstragendes Wertpapier. Eine Anleihe gewährt dem Gläubiger hierbei in unterschiedlichen Ausprägungen das Recht auf Rückzahlung des ursprünglich überlassenen Zahlungsbetrages sowie auf Zahlung der vereinbarten Zinsen. Der Zins kann regelmäßig in gleicher Höhe, variabel oder mit einem erhöhten Rückzahlungsbetrag ausgestaltet sein.

    2. Zivilrechtlich geprägter Nießbrauch

    Als sog. Nutzungen gelten die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt (vgl. § 100 BGB). Eine Sache kann in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen aus der Sache zu ziehen. Ein solcher Nießbrauch kann durch den Ausschluss einzelner Nutzungen beschränkt werden (vgl. § 1030 BGB). Die zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 1085 bis 1088 BGB finden praktisch auf den Nießbrauch an einer Erbschaft entsprechende Anwendung (vgl. § 1089 BGB). Gegenstand des Nießbrauchs kann auch ein Recht sein. Auf den Nießbrauch an Rechten sind die Vorschriften über den Nießbrauch an Sachen entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht aus den §§ 1069 bis 1084 BGB ein anderes ergibt.

     

    Der Nießbrauch am Vermögen einer Person kann insoweit nur in der Weise bestellt werden, dass der Nießbraucher den Nießbrauch an den einzelnen zu dem Vermögen gehörenden Gegenständen erlangt. Die Gläubiger des Bestellers können, soweit ihre Forderungen vor der Bestellung entstanden sind, ohne Rücksicht auf den Nießbrauch Befriedigung aus den dem Nießbrauch unterliegenden Gegenständen verlangen. Hat der Nießbraucher das Eigentum an verbrauchbaren Sachen erlangt, so tritt an die Stelle der Sachen der Anspruch des Bestellers auf Ersatz des Wertes; der Nießbraucher ist den Gläubigern gegenüber zum sofortigen Ersatz verpflichtet.

     

    Der Besteller kann, wenn eine vor der Bestellung entstandene Forderung fällig ist, vom Nießbraucher die Rückgabe der zur Befriedigung des Gläubigers erforderlichen Gegenstände verlangen. Die Auswahl steht ihm zu; er kann jedoch nur die vorzugsweise geeigneten Gegenstände auswählen. Soweit die zurückgegebenen Gegenstände ausreichen, ist der Besteller dem Nießbraucher gegenüber zur Befriedigung des Gläubigers verpflichtet. Gehört der geschuldete Gegenstand nicht zum Vermögen, das dem Nießbrauch unterliegt, so ist der Nießbraucher berechtigt, zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers einen zu dem Vermögen gehörenden Gegenstand zu veräußern, wenn die Befriedigung durch den Besteller nicht ohne Gefahr abgewartet werden kann. Der Nießbraucher hat in solchen Fällen einen vorzugsweise geeigneten Gegenstand auszuwählen. Soweit er zum Ersatz des Wertes verbrauchbarer Sachen verpflichtet ist, darf er eine Veräußerung nicht vornehmen.

     

    Die Gläubiger des Bestellers, deren Forderungen schon zur Zeit der Bestellung verzinslich waren, können die Zinsen für die Dauer des Nießbrauchs auch vom Nießbraucher verlangen. Das Gleiche gilt bei anderen wiederkehrenden Leistungen, die bei ordnungsmäßiger Verwaltung aus den Einkünften des Vermögens bestritten werden, wenn die Forderung vor der Bestellung des Nießbrauchs entstanden ist. Die Haftung des Nießbrauchers kann nicht durch Vereinbarung zwischen ihm und dem Besteller ausgeschlossen oder beschränkt werden. Der Nießbraucher ist dem Besteller gegenüber zur Befriedigung der Gläubiger wegen der bezeichneten Ansprüche verpflichtet. Die Rückgabe von Gegenständen zum Zwecke der Befriedigung kann der Besteller aber nur verlangen, wenn der Nießbraucher mit der Erfüllung dieser Verbindlichkeit in Verzug kommt (vgl. §§ 1085 ff. BGB).

