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  • 12.05.2011 | 100 Fragen/100 Antworten

    Strategien zum Schutz des Familienvermögens in besonderen Lebenssituationen (Teil 4)

    von RAin Gabriele Ritter, FA für Steuer- und Sozialrecht, Wittlich

    Im 4. Teil des Beitrags zur Reihe „Strategien zum Schutz des Familienvermögens in besonderen Lebenssituationen“ wird auf erbschafts- und gesellschaftsrechtliche Fragestellungen übergeleitet. Angesichts der Bandbreite der Thematik und der zahlreichen Schnittstellen zu anderen Rechtsgebieten - insbesondere dem Steuerrecht -, können die Fragen nur in ihren Grundzügen behandelt werden.  

     

    Checkliste

     

    61.Vorweggenommene Erbfolge: Ein sinnvolles Instrument der Vermögenssicherung zu Lebzeiten?
    Die vorweggenommene Erbfolge als Form der Vermögensübertragung zu Lebzeiten auf die nächste Generation kann besonders bei der Übertragung größerer Vermögen durch die Nutzung von Steuerfreibeträgen im 10-Jahres Turnus sinnvoll sein. Auch können andere steuerliche Aspekte eine Rolle spielen wie z.B. seinem gut verdienenden Kind bei bestimmten Gestaltungen Einkommensteuervorteile zu gewähren, indem es Sonderausgaben geltend machen kann. Familienunternehmen können nach § 13a ErbStG und § 13b ErbStG unter gewissen Voraussetzungen steuerbegünstigt vererbt oder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen werden, wenn sie 7 Jahre lang unter Erhalt der Arbeitsplätze fortgeführt werden. Wird ein Unternehmen vom Erben/Übernehmer nur 5 Jahre lang gehalten, müssen 15 Prozent des Betriebsvermögens versteuert werden.

     

    Eine vorweggenommene Erbfolge ist auch dann sinnvoll, wenn zu befürchten ist, dass es nach dem Tod des Erblassers Streit unter den Erben gibt oder wenn Betriebsvermögen für die Zukunft abgesichert und nach eigenen Vorstellungen an die nächste Generation weitergegeben werden soll. Zu beachten sind dabei jedoch immer die - oft nachteiligen - Konsequenzen für den Überlasser (Frage 63 ff.).

     

    62.Was bedeutet die vorweggenommene Erbfolge für den Pflichtteil?
    Im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge muss stets der Pflichtteilsanspruch naher Angehöriger oder des Ehegatten beachtet werden. Unter dem Pflichtteil versteht man den gesetzlichen Erbanspruch eines Abkömmlings des Erblassers, der Eltern, der Ehegatten oder des Lebenspartners. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils und ist ein Geldanspruch gegenüber dem bzw. den Erben. Der Pflichtteilsanspruch errechnet sich aus dem Wert des realen Nachlasses am Todestag des Erblassers (BGH 27.1.10, IV ZR 91/09, ZEV 10, 190).

     

    Hat der Erblasser diesen Nachlass aber lebzeitig durch eine Schenkung verringert, so steht dem Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2325 BGB ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu, wenn die Schenkung nicht länger als 10 Jahre zurückliegt. Bei Schenkungen an den Ehegatten des Erblassers hingegen beginnt diese 10-Jahres-Frist nicht vor Auflösung der Ehe. Durch die Übertragung von Vermögenswerten zu Lebzeiten können solche Pflichtteilsansprüche bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche bei entsprechender Gestaltung minimiert werden (zur Pflichtteilsberechnung - BGH 27.1.10, IV ZR 91/09 ZEV 10, 190).

     

    63.Wie wird die vorweggenommene Erbfolge vollzogen?
    Folge der vorweggenommenen Erbfolge ist, dass der Erbe schon zu Lebzeiten des Erblassers etwas erhält, was er sonst später im Rahmen eines Erbgangs erhalten würde. Die Vermögensübertragung erfolgt aufgrund eines Übergabevertrags zwischen dem Erblasser und der von ihm bestimmten Person. Sie kann unentgeltlich oder (teil-)entgeltlich erfolgen. Vollzogen wird die vorweggenommene Erbfolge durch
    • eine Schenkung,
    • eine Schenkung unter Auflage oder
    • eine gemischte Schenkung.

