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  • · Fachbeitrag · Totenfürsorgerecht

    Zankapfel Grabschmuck

    von RA Dr. Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster

    | Auch über Grabschmuck lässt sich streiten. Der BGH hatte sich aktuell damit zu befassen, ob der Totenfürsorgeberechtigte den Grabschmuck, den ein anderer auf das Grab gelegt hat, entfernen darf. Dazu im Einzelnen: |

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin (T) verlangt u. a. von der Beklagten, ihrer Nichte (N), es zu unterlassen, auf dem Grab des verstorbenen Vaters (V) der T und Großvaters der N Gegenstände abzulegen. V ist in einer Baumgrabstätte bestattet. Diese sind kreisförmig um einen Baum angeordnet und jeweils durch eine Gedenktafel gekennzeichnet. Die Fläche, auf dem sich der Baum und die Gedenktafeln befinden, ist einheitlich bepflanzt und wird durch einen zweireihigen Kreis von Pflastersteinen eingefasst. Nach der Friedhofsordnung ist das Ablegen von Grabschmuck und anderen Gegenständen auf der Grabstätte untersagt. Auf Hinweisschildern wird darüber informiert. Die Klage der T war erfolglos, ihre Berufung aber erfolgreich. Mit ihrer Revision verfolgt die N ihr Klageabweisungsbegehren erfolglos weiter.

     

    • 1. Das Totenfürsorgerecht umfasst u. a. das Recht, für die Bestattung zu sorgen. Dies schließt die Bestimmung der Gestaltung und des Erscheinungsbilds einer Grabstätte ein. Das Totenfürsorgerecht beinhaltet darüber hinaus die Befugnis zu deren Pflege und zur Aufrechterhaltung deren Erscheinungsbilds.
    • 2. Das Totenfürsorgerecht ist ein sonstiges Recht i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB, das im Fall seiner Verletzung Ansprüche auf Schadenersatz sowie auf Beseitigung und Unterlassung von Beeinträchtigungen entsprechend § 1004 BGB begründen kann.

    (Abruf-Nr. 208558)

     

    Entscheidungsgründe

    T hat gegen N einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2, § 823 Abs. 1 BGB, es zu unterlassen, auf dem Baumgrab innerhalb der bepflanzten Grabanlage Gegenstände und auf der gepflasterten Fläche vor der Grabstätte Kunststoffblumen sowie Plastik- oder Glasgegenstände abzulegen.

     

    N hat durch die Ablage von Gegenständen das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte Recht der T auf Totenfürsorge verletzt (OLG Naumburg FamRZ 16, 1106). Das Totenfürsorgerecht umfasst u. a. das Recht, für die Bestattung zu sorgen (BGH FamRZ 16, 301; 92, 657). Es umfasst, die Gestaltung und das Erscheinungsbild einer Grabstätte zu bestimmen. Das Totenfürsorgerecht beinhaltet auch die Befugnis, diese zu pflegen und das Erscheinungsbild aufrechtzuerhalten (OLG Frankfurt NJW-RR 89, 1159; Zimmermann, ZEV 97, 440, 446; a.A. AG Bergen auf Rügen NJW-RR 15, 648). Als Ort des Gedenkens an den Verstorbenen ist die Bedeutung der Grabstätte auch in die Zukunft gerichtet.

     

    Der T steht das Totenfürsorgerecht zu. Maßgeblich für dieses ist der Wille des Verstorbenen (BGH FamRZ 92, 657). Dieser kann u. a. bestimmen, wer seine Belange wahrnehmen soll (BGH NJW 12, 1651). Der Berufene kann den Willen des Verstorbenen auch gegen den Willen von (weiteren) Angehörigen erfüllen (BGH FamRZ 92, 657). Wenn und soweit kein Wille erkennbar ist, kann der Totenfürsorgeberechtigte über Art und Ort der Bestattung entscheiden (BGH NJW 12, 1651). Es genügt, wenn der Wille des Verstorbenen aus den Umständen mit Sicherheit geschlossen werden kann (BGH NJW 12, 1651). Hier hatten beide Eltern T darum gebeten, sich u. a. um die Pflege der Grabstätte zu kümmern.

     

    N hat durch die Ablage der Gegenstände das Totenfürsorgerecht der T verletzt. Sie hat das Erscheinungsbild der Grabstätte unzulässig verändert. Dies widersprach dem Willen des V, der eine naturnahe Gestaltung des Baumgrabs gewünscht hatte. T ist befugt, den vom V geäußerten Willen durchzusetzen.

     

    Abweichendes folgt auch nicht aus § 28 Abs. 7 S. 1 der Friedhofsordnung. Diese Vorschrift regelt nur, wer die Grabstätte anlegt und pflegt. Daraus folgt nicht, dass Totenfürsorgeberechtigte unzulässige Beeinträchtigungen der Grabstätten nicht aus eigenem Recht abwehren könnten. Der Friedhofsordnung oder deren Regelungszusammenhang ist auch nicht zu entnehmen, dass das Verhalten auf dem Friedhof ausschließlich öffentlich-rechtlichen Bindungen unterläge. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass Fragen „konkurrierender Grabnutzungsansprüche“ nur Probleme der „Ordnung auf dem Friedhof“ darstellen, für deren Aufrechterhaltung die Friedhofsverwaltungen zuständig sind (so aber Stelkens/Wabnitz, GewArch Beilage WiVerw 16, 11, 20 f.; Barthel, GewArch Beilage WiVerw 16, 22, 24 jeweils unter Bezug auf LG Bonn MDR 57, 610).

     

    Offenbleiben kann, ob und ggf. inwieweit ein Gemeingebrauch auf Friedhöfen dazu berechtigt, z. B. Grabschmuck niederzulegen, und dies Abwehrrechte von Totenfürsorgeberechtigten einschränkt (dazu Stelkens/Wabnitz, GewArch Beilage WiVerw 16, 11, 20 f.). Denn das Verhalten der N verstieß gegen die Benutzungsvorschriften des Friedhofs und ist nicht vom Gemeingebrauch umfasst.

     

    Die erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch das rechtsverletzende Verhalten der N indiziert (BGH NJW 18, 3506 Rn. 26).

     

    Relevanz für die Praxis

    Wichtig für einen vollstreckungsfähigen Antrag ist eine konkrete Bezeichnung dessen, was zu unterlassen ist:

     

    Musterformulierung / Antrag auf Unterlassung der Ablage von Gegenständen auf der Grabstätte

    ... wird beantragt, es zu unterlassen, auf dem Baumgrab auf dem Friedhof […], Grabbezeichnung: […] Grabnummer: […], Gegenstände oder Blumengebinde oder andere Gegenstände auf dem Grab oder auf der gepflasterten Fläche in Breite des Grabes vor dem Grab abzulegen, die gegen die Friedhofssatzung und Bestimmungen der Gemeinde verstoßen.

     

    Weiterführende Hinweise

     

    • Sonderausgabe EE Rechte und Pflichten rund um die Bestattung
    • Karczewski, ZEV 17, 129, 130
    Quelle: Ausgabe 07 / 2019 | Seite 110 | ID 45894114