    3. Wertermittlungsgrundsätze für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer

    3.1 Allgemeines

    Nießbrauchgestaltungen können unter Berücksichtigung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG bzw. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ErbStG den steuerbaren Tatbestand eines Erwerbs von Todes wegen bzw. einer Schenkung unter Lebenden begründen. Von dem Erwerb sind aus Sicht des Nießbrauchsverpflichteten als Nachlassverbindlichkeiten regelmäßig die Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen (mit ihrem Nutzungswert), Auflagen und geltend gemachten Pflichtteilen und Erbersatzansprüchen abzugsfähig. Entsprechend § 10 Abs. 1 S. 1 und 2 ErbStG ist auch bei der gemischten Schenkung oder Schenkung unter Auflage als steuerpflichtiger Erwerb auf die Bereicherung des Bedachten abzustellen.

     

    Die Bereicherung wird ermittelt, indem von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Steuerwert der Leistung des Schenkers die Gegenleistungen des Beschenkten und die von ihm übernommenen Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen mit ihrem nach § 12 ErbStG ermittelten Wert abgezogen werden. Hinsichtlich Nutzungs- und Duldungsauflagen gilt dies nur, soweit § 10 Abs. 6 S. 6 ErbStG den Abzug nicht ausschließt, weil ein Nutzungsrecht sich bereits als Grundstücksbelastung bei der Ermittlung des gemeinen Werts eines Grundstücks ausgewirkt hat. Der Abzug der Gegenleistungen, Leistungs-, Nutzungs- und Duldungsauflagen ist hierbei nach § 10 Abs. 6 ErbStG beschränkt, soweit der Gegenstand nach §§ 13, 13a, 13c oder 13d ErbStG befreit ist (vgl. R E 7.4 Abs. 1 f. ErbStR).

     

    Der Kapitalwert von Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen (zu den Nutzungen zählt dem Grunde nach auch der Nießbrauch) und Leistungen richtet sich nach der am Besteuerungsstichtag noch laufenden Bezugsberechtigung. Bei der Ermittlung des Kapitalwerts können später eintretende Umstände nur dann berücksichtigt werden, wenn sie am Besteuerungszeitpunkt bereits voraussehbar waren. Bei Nutzungen oder Leistungen, deren Jahreswert ungewiss ist oder schwankt, ist nach § 15 Abs. 3 BewG als Jahreswert der Betrag anzusetzen, der im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt wird. Bei der Schätzung des Durchschnittswerts können ausnahmsweise Ereignisse berücksichtigt werden, die in nicht allzu langer Zeit nach dem Besteuerungszeitpunkt eingetreten sind.

     

    Beachten Sie | Bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen eines Wirtschaftsguts kann der Jahreswert dieser Nutzungen jedoch höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des BewG anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird (vgl. § 16 BewG).

     

    3.2 Nießbrauch an Grundstückswerten

    Wird ein Grundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs geschenkt, mindert der Wert des Nießbrauchsrechts regelmäßig die Bereicherung des Bedachten. Der Jahreswert des Nießbrauchs ist unter Abzug der Schuldzinsen für die zum Zeitpunkt der Zuwendung bestehenden Darlehen zu ermitteln, wenn die Schuldzinsen vom Schenker als Nießbraucher während des Bestehens des Nießbrauchsrechts aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung getragen werden. Die Bewertung der bei einer Grundstücksschenkung vorbehaltenen Nießbrauchsrechte richtet sich gem. § 12 Abs. 1 ErbStG nach den Vorschriften des Ersten Teils des BewG. Hierbei ist der Kapitalwert lebenslänglicher Nutzungen nach § 14 Abs. 1 BewG mit dem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen.

     

    Bei Nutzungen oder Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiss sind oder schwanken, ist als Jahreswert der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird (vgl. § 15 Abs. 3 BewG). Diese Bewertung erfordert eine Schätzung (vgl. BFH 5.6.70, III R 82/67, BStBl II 1970, 594; 6.5.09, II B 14/09). Anhaltspunkt für den in der Zukunft voraussichtlich erzielbaren Betrag können dabei die in den letzten Jahren erzielten Einkünfte sein. Die Ermittlung des zukünftigen Durchschnittsertrags auf der Grundlage des Durchschnittsertrags der dem Schenkungszeitpunkt vorangegangenen drei Jahre wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebilligt (vgl. BFH 11.2.72, III R 129/70, BStBl II 72, 448).

