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  • Pflichtteil

    Besonderheiten der Berechnung und Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs

    von RAin Alexandra Kindshofer, FAin Steuerrecht, München

    Das Pflichtteilsrecht (§§ 2303 ff. BGB) sichert den nächsten Angehörigen einen bestimmten, grundsätzlich unentziehbaren Anteil am Wert des Nachlasses und begrenzt damit die Testierfreiheit des Erblassers. Der Beitrag befasst sich nach einem kurzen Überblick über den Pflichtteilsanspruch anhand zahlreicher Praxisbeispiele mit Besonderheiten der Pflichtteilsberechung. Dabei geht es um

    • den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten,
    • die Berücksichtigung einer latenten Steuerbelastung des Erben,
    • den Einfluss des Güterstandes,
    • den Ausgleich von Schenkungen und
    • die Pflichtteilsergänzung.
    • Anschließend wird die Durchsetzung des Anspruchs behandelt.

    1. Pflichtteilsberechtigung

    Der Pflichtteilsanspruch hat nicht die Gestalt eines Erbteils, sondern ist ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den oder die Erben auf Zahlung eines Geldbetrags, und zwar in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB).

    1.1 Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten

    Pflichtteilsberechtigt sind die nächsten Angehörigen des Erblassers, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von einem bestehenden gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen sind (§ 2303 BGB). Dies sind

    • die Abkömmlinge,
    • der überlebende Ehegatte (zu beachten ist, dass sich für Ehegatten wegen der Verknüpfung des Erbrechts mit dem Güterrecht (§ 1931 Abs. 3 und 4 BGB) Besonderheiten ergeben, die sich auf die Quote der anderen Pflichtteilsberechtigten auswirken, Palandt, BGB, 62. Aufl., § 2303 Rz. 7 ff.),
    • der von der Erbfolge ausgeschlossene eingetragene Lebenspartner (§ 1 LPartG) sowie
    • die Eltern, falls keine erbberechtigten Abkömmlinge vorhanden sind (§§ 2303 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 2309 BGB).

    1.2 Zusatzpflichtteil

    Nach dem Wortlaut des § 2303 BGB können nur die Personen den Pflichtteil für sich beanspruchen, die von der Erbfolge ausgeschlossen worden sind. Der Erblasser hätte jedoch die Möglichkeit, die an sich Pflichtteilsberechtigten dadurch von Ihrem Recht auszuschließen, dass er sie als Erben eines Erbteils einsetzt, der geringer ist als der Wert des Pflichtteils. Einer derartigen Aushöhlung des Pflichtteilsrechts wirkt § 2305 BGB entgegen, wonach der Pflichtteilsberechtigte von den Miterben als Pflichtteil den Wert des an der Hälfte fehlenden Teiles verlangen kann.

    1.3 Beschränkungen und Beschwerungen

    Der Erblasser kann den Erben auch mit einem Erbteil bedacht haben, der zwar den Pflichtteil überschreitet, jedoch mit bestimmten Beschwerungen versehen ist. Der pflichtteilsberechtigte Erbe läuft Gefahr, selbst dann weniger als den Pflichtteil zu erhalten, wenn der hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils übersteigt. Für diesen Sachverhalt gibt § 2306 BGB dem Erben dennoch unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf den Pflichtteil.

    1.3.1 Zugewendetes Erbe übersteigt Pflichtteil nicht

    Für den Fall, dass das Erbe den Pflichtteil nicht übersteigt, werden sämtliche Beschränkungen und Beschwerungen gestrichen. Die Regelung des § 2306 BGB greift jedoch nur in den Fällen ein, in denen der Erbe von den Beschränkungen auch betroffen ist. Haben die Beschränkungen keine Auswirkungen auf ihn oder begünstigen sie ihn sogar, so findet § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB keine Anwendung (Soergel/Dieckmann, BGB, S. 1625, Rz. 4). Diese Beschränkungen/Beschwerungen sind abschließend in § 2306 Abs. 1 und 2 BGB geregelt:

    • Beschränkung durch die Einsetzung eines Nacherben,
    • Beschränkung durch die Ernennung eines Testamentsvollstreckers,
    • Beschränkung durch eine Teilungsanordnung gemäß § 2048 BGB ,
    • Beschwerung mit einem Vermächtnis,
    • Beschwerung mit einer Auflage,
    • die Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten als Nacherbe ist einer Beschränkung gleichgestellt.

