04.02.2010 |Erbschaftsteuerreform
Änderungen des Erbschaftsteuergesetzes durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz
von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster
Dem vom Bundestag beschlossenen Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 18.12.09 zugestimmt. Verabschiedet worden sind auch Änderungen des ErbStG, die aufgrund der Empfehlungen des Finanzausschusses gegenüber dem Gesetzentwurf noch kleinere Änderungen erfahren haben. Die geänderten Regelungen treten teilweise mit Wirkung zum 1.1.10, teilweise aber auch rückwirkend zum 1.1.09 in Kraft. Maßgeblich für den zeitlichen Anwendungsbereich ist der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG).
1. Änderung der Steuersätze
Die Steuersätze in der Steuerklasse II sind mit Wirkung ab 2010 deutlich reduziert worden, sodass sich für 2008, 2009 und 2010 völlig unterschiedliche Steuerbelastungen in der Steuerklasse II ergeben. Bei Erwerben von mehr als 600.000 EUR bis einschließlich 6.000.000 EUR beträgt der Steuersatz - vorbehaltlich Härteausgleich - ab 2010 allerdings im Vergleich zum Jahr 2009 unverändert 30 %. Gegenüber der Rechtslage 2008 sind die Steuersätze der Steuerklasse II mit Wirkung ab 2010 um jeweils 3 % angehoben worden.
Steuersätze der Steuerklasse II ab 1.1.10 | ||||||||||||||||||||||||||||||||
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Steuersätze in der Steuerklasse II für das Jahr 2009 hat sich damit eher noch verschärft. Die verfassungsrechtliche Überprüfung beim BFH steht bereits an - aufgrund eines Vorlagebeschlusses des FG München (FG München 5.10.09, 4 V 1548/09, ErbBstg 10, 1). Der Antragsteller war der Ansicht, dass das ErbStG wegen der Ungleichbehandlung unterschiedlicher Arten von Vermögensgegenständen und unterschiedlicher Erwerbergruppen verfassungswidrig sei.
Beispiel | ||||||||||||
Eine Nichte bekommt von ihrer Tante 120.000 EUR vererbt oder geschenkt.
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Die „Ausnahmebesteuerung“ 2009 erscheint im Verhältnis zur Besteuerung in den Jahren bis einschließlich 2008 und ab 2010 verfassungsrechtlich zumindest bedenklich. Es wäre überzeugender gewesen, die geänderten Steuersätze schon mit Wirkung ab 2009 einzuführen. Nicht auszuschließen wenn nicht gar zu erwarten ist, dass das BVerfG aufgrund des Aussetzungsverfahrens des FG München die Verfassungsmäßigkeit für 2009 überprüfen wird.
2. Lohnsummenklausel und Behaltensregelung
Folgende Änderungen sind rückwirkend ab 1.1.09 und auch für den Fall der Option gemäß Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 ErbStRG (Art. 13a Wachstumsbeschleunigungsgesetz) beschlossen worden:
- Die Lohnsummenklausel wird geändert, indem im Regelfall (85 % Abschlag) der Vergleich mit der Ausgangslohnsumme zeitlich auf fünf Jahre und auf 400 % (bisher 650 % in sieben Jahren) der Ausgangslohnsumme begrenzt wird (§ 13a Abs. 1 S. 2 ErbStG) und im Optionsfall (100 % Abschlag) der Vergleich mit der Ausgangslohnsumme zeitlich auf sieben Jahre und auf 700 % (bisher 1.000 % in zehn Jahren) der Ausgangslohnsumme begrenzt wird (§ 13a Abs. 8 Nr. 1 ErbStG).
- Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten - bisher 10 Beschäftigten - bleibt der Nachweis der Lohnsumme erspart (§ 13a Abs. 1 S. 4 ErbStG).