     

    64.Was sind die Nachteile einer vorweggenommenen Schenkung?
    Mit dem Vollzug der Schenkung verliert der Schenker das Eigentum an dem Vermögen und damit in der Regel auch das Verfügungsrecht. Eine Rückforderung oder ein Widerruf der Schenkung kommt gesetzlich nur in wenigen Ausnahmefällen in Betracht (Frage 68).

     

    Neben den gesetzlichen Rückforderungsansprüchen stehen - eventuell - vertraglich geregelte Ansprüche. Der Schenker ist hier in seinen Möglichkeiten nicht beschränkt (Grundsatz der Vertragsfreiheit) und kann Rückgaberechte an die unterschiedlichsten Lebenssituationen knüpfen. Fraglich bleibt aber, ob sich später auch genau der geregelte Sachverhalt realisiert und ob der Schenker tatsächlich diese Rechte ausüben wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Schenkung gegenüber den eigenen Kindern rückgängig gemacht werden soll.

     

    65.Wie können die eigenen Lebensumstände abgesichert werden?
    Die Übertragung von Vermögenswerten im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge kann dazu führen, dass die eigenen Lebensumstände und die der mitzuversorgenden Familienmitglieder nicht mehr ausreichend bestimmt werden können. Denn mit dem Verlust der Eigentümerstellung ist grundsätzlich auch der Verlust über die Verfügungsgewalt verbunden. Die Konsequenzen können insbesondere bei der Frage der persönlichen Bleibe im Alter eine beachtliche Rolle spielen. Daher kann es sinnvoll sein, eine Übertragung gegen Gegenleistungen vorzunehmen. In Betracht kommen insbesondere Nutzungsvorbehalte wie beispielsweise ein Nießbrauchs- oder ein Wohnungsrecht, Versorgungsleistungen wie Rentenzahlungen oder Pflegeverpflichtungen.

     

    Missverständnissen zwischen den Generationen kann vorgebeugt werden, indem Einzelheiten bewusst geregelt werden: Bei Vereinbarung eines Nießbrauchs- oder Wohnrechts verstehen sich die Eltern - gesetzt den Fall, Eltern und Kinder wohnen unter einem Dach -, gerne weiterhin als Eigentümer, während dagegen die Kinder als tatsächliche Eigentümer z.B. Veränderungen am Eigentum vornehmen wollen.

     

    66. Was ist bei der Regelung von Nutzungsvorbehalten oder Versorgungsrechten zu beachten?
    Bei einer Schenkung unter dem Vorbehalt der Einräumung eines Nießbrauchs sollte im Übergabevertrag die Kostentragungspflicht festgelegt werden. Gesetzlich ist der Nießbraucher zur Versicherung der Sache auf seine Kosten und zur Erhaltung der Sache in ihrem rechtlichen Bestand auf eigene Kosten sowie zur Tragung der öffentlichen Lasten (z.B. Grundsteuern) verpflichtet, es sei denn, es handelt sich um außergewöhnliche, nicht laufend wiederkehrende Lasten (z.B. Erschließungskosten).

     

    Bei einer Schenkung unter dem Vorbehalt der Einräumung eines Wohnungsrechts sollte festgehalten werden, welche Räume dem Wohnungsrecht unterliegen. Ferner sollte geregelt werden, wer die Wohnung nutzen darf und ob sie an Dritte überlassen werden kann. Auch sollte Einvernehmen darüber bestehen, wer die mit der Wohnung verbundenen Kosten zu tragen hat. Dies betrifft zum einen die laufenden Kosten, zum anderen aber auch außergewöhnliche Ausbesserungen wie Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen.

     

    Bei dem Rentenversprechen sollten Leistungsbeginn und Fälligkeit bestimmt und bei einer Rente bis zum Lebensende die Höhe an die allgemeine Preissteigerung gekoppelt werden. Im Rahmen der Vereinbarung einer Pflegeverpflichtung sollten insbesondere
    • der Anlass der Pflege (Alter, Krankheit),
    • der Ort der Pflege und
    • der Umfang der Pflegeleistungen (z.B. häusliche Pflege) geregelt werden.

