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  • 01.11.2005 | Unternehmensnachfolge

    Acht schwerwiegende Fehler beim Unternehmertestament

    von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

    Das Interesse des Unternehmers an der Erhaltung seines Unternehmens erfordert ein hohes Maß an gestalterischen Überlegungen. Zu häufig wird verkannt, dass für ein Unternehmertestament nicht die selben Spielregeln gelten wie für Nachfolgeregelungen im privaten Vermögensbereich. Während dort meist eine aus der Sicht des Erblassers gerechte Verteilung des Privatvermögens auf mehrere Erben im Vordergrund steht, muss das Unternehmertestament vor allem sicherstellen, dass der Übergang des Unternehmens im Erbfall die Unternehmensnachfolge nicht gefährdet und die Gefahr einer existenziellen Krise des Unternehmens ausgeschlossen bleibt. Leider wird diesen Gesichtspunkten in vielen Fällen zu wenig Rechnung getragen. Die finanziellen Auswirkungen können verheerend sein. 

     

    Der Beitrag zeigt acht typische und schwerwiegende Fehler bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung auf. Sind diese Fehler erst einmal erkannt, müssen sie unter Inanspruchnahme fachlicher Hilfe durch entsprechende Gestaltung ausgeschlossen werden. 

     

    Unternehmertestament: Die acht häufigsten Fehler

    Nr. 1: Fehlende Rechtzeitigkeit der Errichtung eines Testaments oder Erbvertrages

    Ein Testament oder Erbvertrag ist an sich für jeden Unternehmer zwingend erforderlich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der vorgesehene Unternehmensnachfolger nicht der alleinige gesetzliche Erbe ist.  

    Tatsächlich wird immer wieder festgestellt, dass die meisten Unternehmer keine erbvertraglichen oder testamentarischen Regelungen getroffen haben. Außerdem wird regelmäßig übersehen, dass die Notwendigkeit einer letztwilligen Verfügung nichts mit dem Alter des Unternehmers zu tun hat. Erforderlich ist ein Verständnis für das Unternehmertestament als notwendige Maßnahme zur Störfallvorsorge auch für den Fall eines unerwarteten frühzeitigen Todes des Unternehmers (z.B. Autounfall, Flugzeugabsturz). Deshalb sollte auch ein Jungunternehmer oder ein gerade angetretener Unternehmensnachfolger erbvertraglich oder testamentarisch geregelt haben, welche Rechtsfolgen gerade auch im Hinblick auf sein Unternehmen für den Fall seines Todes eintreten sollen. 

     

    Nr. 2: Fehlende Überprüfung vorhandener Erbverträge und Testamente

    Die ständige Überprüfung vorhandener Erbverträge und Testamente ist eine zwingende Notwendigkeit. Ist dem Unternehmer einerseits die Errichtung eines Testamentes oder Erbvertrages zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu empfehlen, muss andererseits sichergestellt werden, dass das Testament oder der Erbvertrag an veränderte Rahmenbedingungen angepasst wird. Spätere Anpassungsnotwendigkeiten sollten auf keinen Fall zu der Einstellung verleiten, die Errichtung eines Testamentes oder der Abschluss des Erbvertrages könne auf die „lange Bank“ geschoben werden. Auch, wenn später Anpassungsbedarf besteht, stellt dies die Notwendigkeit einer Nachfolgeregelung nicht in Frage.  

     

    Nr. 3: Laienhafte Formulierungen 

    Es wird nicht bedacht, dass „Laientestamente“ gravierende Auslegungsprobleme verursachen können. Präzise juristische Begriffe werden hinsichtlich ihrer Bedeutung verkannt und daher falsch verwendet. Welcher Laie kennt schon die teilweise erheblichen Unterschiede in der juristischen Definition eines Vollerben, eines befreiten oder nichtbefreiten Vorerben, eines Nacherben, eines Ersatzerben oder eines Schlusserben. Jeder dieser Begriffe hat eine eigenständige Bedeutung. Lässt die letztwillige Verfügung Zweifel aufkommen, welche Rechtsstellung dem Erben letztlich zugewiesen werden soll, führt dies zu ungewollter Rechtsunsicherheit und zu Streitigkeiten.  