- Die Behaltensfristen werden von 7 auf 5 Jahre (§ 13a Abs. 5 S. 1 ErbStG, § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG (für Entnahmen) und § 19a Abs. 5 S. 1 ErbStG) und von 10 auf 7 Jahre (§ 13a Abs. 8 Nr. 2 ErbStG, § 19a Abs. 5 S. 2 ErbStG) verkürzt.
Begrüßenswert ist, dass diese Änderungen schon mit Wirkung ab 2009 in Kraft treten, sodass es zumindest insoweit eine ab 2009 einheitliche Rechtslage gibt. Damit werden auch diejenigen von der Neuregelung begünstigt, die bei Erwerben von Todes wegen in den Jahren 2007 und 2008 für das neue Recht optiert haben.
Anzumerken ist allerdings, dass denjenigen, die im Hinblick auf die Dauer der Lohnsummen- und Behaltensfristen von 7 bzw. 10 Jahren auf die Option verzichtet haben, nicht die Möglichkeit eingeräumt worden ist, jetzt doch noch zu optieren, da die Optionsfrist bereits am 30.6.09 abgelaufen ist.
3. Berechnung des Entlastungsbetrags nach § 19a ErbStG
Nach § 19a Abs. 3 ErbStG bemisst sich der auf das Vermögen i.S. des § 19a Abs. 2 ErbStG entfallende Anteil an der tariflichen ErbSt nach dem Verhältnis des Werts dieses Vermögens nach Anwendung des § 13a ErbStG und nach Abzug der mit diesem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden abzugsfähigen Schulden und Lasten (§ 10 Abs. 5 und 6 ErbStG) zum Wert des gesamten Vermögensanfalls i.S. des § 10 Abs. 1 S. 1 und 2 ErbStG ebenfalls nach Abzug der „mit diesem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden abzugsfähigen Schulden und Lasten (§ 10 Abs. 5 und 6 ErbStG)“.
Laut Gesetzesbegründung soll damit klargestellt werden, dass bei der Ermittlung des Verhältnisses zwischen dem Wert des begünstigten Vermögens und dem Wert des gesamten Vermögensanfalls auch letzterer um die damit wirtschaftlich zusammenhängenden abzugsfähigen Schulden und Lasten gemindert wird. Trotz dieser Klarstellung soll die Änderung nicht rückwirkend, sondern erst ab 2010 in Kraft treten.
Dies ist nicht überzeugend, zumal die Verwaltung im Abschn. 40 Abs. 1 S. 3 des Erbschaftsteuererlasses vom 25.6.09 (BStBl I 09, 713 ff.) bereits von dieser Berechnungsmethode ausgeht. Laut Gesetzesbegründung sollen alle nach § 10 Abs. 5 und 6 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden. Damit sind m.E. - aber entgegen dem Erlass - auch die Bestattungskosten in die Verhältnisrechnung einzubeziehen.
Beispiel | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Für die Berechnung der ErbSt und des Entlastungsbetrages gemäß § 19a ErbStG für einen Erwerber der Steuerklasse III ist für die Ermittlung der ErbSt vor Entlastungsbetrag von folgenden Werten auszugehen:
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4. Abschließender Hinweis
Weitere Klarstellungen zu einzelnen Bestimmungen des reformierten ErbStG sind vom Gesetzgeber nicht vorgenommen worden: Beispielhaft seien der Umfang des begünstigten Vermögens, die Anforderungen an einen Poolvertrag, die Abgrenzungsprobleme bei der Prüfung der Zugehörigkeit zum Verwaltungsvermögen, die Berechnung des Anteils des Verwaltungsvermögens, der Abzug von Verbindlichkeiten beim Verwaltungsvermögen sowie Zweifelsfragen bei der Steuerbefreiung für das Familienheim genannt. Es ist wohl davon auszugehen, dass die hieraus resultierenden Streitigkeiten über eine richtige Gesetzesauslegung vor den Gerichten ausgetragen und von diesen - mit welchem Ergebnis auch immer - entschieden werden.