     

    Es kann auch sinnvoll sein zu vereinbaren, dass ein Dritter (z.B. der Hausarzt) verbindlich über den Eintritt des Pflegefalls und den Umfang der notwendigen Pflegeleistungen entscheidet. Für alle eingeräumten Rechte kann eine Regelung für den Fall der Nicht- oder Schlechterfüllung aufgenommen werden.

     

    67.Nach Schenkung kann der Lebensunterhalt nicht mehr bestritten werden - was nun?
    Das BGB kennt verschiedene Unterhaltspflichtige (Frage 1 ff., ErbBstg 11, 51 ff.). Will sich der „verarmte“ Schenker nicht an seine unterhaltspflichtigen Angehörigen wenden, tritt das Sozialamt ein. Stellt dieses eine Notfallsituation fest, leistet es Unterstützung im Rahmen der sozialrechtlichen Bestimmungen. Allerdings hat es die Möglichkeit, Regress gegen die Angehörigen - Verwandte 1. Grades - zu nehmen und gegebenenfalls Ansprüche auf sich überzuleiten. Grundsätzlich kann auf die Unterhaltsverpflichtung im Vorhinein nicht verzichtet werden. Bei der Vertragsgestaltung mit dem Beschenkten kann aber in Grenzen die Unterhaltspflicht eingegrenzt werden. So ist es bei der Regelung einer Pflegeverpflichtung im Fall der Einweisung in ein Pflegeheim wichtig klarzustellen, dass die Pflegeverpflichtung endet. Ungünstigstenfalls kann das Sozialamt den ersparten Zeitaufwand in einen Geldanspruch umwandeln und auf sich überleiten (Frage 16, ErbBstg 11, 55).

     

    68.In welchen Fällen kann eine Rückforderung des Geschenkten in Betracht kommen?
    Gesetzlich geregelt ist der Rückforderungsanspruch wegen groben Undanks des Beschenkten und bei Verarmung des Schenkers. Eine Herausgabe wegen groben Undanks nach den Regelungen der §§ 530 ff. BGB setzt ein erhebliches Zerwürfnis zwischen Schenker und Beschenktem voraus. Seine Geltendmachung ist ausgeschlossen, wenn seit der Verfehlung durch den Beschenkten 1 Jahr vergangen ist, der Schenker dem Beschenkten verziehen hat oder der Schenker verstorben ist.

     

    Gemäß § 529 BGB kann der Schenker innerhalb von 10 Jahren seine Schenkung vom Beschenkten herausverlangen, wenn er nach der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten, oder seiner gesetzlich obliegenden Unterhaltspflicht gegenüber seinen Verwandten, seinem Ehegatten oder seinem früheren Ehegatten nicht nachkommen kann. Die Rückforderung ist aber ausgeschlossen, wenn der Schenker seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Neben den gesetzlichen Rückforderungsansprüchen können die Parteien zusätzlich vertragliche Ansprüche begründen.

     

    Zur Erinnerung: Der Rückforderungsanspruch wegen Verarmung des Schenkers hat große Bedeutung im Sozialregress. Der Sozialhilfeträger kann den Rückforderungsanspruch gemäß § 93 SGB XII auf sich überleiten und auch gegen den Willen des Schenkers gegenüber dem Beschenkten durchsetzen (Frage 14, ErbBstg 11, 54 f.).

     

    69.Kann durch die vorweggenommene Erbfolge das Vermögen gegen Insolvenz geschützt werden?
    Kann der Schenker seine Schulden nach vollzogener Schenkung nicht mehr ausgleichen, so können die Gläubiger die Schenkung unter bestimmten Voraussetzungen nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG) anfechten. So kann die Schenkung innerhalb von 4 Jahren nach der Schenkung angefochten werden, wenn diese unentgeltlich war (§ 4 Abs. 1 AnfG). Wurde ein Vertrag in der Absicht der Gläubigerbenachteiligung geschlossen, kann die Anfechtung bis zu 10 Jahren erfolgen (§ 3 Abs. 1 AnfG). Ein Schutz gegen Insolvenz ist damit nur schwer möglich.