    Beschränkungen, die nicht in § 2306 BGB aufgelistet sind (z.B. Beschränkungen in guter Absicht, familienrechtliche Anordnungen), muss der Pflichtteilsberechtigte hinnehmen (Palandt, BGB, 62. Aufl., § 2306 Rz. 8). Soweit nach Streichung noch ein Differenzbetrag zur Hälfte des gesetzlichen Erbteils vorhanden ist, findet § 2305 BGB Anwendung (Palandt, BGB, 62. Aufl., § 2306 Rz. 5). Der Erbe kann also als Pflichtteilsberechtigter den Pflichtteilsrest verlangen.

    1.3.2 Zugewendetes Erbe übersteigt Pflichtteil

    Der zweite Abschnitt des § 2306 Abs. 1 BGB regelt die Fallvariante, dass der zugewendete Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils übersteigt, jedoch mit Beschwerungen versehen ist. In diesem Fall hat der Erbe kraft Gesetzes ein Wahlrecht (Palandt, BGB, 62. Aufl, § 2306 Rz. 9 f.). Er kann den ihm zugedachten Erbteil mit allen Beschwerungen annehmen oder aber das Erbe ausschlagen und den gesetzlichen Pflichtteil ohne Beschwerungen beanspruchen (Lange/Kuchinke, Erbrecht, S. 591).

    1.4 Der Einfluss des Güterstandes

    Bei Ehegatten hat der Güterstand entscheidenden Einfluss auf die Höhe des Pflichtteils (§§ 1931, 2303, 1371 BGB).

    Praxishinweis: Es kann sich jedoch lohnen, statt der pauschalen Abgeltung auf einem Ausgleich des Zugewinns nach den güterrechtlichen Grundsätzen zu bestehen. Hier ist zwischen dem so genannten kleinen und großen Pflichtteil zu unterscheiden. Der überlebende Ehegatte hat hier u.U. die Möglichkeit, auf die Höhe seines Pflichtteilsanspruchs durch entsprechende Gestaltungsmaßnahmen Einfluss zu nehmen. Ist der überlebende Ehegatte nämlich entweder gesetzlicher oder testamentarischer Erbe geworden, so kann es sich für ihn rechnen, das Erbe auszuschlagen (jedoch kein direktes Wahlrecht, vgl. Palandt, BGB, 62. Aufl., § 1371 Rz. 15). In diesem Fall erhält er zum einen den sogenannten kleinen Pflichtteil, also die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils und kann zum anderen den Ausgleich des Zugewinns nach den güterrechtlichen Bestimmungen verlangen (Palandt, BGB, 62. Aufl., § 2303 Rz. 8; § 1371 Rz. 18 f.). Dies kann sich dann positiv auswirken, wenn der verstorbene Ehegatte während der Ehe einen beträchtlichen Vermögenszuwachs erfahren hat.

    2. Besonderheiten bei der Pflichtteilsberechnung

    Der Pflichtteilsanspruch richtet sich nach dem Netto- Nachlasswert (Verkehrswerte) zur Zeit des Erbfalls (§ 2311 Abs. 1 BGB). Vom Wert der Nachlassaktiva sind die Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Bei der Berechnung des Pflichtteils von Abkömmlingen und Eltern des Erblassers bleibt der Voraus des Ehegatten (§ 1932 BGB) außer Ansatz (§ 2311 Abs. 1 S. 2 BGB). Hinzuzurechnen sind Schenkungen des Erblassers innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall an Dritte (auch an Miterben, ausgenommen Anstandsschenkungen, § 2330 BGB) und Schenkungen des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten mit Anrechnungsbestimmung (§ 2315 BGB).