     

    Nr. 4: Das zivilrechtliche Gefahrenpotenzial einer Erbengemeinschaft 

    Bei fehlender oder unwirksamer letztwilliger Verfügung führt das Vorhandensein mehrerer Erben im Falle der gesetzlichen Erbfolge zur Entstehung einer Erbengemeinschaft unter den gesetzlichen Erben, die als „Zufallsgemeinschaft“ schon zivilrechtlich unberechenbar ist. Dieses Problem tritt auch bei Verfügungen von Todes wegen auf, die die Erbeinsetzung mehrerer Erben vorsehen. Werden die Rechte und Pflichten der einzelnen Miterben in der letztwilligen Verfügung nicht eindeutig festgelegt, sind Streitigkeiten innerhalb der Erbengemeinschaft nicht ausgeschlossen. Werden die erbrechtlichen Auseinandersetzungsansprüche kompromisslos geltend gemacht, kann dies den Bestand des Unternehmens gefährden und sogar in die Insolvenz führen. 

     

    Bei mittelständischen Unternehmern wird angenommen, dass sie zwischen 70 und 90 Prozent ihres Vermögens im Unternehmen gebunden haben (vgl. Flick DStR 93, 929, 930). Aus dem überproportionalen Anteil des Unternehmensvermögens am Gesamtvermögen ergibt sich als logische Konsequenz, dass das Unternehmen bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge erhebliche Kapitalabflüsse zur Abfindung weichender Miterben hinnehmen muss. 

     

    Nr. 5: Das einkommensteuerrechtliche Gefahrenpotenzial einer Erbengemeinschaft 

    Das Vorhandensein einer Erbengemeinschaft ist auch einkommensteuerrechtlich problematisch. Häufig wird verkannt, dass der Erbfall und die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft aus einkommensteuerlicher Sicht zu erheblichen Belastungen innerhalb der Familie mit Einkommensteuer führen kann. Das Problem der Steuerbelastung entsteht z.B. dann, wenn einer der Erben seinen erbrechtlichen Anteil am Unternehmen einem anderen Erben gegen Zahlung einer Abfindung überlässt. Der Streit darüber, wer von den Erben solche zusätzlichen Belastungen bezahlen soll, ist in solchen Fällen vorprogrammiert. Außerdem wird durch die Steuerbelastung die Liquidität des Unternehmens zusätzlich strapaziert.  

     

    Beispiel zu Nr. 5: Der Nachlass besteht aus einem Kommanditanteil an einer Personengesellschaft im Verkehrswert von 10.000.000 EUR (Buchwert 2.000.000 EUR) und Privatvermögen im Wert von 5.000.000 EUR. Erben sind auf Grund gesetzlicher Erbfolge Sohn und Tochter. Die Kinder setzen sich dahingehend auseinander, dass der Sohn den Kommanditanteil erhält und die Tochter das gesamte Privatvermögen. Wegen der Wertdifferenz muss der Sohn der Tochter aber noch 2.500.000 EUR zahlen. Nach Abzug des anteiligen Buchwertes ergibt sich ein Veräußerungsgewinn von 2.000.000 EUR, den die Tochter versteuern muss. Ist sie mit dieser Rechtsfolge nicht einverstanden, wird sie diese Steuerbelastung zum Gegenstand weiterer Erbauseinandersetzungsverhandlungen mit ihrem Bruder machen. Nicht auszuschließen ist, dass sie der Erbauseinandersetzung nur zustimmt, wenn der Bruder auch noch diese Belastung übernimmt. Wirtschaftlich bedeutet dies, dass der Sohn zusätzliche Belastungen tragen muss, wenn er das Unternehmen weiterführen will.  