     

    Bei der Ermittlung des Werts von Nießbrauchsrechten an Grundstücken ist zunächst von den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung auszugehen. Zur Berechnung des Jahreswerts des Nießbrauchs sind sodann die vom Nießbraucher zu tragenden Aufwendungen abzuziehen. Das gilt auch für die vom Nießbraucher nach § 1047 BGB im Innenverhältnis zum Grundstückseigentümer zu zahlenden Zinsen. Der Nießbraucher ist gem. § 1047 BGB dem Eigentümer gegenüber verpflichtet, für die Dauer des Nießbrauchs u. a. diejenigen privatrechtlichen Lasten zu tragen, welche schon zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache ruhten, insbesondere die Zinsen der Hypothekenforderungen und Grundschulden. Dem Nießbraucher steht insoweit nur der Reinertrag des seiner Nutzung unterworfenen Wirtschaftsguts zu. Die von ihm zu zahlenden Schuldzinsen mindern daher den Jahreswert seines Nießbrauchsrechts (vgl. BFH 28.5.19, II R 4/16, BStBl II 20, 326).

     

    PRAXISTIPP | Bei Vorliegen besonderer Umstände, z. B. bei starken Schwankungen, kann für die Zukunftsprognose auch auf einen längeren Zeitraum abzustellen sein.

     

    3.3 Nießbrauch an Wertpapiervermögen

    Praktische Unklarheiten ergeben sich jedoch, wenn nicht nur herkömmliches Immobilienvermögen mit einem Nießbrauch belastet übergehen soll, sondern z. B. Aktienbestände. Die Bewertung eines solchen Nießbrauchsrechts richtet sich auch hier dem Grunde nach gem. § 12 Abs. 1 ErbStG nach den Vorschriften des Ersten Teils des BewG. Der einjährige Betrag der Nutzung einer Geldsumme ist, wenn kein anderer Wert feststeht, zu 5,5 % anzunehmen (vgl. § 15 Abs. 1 BewG). Nutzungen oder Leistungen, die nicht in Geld bestehen (vorwiegend Wohnung, Kost, Waren und sonstige Sachbezüge), sind mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen (vgl. § 15 Abs. 2 BewG). Bei Nutzungen oder Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiss sind oder schwanken, ist auch hier als Jahreswert der Betrag zugrunde zu legen, der im Durchschnitt der Jahre zukünftig voraussichtlich erzielt werden wird (vgl. § 15 Abs. 3 BewG).

     

    Beachten Sie | Ist der gemeine Wert der gesamten Nutzungen oder Leistungen nachweislich geringer oder höher, so ist der nachgewiesene gemeine Wert zugrunde zu legen. Der Ansatz eines geringeren oder höheren Werts kann jedoch nicht darauf gestützt werden, dass mit einem anderen Zinssatz als 5,5 % oder mit einer anderen als mittelschüssigen Zahlungsweise zu rechnen ist (vgl. § 13 Abs. 3 BewG). Dies gilt entsprechend bei lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen nach § 14 Abs. 4 BewG.

     

    Die Ermittlung des zukünftigen Durchschnittsertrags auf der Grundlage der dem Schenkungszeitpunkt vorangegangenen drei Jahre wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebilligt (vgl. BFH 28.5.19, II R 4/16, BStBl II 20, 326). Bei Nießbrauchgestaltungen an reinen Wertpapiervermögen gilt also als Jahreswert dem Grunde nach der Betrag, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff ist praktisch zu definieren und dürfte sich m. E. aus der zu erzielenden Dividendenrendite in klassischen Wertpapierfällen ergeben.

     

    PRAXISTIPP | Praktisch könnte eine Prognoseberechnung zur Renditeerwartung eines Kreditinstituts oder Vermögensverwalters einen Anhaltspunkt für den zumindest prognostisch zu erzielenden Durchschnittswert der Nutzung liefern. Es handelt sich jedoch faktisch regelmäßig um eine Betragsschätzung, welche der Ermessensentscheidung des Finanzamtes unterliegt (vgl. §§ 5, 86 AO). Ggf. sollten Sie daher zumindest in Schenkungsteuerfällen aufgrund der praktischen Unsicherheiten der Wertermittlung zur Vermögensübertragung zunächst einen Teil übertragen, um zu sehen, wie die Finanzverwaltung auf Ihre Wertermittlung reagiert.