    2.1 Nachlassverbindlichkeiten

    Als Nachlassverbindlichkeiten können im Rahmen der Pflichtteilsberechnung Erblasserschulden (also Verbindlichkeiten, die der Erblasser vor seinem Tod einging) sowie Erbfallschulden (Verbindlichkeiten, die durch den Erbfall entstehen) abgezogen werden.

    2.1.1 Abziehbare und nicht abziehbare Verbindlichkeiten

    2.1.2 Potenzielle Steuerbelastung des Erben

    Umstritten ist, inwieweit Steueransprüche und - erstattungen den Nachlasswert beeinflussen. Im Todeszeitpunkt entstandene Steuererstattungsansprüche und - schulden des Erblassers erhöhen bzw. mindern den Wert des Nachlasses. Denn zum Erblasservermögen gehören auch Positionen aus öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen.

    Unklar ist jedoch, wie noch nicht entstandene Ansprüche und Schulden aus vom Erblasser „eingegangenen“ Steuerschuldverhältnissen, die ihre Konkretisierung erst beim Erben erfahren, bei der Berechnung des Nachlasswertes zu behandeln sind. Hier sind u.a. folgende wichtigen Fälle zu unterscheiden:

    • latente Einkommensteuerbelastung durch stille Reserven,
    • Verlustverrechnungspotenzial des Erblassers,
    • erbschaftsteuerliche Nachsteuer.

    2.1.2.1 Latente Einkommensteuerbelastung

    Eine latente Belastung mit Einkommensteuer besteht z.B., wenn sich Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens mit stillen Reserven im Nachlass befinden, im Falle von noch nicht vereinnahmten Forderungen eines nach § 4 Abs. 3 EStG den Einnahmenüberschuss ermittelnden Freiberuflers oder bei nach § 17 bzw. § 23 EStG steuerverstrickten Wirtschaftsgütern. Die Steuer entsteht, wenn der Erbe die entsprechende Realisation auslöst (also z.B. das steuerverstrickte Wirtschaftsgut veräußert, um den Pflichtteil auszahlen zu können). Umgekehrt ist auch eine entsprechende einkommensteuerliche Entlastung denkbar, soweit das Einkommensteuerrecht die Berücksichtigung der entsprechenden Verluste zulässt.

    Meincke spricht sich für die Berücksichtigung im Rahmen der Pflichtteilsberechnung entlang einer vom BGH (14.10.92, NJW- RR 93, 131) vorgezeichneten Linie aus (Meincke, Steuerliche Chancen und Risiken als Nachlassbestandteil, Vortragsmanuskript zur ZEV- Jahrestagung 2002/2003, Seite 17). Die latente Einkommensteuerbelastung ist zu berücksichtigen, wenn eine Prognose aus der Sicht des Erbfalls ergibt, dass mit der Auslösung des Steuertatbestands (z.B. der Einziehung der Honorarforderung) in absehbarer Zukunft gerechnet werden muss. Der BGH hatte es in der vorgenannten Entscheidung für die Berücksichtigung der latenten Steuerlast als ausreichend angesehen, wenn es zur Betriebsveräußerung innerhalb von fünf Jahren nach dem Erbfall kommt und der Betrieb in engem Zusammenhang mit dem Erbfall aufgegeben oder veräußert wurde.

    2.1.2.2 Verlustverrechnungspotenzial des Erblassers

    Gemäß § 10d EStG kann der Erbe ungenutzte Verluste des Erblassers steuermindernd geltend machen. Trotz der Entscheidung des BFH vom

    16.5.01 (BStBl II 02, 487) scheint die Entwicklung jedoch noch nicht zum Stillstand gekommen zu sein (Steuervergünstigungsabbaugesetz, FG Schleswig- Holstein 21.9.99, EFG 99, 1221, Rev. BFH XI R 54/99). Meincke (a.a.O., S. 27) spricht sich auch hier für die Berücksichtigung in Höhe der beim Erben zu erwartenden Steuerersparnis (Schätzung) bei der Pflichtteilsberechnung aus.