     

    Vergleichbare Probleme können schon mit dem Erbfall entstehen, wenn ein Gesellschafter einer Personengesellschaft neben dem Gesellschaftsanteil noch steuerliches Sonderbetriebsvermögen hält und nicht alle Erben in die Gesellschaft nachrücken. 

     

    Nr. 6: Falsche Erbeinsetzungen 

    Erbeinsetzungen müssen vorrangig auf die Sicherung der Unternehmensnachfolge gerichtet sein. Die Einsetzung des Ehegatten zum Alleinerben („Berliner Testament“) oder zum Vorerben ist bei kleineren privaten Vermögen zwar sehr beliebt und mag dort auch gerechtfertigt sein, wird den Bedürfnissen der Unternehmensnachfolge aber im Regelfall nicht gerecht werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Zeit für einen Generationenübergang reif ist und der Ehegatte als Unternehmensnachfolger nicht in Betracht kommt. 

     

    Gleichwohl tauchen immer wieder solche Ehegattentestamente oder -erbverträge auf. Grund hierfür kann sein, dass die Nachfolgeregelungen schon älteren Datums sind und die unterschiedlichen Interessenlagen bei der Unternehmensnachfolge einerseits und der Absicherung des Ehegatten andererseits bei Testamentserrichtung oder Abschluss des Erbvertrages noch gar nicht erkennbar waren oder noch keine praktische Relevanz hatten.  

     

    Nr. 7: Fehlende Abstimmung mit dem Gesellschaftsvertrag  

    Bei Gesellschaftsbeteiligungen ist auf eine sorgfältige Abstimmung zwischen Testament und Gesellschaftsvertrag zu achten. Die Unternehmensnachfolge wird zwar für Beteiligungen an Gesellschaften im Gesellschaftsvertrag einer Personen- oder Kapitalgesellschaft geregelt werden, solche Regelungen kommen aber nur zum Zuge, wenn der Erblasser eine auf den Gesellschaftsvertrag abgestimmte letztwillige Verfügung getroffen hat. Die testamentarische oder erbvertragliche Erbeinsetzung muss daher in Kenntnis und unter Beachtung der Nachfolgeregelungen im Gesellschaftsvertrag erfolgen.  

     

    Beispiel zu Nr. 7: Ist der Sohn im Gesellschaftsvertrag als Nachfolger nach seinem Vater bestimmt, muss er auch Erbe nach dem Tod seines Vaters werden. Wird nicht er, sondern auf Grund testamentarischer Regelungen die Mutter Erbin, kann der Sohn die Nachfolge in die Gesellschaft nicht antreten. Die Mutter ebenfalls nicht, da sie im Gesellschaftsvertrag nicht als Nachfolgerin vorgesehen ist. 

     

    Nr. 8: Vernachlässigung von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsanprüchen 

    Das Ausmaß von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüchen, die sich im Regelfall am Verkehrswert des Unternehmens ausrichten (BGH NJW 82, 2441; WM 86, 234), wird häufig verkannt. 

     

    Sowohl Pflichtteilsansprüche als auch Zugewinnausgleichsansprüche können den Berechtigten im Regelfall nicht einseitig genommen werden. Hier hilft nur die vorbeugende Gestaltung zu Lebzeiten. Einen wirksamen Schutz bieten hier zu Lebzeiten getroffene Pflichtteilsvereinbarungen oder Güterstandsvereinbarungen in Form der Vereinbarung einer Gütertrennung oder einer Modifizierung der Zugewinngemeinschaft. Beides bedarf der notariellen Beurkundung und der Zustimmung des jeweiligen Vertragspartners. Zur Sicherung der Unternehmensnachfolge sollte auf jeden Fall versucht werden, diese Gefahrenquelle schon zu Lebzeiten zu beseitigen. Erfahrungsgemäß lässt sich zu Lebzeiten über solche Ansprüche wesentlich besser verhandeln, als nach dem Tode des Erblassers. 

     

    Quelle: Ausgabe 11 / 2005 | Seite 304 | ID 86767

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