     

    70.Was gilt bei der Übertragung von Ausstattungsgegenständen?
    Denkbar ist, dass Zuwendungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge rechtlich eine Ausstattung ist. Der Begriff der Ausstattung ist in § 1624 BGB definiert. Dabei handelt es sich um eine Zuwendung mit Rücksicht auf die Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbstständigen Lebensstellung eines Kindes zur Begründung oder zur Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung. Die Ausstattung gilt nicht als Schenkung, wenn sie den Umständen und den Vermögensverhältnissen der Eltern entspricht. Gleiches gilt, wenn die Eltern ihrem Kind beispielsweise nach dem Studium und Ausbildung Geld für ein eigenes Geschäft geben. Diese Unterscheidung zur Schenkung hat Folgen insbesondere für das Erbrecht und das Pflichtteilsrecht. Gegenüber der Schenkung besteht der Vorteil, dass eine Rückforderung nach § 528 BGB, beispielsweise bei Sozialhilfebedürftigkeit, bei einer Ausstattung nicht möglich ist. Der Sozialhilfeträger kann dann ein Recht aus § 528 BGB nicht auf sich überleiten.

     

    Die Ausstattung ist gemäß § 2050 Abs. 1 BGB bei der gesetzlichen Erbfolge unter Abkömmlingen auszugleichen, sofern der Erblasser bei der Zuwendung nichts anderes bestimmt hat. Bei der Schenkung ist dies genau umgekehrt geregelt. Gemäß § 2050 Abs. 3 BGB ist eine Ausgleichung nur dann vorzunehmen, wenn dies ausdrücklich bei der Zuwendung vom Zuwendenden so angeordnet wurde. Weil die Ausstattung keine Schenkung ist, gibt es aber keine Pflichtteilsergänzung gemäß § 2325 BGB. Hinsichtlich der Anfechtung gemäß § 4 Abs. 1 AnfG gibt es derzeit keine gesicherte Rechtsmeinung. Nach der für den Beschenkten nachteiligen Ansicht gelten Ausstattungen als unentgeltlich im Sinne des AnfG. Vorsichtshalber sollte man deshalb davon ausgehen, dass auch eine Ausstattung innerhalb der nächsten 4 Jahre durch Dritte angefochten werden kann.

     

    Die Unterscheidung, ob eine Schenkung oder Ausstattung vorliegt, ist im Einzelfall schwierig. Wenn eine Ausstattung vorgenommen wird, sollte das im Vertrag auch klargestellt werden.

     

    71.Erbschaftsteuerliche Aspekte bei vorweggenommener Erbfolge/Kettengeschäfte
    Steuervorteile bei der Vermögensübertragung zu Lebzeiten bestehen unter anderem bei mehrfacher Ausnutzung der allgemeinen Freibeträge. Die persönlichen Freibeträge können alle 10 Jahre genutzt werden. So können zum Beispiel alle 10 Jahre an den Ehegatten 500.000 EUR steuerfrei zugewendet werden. Jedem Kind steht bei Schenkungen eines Elternteils alle 10 Jahre ein persönlicher Freibetrag von 400.000 EUR zu.

     

    Eine steuergünstige Übertragung von Vermögenswerten kann über die Einschaltung eines Zwischenerwerbers erfolgen; auf diese Weise können Freibeträge besser ausgenutzt werden und die Vermögensübertragung über eine günstigere Steuerklasse erfolgen. Die Gefahr bei einer solchen Kettenschenkung besteht darin, dass die Finanzverwaltung von einem Gestaltungsmissbrauch ausgeht und die Schenkung steuerlich als Direktschenkung behandelt; dies gilt insbesondere dann, wenn mit der Schenkung ausdrücklich eine Verpflichtung zur Weitergabe verbunden wird.