    2.1.2.3 Erbschaftsteuerliche Nachsteuer

    Die auf den Erbfall entfallende erbschaftsteuerliche Belastung des Er- ben kann nicht bei der Pflichtteilsberechnung berücksichtigt werden. Das Erbschaftsteuerrecht sieht jedoch gewisse „Nachsteuer- “Tatbestände vor (§ 13a ErbStG), deren Verwirklichung vom Verhalten des Erben abhängt. Besteht zum Erbfall ein echtes Steuerrisiko, dann soll nach Meincke (a.a.O., S. 38) dies bei der Pflichtteilsberechnung Berücksichtigung finden.

    2.2 Anrechnungs- , Ausgleichungs- und Ergänzungsvorschriften

    Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs wird durch verschiedene gesetzliche Anrechnungs-, Ausgleichungs- und Ergänzungsvorschriften beeinflusst.

    2.2.1 Anrechnung von Schenkungen auf den Pflichtteil

    Hat der Pflichtteilsberechtigte durch Rechtsgeschäft unter Lebenden (z.B. eine Schenkung) eine Zuwendung erhalten, so muss er sich diese auf den Pflichtteil anrechnen lassen, wenn der Erblasser dies bei der Schenkung bestimmt hat (§ 2315 Abs. 1 BGB). Der Wert der Zuwendung wird bei der Bestimmung des Pflichtteils dem Nachlass hinzugerechnet, wobei hinsichtlich des Wertes auf den Zeitpunkt der Zuwendung abzustellen ist (§ 2315 Abs. 2 BGB), lediglich der Kaufkraftschwund ist zu berücksichtigen (Palandt, BGB, 62. Aufl., § 2315 Rz. 5). Von dem so ermittelten Nachlasswert wird der Pflichtteil des Berechtigten errechnet und von diesem die Zuwendung als bereits empfangen abgezogen. Diese Berechnung erfolgt für jeden Pflichtteilsberechtigten gesondert.

    Praxishinweis: Die Anrechnung muss spätestens gleichzeitig mit der Schenkung bestimmt werden, wenn sie später bei der Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt werden soll. In einem späteren Testament ist dies nicht mehr möglich; es sei denn, dass er sie sich vorbehalten hatte oder sie an Stelle einer berechtigten Pflichtteilsentziehung erklärt (Palandt, BGB, 62. Aufl., § 2315 Rz. 3).

    Wenn die Schenkung einen höheren Wert als der Pflichtteil hatte, besteht keine Herausgabepflicht hinsichtlich des übersteigenden Betrages. Eine Ausnahme hiervon besteht aber, wenn andere Personen Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen.

    2.2.2 Anrechnung von Schenkungen auf den Erbteil

    Haben Abkömmlinge vom Erblasser zu dessen Lebzeiten „Ausstattungen“ erhalten, so müssen sie diese untereinander ausgleichen, wenn sie gesetzliche Erben werden und der Verstorbene nichts anderes bestimmt hat (§ 2050 Abs. 1 BGB). Ausstattungen sind Zuwendungen im Hinblick auf die Verheiratung des Abkömmlings oder auf eine selbstständige Lebensführung (§ 1624 BGB, zu weiteren Einzelheiten vgl. Palandt, BGB, 62. Aufl., § 1624 Rz. 1). Die Ausgleichungspflicht nach § 2050 Abs. 1 BGB besteht kraft Gesetzes. Will der Erblasser nicht, dass eine Ausgleichung stattfindet, muss er dies ausdrücklich anordnen. Andere Zuwendungen sind nur auszugleichen, wenn der Erblasser bei der Zuwendung dies angeordnet hat (§ 2050 Abs. 3 BGB).