     

    Beachten Sie | Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen von Kreditinstituten, in denen ein Entgelt für die Übertragung von Wertpapieren in ein anderes Depot gefordert wird, verstoßen regelmäßig gegen die zivilrechtliche Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB. Dieses gilt auch für Übertragungen im Rahmen der laufenden Geschäftsbeziehung (vgl. BGH 30.11.04, XI ZR 200/03, DB 05, 1212; 30.11.04, XI ZR 49/04, DStR 05, 566).

     

    • Praxisbeispiel (Nießbrauch an einem Wertpapierdepot)

    Ein Vater wendet seinem einzigen Sohn (30 Jahre) den lebenslangen Nießbrauch an einem Wertpapierdepot (Aktienvermögen) durch Schenkung zu. Für das Wertpapierdepot konnte ein Jahreswert von 150.000 EUR p. a. ermittelt werden. Es handelt sich hierbei unter Berücksichtigung der Dividendenrendite um den Betrag, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich zu erzielen ist. Der Nennwert der Aktien beträgt hingegen 2.000.000 EUR (vgl. § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 11 Abs. 1 BewG).

     

    • Jahreswert (1. Schritt): Bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen eines Wirtschaftsguts kann der Jahreswert dieser Nutzungen höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des BewG anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird (vgl. § 16 BewG). Demnach ist die Begrenzung des Jahreswerts nach der Dividendenrendite zu prüfen. Es ergibt sich, dass der tatsächliche Jahreswert i. H. v. 150.000 EUR p. a. größer ist und somit keine Anwendung findet (2.000.000 EUR ÷ 18,6 = 107.526 EUR p. a.).

     

    • Vervielfältiger (2. Schritt): Das Alter der nießbrauchsberechtigten Person (Sohn) beträgt im Besteuerungszeitpunkt 30 Jahre. Daher ergibt sich dem Grunde nach ein Vervielfältiger zur Interpolierung von 17,350 (vgl. BMF 4.10.21, BStBl I 21, 1821).

     

    • Kapitalwert (3. Schritt): Für das Nießbrauchsrecht an dem Wertpapiervermögen ergibt sich somit insgesamt dem Grunde nach ein Kapitalwert von ca. 1,8 Mio. EUR (107.526 EUR × 17,350 = 1.865.576 EUR).
     

    4. Gestaltungsvariante „vermögensverwaltende PersG“

    Vorab ist klarzustellen, dass der Nießbrauch „an einem Betrieb“ wegen des Spezialitätsgrundsatzes des Sachenrechts, der die dingliche Bestellung des Nießbrauchs nur an Einzelwirtschaftsgütern zulässt, als Bestellung eines Nießbrauchs an einem Inbegriff von Sachen und ggf. Rechten nach §§ 1030, 1035, 1068 BGB zu verstehen ist. Ein vermeintlicher Nießbrauch an einem Betrieb umfasst also tatsächlich eine Vielzahl von Nießbrauchsrechten an betrieblich genutzten Wirtschaftsgütern (vgl. BFH 25.11.20, II R 9/19, BStBl II 21, 491).

     

    Als Gestaltungsvariante zu Nießbrauchsgestaltungen an Wertpapierdepots kann daher aufgrund der praktischen Unklarheiten zur Wertermittlung des Kapitalwerts die Gründung einer die Wertpapiere vermögensverwaltenden Personengesellschaft in Betracht gezogen werden. Wird demnach im Rahmen eines Erwerbs von Todes wegen oder einer Schenkung unter Lebenden ein Nießbrauchsrecht an einem Anteil an einer Personengesellschaft (vgl. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 S. 2 EStG) eingeräumt oder die Ausübung eines solchen Nießbrauchsrechts einem anderen überlassen, richtet sich die Beurteilung nach der Ausgestaltung des Nießbrauchsrechts. Der Zuwendungsgegenstand bestimmt sich grundsätzlich nach dem Zivilrecht. Ob das zugewendete Vermögen zum Betriebsvermögen gehört, richtet sich jedoch nach den Grundsätzen des Ertragsteuerrechts, denn es bilden alle einer inländischen Personengesellschaft gehörenden Wirtschaftsgüter dem Grunde nach einen Gewerbebetrieb (vgl. § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BewG).