     

    72.Wie sieht die erbschaftsteuerliche Begünstigung im Falle des Todes des Erblassers aus?
    Erbt jemand von einem Erblasser, von dem er innerhalb der letzten 10 Jahre davor bereits Schenkungen erhalten hat, werden Erbschaft und Vorschenkungen bei der Erbschaftsteuerberechnung zusammengerechnet. Die Steuer für den Gesamtbetrag wird nach den Tarifvorschriften im Todeszeitpunkt berechnet. Von der festzusetzenden Steuer wird eine fiktive Steuer auf die Vorschenkungen abgezogen. Ist bereits eine Schenkungsteuer bezahlt worden, kann diese angerechnet werden, wenn sie höher als die fiktive Steuer ist.

     

    Erbschaftsteuerliche Probleme können sich in diesem Zusammenhang bei einer Nacherbschaft ergeben, wenn ein Vorerbe dem Nacherben mit Rücksicht auf die angeordnete Nacherbschaft vorweg Vermögensgegenstände des Erblassers überträgt und später auch eigenes Vermögen des Vorerben auf den Nacherben übergeht. Insofern wird verwiesen auf das aktuelle BFH-Urteil vom 3.11.10 (II R 65/09, ZEV 11, 95).

     

    73.Steuerliche Aspekte bei der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen
    Liegt eine Vermögensübertragung gegen lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen vor, kann der Übernehmer in gewissen Fällen seine Aufwendungen als Sonderausgaben steuerlich geltend machen und seine Steuerbelastung mindern. Der Vermögensübergeber hat die bezogenen Leistungen zu versteuern, er unterliegt aber oftmals einem geringeren Einkommensteuersatz, da er z.B. im Ruhestand lebt und keine Einkünfte aus aktiver Tätigkeit mehr erzielt.

     

    Das Rechtsinstitut der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen stützte sich bis zum Ende des Jahres 2007 überwiegend auf Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung. Erst durch das JStG 2008 vom 20.12.07 wurde das Rechtsinstitut in § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG gesetzlich verankert. Die begünstigten Fallkonstellationen wurden dabei auf ihren ursprünglichen Kernbereich zurückgeführt, um missbräuchliche Gestaltungen und Mitnahmeeffekte zu verhindern (BMF 11.3.10, IV C 3 - S 2221/09/10004, BStBl I 10, 227 ff.). Nach dem 31.12.07 sind nur noch folgende Übertragungen gegen Versorgungsleistungen begünstigt:

     

    • Übertragung eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit oder Land- und Forstwirtschaft erzielt. Begünstigt ist auch die Übertragung eines Teils des Mitunternehmeranteils. Ebenso begünstigt ist die Übertragung des Anteils an einer nur teilweise gewerblich tätigen (gewerblich infizierten), nicht jedoch an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft (z.B. an einer vermögensverwaltenden GmbH & Co. KG).

     

    • Übertragung eines Betriebs oder Teilbetriebs. Die Annahme eines Teilbetriebs in diesem Sinne erfordert einen mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteten, organisch geschlossenen Teil des Gesamtbetriebs, der für sich betrachtet alle Merkmale eines einkommensteuerlichen Betriebs aufweist und für sich lebensfähig ist.

     

    • Übertragung eines mindestens 50-prozentigen GmbH-Anteils, wenn der Übernehmer die Geschäftsführungstätigkeit des Übergebers übernimmt. Unschädlich ist, wenn der Übernehmer bereits vor der Übertragung Geschäftsführer der GmbH war. Erforderlich ist, dass der Übergeber seine Geschäftsführertätigkeit insgesamt aufgibt.

     

    Das Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen hat somit deutliche steuerliche Restriktionen erfahren.

     

    74.Was ist bei der Übertragung von Unternehmen/Betrieben zu Lebzeiten zu beachten?
    Hier stellt sich vorrangig die Frage nach der Verfügungsgewalt und Einflussnahme und nach der Verteilung der Erträge. Grundsätzlich verliert der Schenker bei der Übertragung im Wege der Schenkung jegliche Rechte. Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch die Altersvorsorge des Unternehmers. Anstelle der Übertragung gegen Versorgungsleistungen könnte hier über die Einbringung in eine Gesellschaft nachgedacht werden. Rechte des Schenkers können dadurch gesichert werden, dass ihm ein - geringer - Gesellschaftsanteil verbleibt, ihm im Gegenzug jedoch ein Mehrfachstimmrecht eingeräumt wird. Gewinnausschüttungen können ebenfalls abweichend von den Beteiligungsregelungen erfolgen. Bei solchen Gestaltungen ist aber das jeweils für die in Betracht gezogene Gesellschaftsform anwendbare Gesetz und seine Besonderheiten zu beachten. Zu bedenken gilt es auch die gesellschaftsvertragliche Sicherung des Betriebsvermögens, z.B. gegen die ungewollte Weiterveräußerung, sowie die Haftung des Schenkers im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung.