    Ausgeglichen wird auch die Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Verstorbenen und dessen Pflege unter Verzicht auf eigenes Einkommen (§ 2057a BGB). Zunächst wird vom Nachlass der Wert abgezogen, der auf den Ehegatten und den nach § 2056 BGB ausscheidenden Erben entfällt. Der Wert aller auszugleichenden Zuwendungen wird dann dem verbleibenden Nachlass hinzugerechnet. Entscheidend ist der auszugleichende Wert im Zeitpunkt der Zuwendung (§ 2055 BGB, aber: Kaufkraftschwund berücksichtigen). Die Ausgleichung wirkt sich auch auf den Pflichtteil aus (§ 2316 BGB).

    Hat der Erblasser bei einer Zuwendung an einen ausgleichspflichtigen Abkömmling zugleich Anrechnung auf den Pflichtteil angeordnet, so muss zunächst der Pflichtteil unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflicht berechnet werden. Die Zuwendung wird dann aber nur mit der Hälfte seines Wertes vom Pflichtteil abgezogen, um einen doppelten Abzug zu vermeiden (§ 2316 Abs. 4 BGB).

    2.2.3 Pflichtteilsergänzung

    Gemäß § 2325 Abs. 1 BGB kann ein Pflichtteilsberechtigter als Ergänzung seines Pflichtteilsanspruches die Hinzurechnung des Wertes einer Schenkung (§ 516 Abs. 1 BGB) verlangen, die der Erblasser innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Zeitpunkt des Erbfalls einem Dritten gemacht hat (Ausnahme: Anstandsschenkung, § 2330 BGB). Diese Regelung soll verhindern, dass der Erblasser zu Lebzeiten durch Schenkungen an Dritte die Pflichtteilsansprüche naher Angehöriger oder seines Ehegatten verringert. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein rechtlich selbstständiger außerordentlicher Pflichtteilsanspruch, der neben dem ordentlichen steht und von dessen tatsächlichen Bestehen unabhängig ist (Palandt, BGB, 62. Aufl., § 2325 Rz. 2). Gläubiger dieses Anspruchs ist der Pflichtteilsberechtigte aus dem Kreis des § 2303 BGB, Schuldner sind die Erben, bei Versagen richtet sich der Anspruch gegen den Beschenkten (§ 2329 BGB).

    Der Wert der Schenkungen wird für die Berechnung des Pflichtteilsanspruches fiktiv dem Nachlass hinzugerechnet (§ 2325 Abs. 1 BGB). Anzusetzen ist bei verbrauchbaren Sachen der Wert im Zeitpunkt der Schenkung (§ 2325 BGB), jedoch inflationsbereinigt bis zum Zeitpunkt des Erbfalls (Krug, ZEV 00, 41). Unter diese Schenkungen fallen auch gemischte Schenkungen (hier nur der unentgeltliche Teil) und Schenkungen unter Auflage. Ob die Auflage abzuziehen ist, ist umstritten (vgl. Tanck in: Krug/ Rudolf/Kroiß, Erbrecht, § 16, Rz. 195 ff.). Auch ehebezogene Zuwendungen unterliegen grundsätzlich der Pflichtteilsergänzung.

    Praxishinweis: Der Schutzgedanke setzt voraus, dass die Pflichtteilsberechtigung bereits zum Zeitpunkt der Schenkung z.B. durch Eheschließung, durch Adoption oder durch Geburt eingetreten ist. Wird aber eine Person erst nach der Schenkung Pflichtteilsberechtigter des später verstorbenen Erblassers, steht ihr kein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu (BGH 25.7.97, MDR 97, 741).