     

    Ist das Nießbrauchsrecht jedoch so ausgestaltet, dass der Nießbraucher ertragsteuerlich als Mitunternehmer der Personengesellschaft anzusehen ist, gehört das Nießbrauchsrecht hingegen als immaterielles Wirtschaftsgut ertragsteuerlich und damit auch bewertungsrechtlich zum Sonderbetriebsvermögen, da es unmittelbare und untrennbare Voraussetzung für die Erzielung der gewerblichen Einkünfte ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Nießbraucher zivilrechtlich Gesellschafter der Personengesellschaft ist. Handelt es sich bei dem Nießbrauchsrecht ertragsteuerlich um Sonderbetriebsvermögen bei der Personengesellschaft, sind die Wirtschaftsgüter bei der Bewertung des Betriebsvermögens mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen (vgl. § 97 Abs. 1a Nr. 2 BewG). Für das Nießbrauchsrecht ist der Kapitalwert nach §§ 13 bis 16 BewG zu ermitteln.

     

    Beachten Sie | Gehört das Nießbrauchsrecht jedoch nicht zum Sonderbetriebsvermögen, weil der Nießbrauchsberechtigte ertragsteuerlich nicht als Mitunternehmer anzusehen ist, liegt übriges Vermögen vor. Die Bewertung erfolgt ebenfalls nach den §§ 13 bis 16 BewG. Dies gilt auch, wenn ein Nießbraucher auf seinen Nießbrauch verzichtet und dadurch eine Mitunternehmerstellung des Nießbrauchers auf den Gesellschafter übergeht (vgl. R B 97.3 Abs. 1 ff. ErbStR).

     

    FAZIT | Achten Sie aufgrund der Mannigfaltigkeit der vertraglichen Absprachen auf die vielfältigen Praxisausgestaltungen des Nießbrauchs. Ggf. sollten Sie in Schenkungsteuerfällen aufgrund der praktischen Unsicherheiten der Wertermittlung zur Vermögensübertragung zunächst einen Teil übertragen, um eine Annahme der Finanzverwaltung hinsichtlich Ihrer Wertermittlung zu prüfen. Achten Sie hierbei auch auf eventuell zu berücksichtigende frühere Erwerbe nach § 14 ErbStG bei Nachschenkungen. Reicht eine Schenkungskette hierbei u. U. sogar über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren, ist die Steuer für den letzten Erwerb nach den Grundsätzen des § 14 Abs. 3 ErbStG zu berechnen (vgl. R E 14.1 Abs. 4 ErbStR). Hierbei darf die durch jeden weiteren Erwerb veranlasste Steuer nicht mehr als 50 % dieses Erwerbs betragen.

     

    Bei Nießbrauchgestaltungen an reinen Wertpapiervermögen gilt als Jahreswert dem Grunde nach der Betrag, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird. Es handelt sich faktisch regelmäßig um eine Betragsschätzung, welche der Ermessensgenehmigung des Finanzamtes unterliegt. Praktisch könnte im Einzelfall eine Prognoseberechnung zur Renditeerwartung eines Kreditinstituts oder Vermögensverwalters einen Anhaltspunkt für den zumindest prognostisch zu erzielenden Durchschnittswert der Nutzung liefern. Bei einem lebenslänglichen Nießbrauchsrecht ist zudem auf eine Interpolation unter Berücksichtigung der Lebensdauer zu achten. Im Einzelfall sollte auch eine Gestaltungsvariante über die Nießbrauchsbestellung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (Wertpapier-GbR o. Ä.) unter Beachtung zivilrechtlicher und vertraglicher Implikationen in Betracht gezogen werden.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zu steuerlichen Folgen bei im Bewertungszeitpunkt noch nicht voll erfüllten Grundstückstransaktionen siehe Rennar, ErbBstg 22, 178
    Quelle: Ausgabe 10 / 2022 | Seite 250 | ID 48560189

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