     

    75.Kann die Übertragung von Betrieben mit Nießbrauchsvorbehalt eine Alternative darstellen?
    Die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt zeichnet sich dadurch aus, dass der Nießbraucher über die schuldrechtliche Vereinbarung weiterhin den Ertrag erhält, während der Beschenkte aufgrund seiner Eigentümerstellung die Wertsteigerungen des Unternehmens „mitnimmt“. Damit wird der Unternehmer in die Lage versetzt, seinen Nachfolger schon zu Lebzeiten zu bestimmen. Gleichwohl stehen ihm die Erträge aus dem Unternehmen ganz oder teilweise - je nach vertraglicher Ausgestaltung - unmittelbar zu. Auch können ihm vertraglich Mitwirkungsrechte eingeräumt werden. Einer gesellschaftsrechtlichen Lösung bedarf es insofern nicht.

     

    76.Welche Möglichkeiten bestehen noch hinsichtlich der Unternehmenssicherung?
    Will der Unternehmer möglichst lang die Vollrechte als Eigentümer beibehalten, wäre die Verpachtung des Betriebs denkbar. Der Unternehmer überlässt in diesem Fall seinen Betrieb befristet oder unbefristet an einen Familienangehörigen oder Dritten und zieht über laufende Pachtzahlungen die Früchte des Betriebs. Später kann über die Übertragung des Betriebs nachgedacht werden. Will der Unternehmer zu gesunden und aktiven Zeiten die Unternehmensführung nicht aus den Händen geben, so sollte er jedoch entsprechend Vorsorge für den Fall eines plötzlichen Unfalls treffen. Für solche Fälle ist dringend an die Formulierung einer Vorsorgevollmacht (Frage 48 und Frage 58, ErbBstg 11, 112 und 116) oder einer Betreuungsverfügung (Frage 51, ErbBstg 11, 114) zu denken. Andernfalls erfolgt die weitere Unternehmensführung über einen Betreuer, der vom Betreuungsgericht ernannt wird.

     

    77.Was ist unter einem Familienpool zu verstehen?
    Ein Familienpool ist in der Regel eine vermögensverwaltende Gesellschaft. Der zentrale Aspekt des Familienpools ist, dass die Beteiligung an dem Vermögen über die Beteiligung an der Gesellschaft geregelt wird. Die gewünschten Vermögensgegenstände - zumeist Grundstücke und Wertpapiere - werden auf die Gesellschaft übertragen, sodass die Gesellschaft Eigentümerin des Vermögens wird. Auch können Gesellschaftsanteile über eine solche Gesellschaft verwaltet werden. In der Regel ist diese Gesellschaft nicht unmittelbar operativ tätig. Besteht neben dem privaten Vermögen betriebliches Vermögen, sollte aus steuerlichen Gründen über eine Trennung nachgedacht werden. An der Gesellschaft werden Familienmitglieder beteiligt. Die Übertragung des Vermögens wird nur noch durch den Ein- und Austritt von Gesellschaftern und durch die Veränderung von Beteiligungsquoten gesteuert. In der Regel wird für einen Familienpool die Gesellschaftsform einer Personengesellschaft, also einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, einer Kommanditgesellschaft (Vermögen bleibt Privatvermögen) oder einer GmbH & Co. KG (Vermögen wird Betriebsvermögen) gewählt.

     

    Vorteile eines Familienpools gegenüber konventionellen Gestaltungskonzepten sind: Der Schenker kann sich Mitspracherechte sichern, das Familienvermögen ist vor der Zerschlagung des Vermögens im Rahmen der Erbauseinandersetzung geschützt und über einen entsprechenden Gesellschaftsvertrag lässt sich das Vermögen über Generationen steuern und erhalten.