    Eine Schenkung bleibt unberücksichtigt, wenn zur Zeit des Erbfalls mehr als zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes vergangen sind (§ 2325 Abs. 3, 1. HS BGB). Die Fristbestimmung kann unter Umständen problematisch sein. Der Beginn der Zehn- Jahres- Frist (Vollzug der Schenkung) setzt voraus, dass der Erblasser tatsächlich auf den Genuss des verschenkten Gegenstandes verzichtet:

    • Bei einer Grundstücksüberlassung unter Nutzungsvorbehalt beginnt die Frist also nicht zu laufen (BGH 17.1.96, NJW- RR 96, 705).
    • Schenkungen unter freiem Widerrufsvorbehalt gelten als nicht voll- zogen und werden auch außerhalb des Zehn- Jahres- Zeitraumes an- gerechnet (Stahl, KÖSDI 01, 12746).
    • Bei Schenkungen an Ehegatten beginnt die Frist erst mit der Scheidung oder dem Tod des Erblassers zu laufen, selbst wenn die Schenkung Jahrzehnte zurückliegt (§ 2325 Abs. 3, 2. HS BGB).

    3. Durchsetzung

    Abschließend ist auf die Durchsetzung des Pflichtteilsanspruches so wie auf die Verjährung und Stundung des Anspruchs einzugehen.

    3.1 Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten

    Der Pflichtteilsberechtigte hat einen umfassenden Auskunftsanspruch gegen den Erben (§ 2314 BGB). Der Erbe muss Auskunft über den Bestand des Nachlasses erteilen, auf Verlangen ein Bestandsverzeichnis vorlegen und den Wert der Nachlassgegenstände durch einen Sachverständigen ermitteln lassen. Ebenso kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben verlangen, dass das Inventar von einem Notar aufgenommen wird. Hat der Pflichtteilsberechtigte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit des vom Erben erstellten Inventars, muss dieser die Richtigkeit notfalls durch eidesstattliche Versicherung bekräftigen (§ 260 Abs. 2 BGB). Die Kosten hierfür fallen dem Nachlass zur Last (§ 2315 BGB).

    Der Auskunftsanspruch umfasst auch ausgleichspflichtige Zuwendungen und Schenkungen, die möglicherweise den Pflichtteil erhöhen (Palandt, BGB, 62. Aufl., § 2314 Rz. 7). Zur Auskunft sind nicht nur die Erben, sondern grundsätzlich jedermann verpflichtet, der während der letzten zehn Jahre vor Erbfall ein Geschenk vom Erblasser erhalten haben könnte (Palandt, BGB, 62. Aufl., § 2314 Rz. 4).

    3.2 Anspruchsdurchsetzung

    Ist der Pflichtteilsberechtigte schon im Bilde über den Nachlass, kann er Zahlungsklage erheben. Werden dem Pflichtteilsberechtigten Auskünfte vorenthalten, hat er die Möglichkeit, Stufenklage zu erheben. Er kann auch einzeln vorgehen (also erst Auskunftsklage und dann Zahlungsklage). Hier entstehen aber die Gebühren für die einzelnen Prozesse aus zwei Streitwerten und nicht wie bei der Stufenklage aus einem Gesamtstreitwert. Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes seinen Wohnsitz hatte (§ 27 Abs. 1 i.V.m. § 13 ZPO). Der Pflichtteilsberechtigte trägt die Beweislast.

    3.3 Anspruchsverjährung, Stundung des Anspruchs

    Der Pflichtteilsanspruch verjährt grundsätzlich in drei Jahren von dem Zeitpunkt ab, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalles und der ihn beeinträchtigenden Schenkung Kenntnis erlangt hat, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren von dem Eintritt des Erbfalls an (§ 2332 Abs. 1 BGB). Ein Problem mit der Fristberechnung kann sich bei unklarer Testamentslage ergeben:

    Der Pflichtteilsanspruch kann gestundet werden, wenn er die Erben ungewöhnlich hart treffen würde (z.B. Aufgabe eines Familienheims, Zwang zur Veräußerung der Lebensgrundlage; § 2331a BGB). Über die Stundung entscheidet das Nachlassgericht.

    Quelle: Erbfolgebesteuerung - Ausgabe 04/2003, Seite 113

    Quelle: Ausgabe 04 / 2003 | Seite 113 | ID 102547

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