     

    78.Welche Institutionen sollten bei unternehmerischen Entscheidungen aufgesucht werden?
    Zunächst sollte grundsätzlich - je nach Umfang der Maßnahme - der Steuerberater bzw. das Finanzamt angesprochen werden. Es sind die steuerlichen Vorteile, aber auch die bestehenden Risiken der beabsichtigten Maßnahme zu klären. Im Zweifel kann über den Steuerberater eine Rücksprache mit dem Finanzamt erfolgen. Erforderlichenfalls empfiehlt sich die Stellung eines gebührenpflichtigen Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO, wenn eine steuerliche Unsicherheit existenziell für das Unternehmen sein sollte. Die Finanzverwaltung ist grundsätzlich an eine solche Auskunft gebunden. Neben dem Steuerberater sollte auch ein Rechtsanwalt konsultiert werden, denn nur eine saubere rechtliche Grundlage bietet Gewähr für den gewünschten Erfolg der beabsichtigten Gestaltung. Gleichzeitig ist zu prüfen, ob ein Betriebsübergang mit den Folgen des § 613a BGB vorliegt. Darüber hinaus sind gegebenenfalls folgende Institutionen einzubeziehen:
    • Einschaltung eines Notars: Beurkundung
    • Handelsregister: Prüfung der Eintragung
    • Kammer: Mitgliedschaft in einer Kammer (HWK, IHK)
    • Handwerksrolle: notwendige Eintragung
    • Gewerbeamt: anzeige- oder genehmigungspflichtige Tätigkeit nach der Gewerbeordnung
    • Sozialversicherungsträger: Information der entsprechenden Behörden
    • Banken: Fortgeltung von Darlehen, Bürgschaften u.a.
    • Kunden: Information der Kunden über beabsichtigte Maßnahme

     

    79.Was ist bei Schenkungen an minderjährige Kinder zu beachten?
    Gerne schenken z.B. Großeltern an ihre minderjährigen Enkelkinder Vermögen, um die erbschaftsteuerlichen Freibeträge optimal auszunutzen. Unter Umständen ist allerdings bei einer Schenkung an minderjährige Personen die gerichtliche Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Geschäft nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil für das Kind begründet. Dazu hat sich im Laufe der Jahre eine umfassende Rechtsprechung entwickelt. Beispielsweise wird die Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Anwesens nicht stets als lediglich rechtlich vorteilhaft bewertet. Auch darf etwa mit der Übertragung des Vermögens kein Vorbehalt oder etwa ein Rückforderungsrecht verbunden werden. Selten also können die Eltern das Kind bei Maßnahmen betreffend den geschenkten Vermögensgegenstand wirksam vertreten. Belastungen liegen grundsätzlich nicht im Interesse des minderjährigen Kindes.

     

    80.Wie ist die Schenkung von Gesellschaftsanteilen an Minderjährige zu beurteilen?
    Die Schenkung von Gesellschaftsanteilen an minderjährige Kinder bedarf der Genehmigung durch das Familien- bzw. Vormundschaftsgericht, weil mit dem Erwerb der Beteiligung geschäftliche Risiken verbunden sein können. Nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt soll dies jedoch nicht gelten, wenn es sich um KG-Anteile handelt und die KG kein Erwerbsgeschäft betreibt, z.B. bei einer reinen Grundstücksgesellschaft (OLG Frankfurt 27.5.08, 20 W 123/08, ZEV 08, 607). In ähnlicher Weise wurde entschieden für eine rein vermögensverwaltende KG (OLG München 6.11.08, 31 Wx 76/08, ZEV 08, 609) und für einen voll eingezahlten Kommanditanteil (OLG Bremen 16.6.08, 2 W 38/08, ZEV 08, 608). Gleichwohl handelt es sich hier um Einzelfälle; deshalb sollte auch zur Kostenvermeidung sicherheitshalber das Familiengericht angesprochen werden.
     

     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2011 | Seite 142 | ID 145021

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