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  • · Fachbeitrag · Höferecht

    Grundstücksvermächtnis bei nicht lebensfähigen landwirtschaftlichen Betrieben

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    Grundstücksvermächtnisse zugunsten der weichenden Miterben sind - auch wenn sie zu einer Zerschlagung des zum Hof gehörenden Grundbesitzes führen - nicht nach § 16 Abs. 1 S. 1 HöfeO nichtig, wenn der Hof im Zeitpunkt des Erbfalls kein lebensfähiger landwirtschaftlicher Betrieb mehr ist (BGH 25.4.14, BLw 6/13, n.v., Abruf-Nr. 141723).

     

    Sachverhalt

    Die Mutter (M) der Beteiligten zu 1 bis 3 war Eigentümerin einer ca. 8 ha großen, im Grundbuch (GB) als Hof eingetragenen landwirtschaftlichen Besitzung. Sie hatte den Beteiligten zu 3 testamentarisch zum Hof- und Alleinerben ihres hoffreien Vermögens eingesetzt. Den Beteiligten zu 1 und 2 hatte sie jeweils ein zum Hof gehörendes Grundstück als Vermächtnis zugewendet und ihnen Auflassungsvollmachten unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt. Nach ihrem Tod erklärten die Beteiligten zu 1 und 2 die Auflassung und wurden im GB als Eigentümer der neu gebildeten Grundstücke eingetragen. Eine Zustimmung des Landwirtschaftsgerichts (LWG = AG) zur Verfügung von Todes wegen war nicht beantragt worden. Das LWG hat auf Antrag des Beteiligten zu 3 die Beteiligten zu 1 und 2 verurteilt, der Berichtigung des GB insoweit zuzustimmen, dass die ihnen überlassenen Grundstücke auf das Hofgrundstück zurückübertragen werden. Deren Berufung hat das OLG zurückgewiesen. Die zugelassene Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

    Entscheidungsgründe

    Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

     

    Kein Anspruch gem. § 894 BGB

    Der Beteiligte zu 3 hat keinen Anspruch auf Grundbuchberichtigung, § 894 BGB. Die Auflassungsvollmachten der Beteiligten zu 1 und zu 2 sind nicht nach § 16 Abs. 1 S. 1 HöfeO nichtig. Vollmachten über den Tod hinaus oder auf den Todesfall in Verfügungen von Todes wegen sind zulässig (MüKo/Zimmermann, BGB, 6. Aufl., vor § 2197 Rn. 9, 12). Mit ihnen erwirbt der Bevollmächtigte die Befugnis, innerhalb der ihm eingeräumten Vertretungsmacht über das zum Nachlass gehörende Vermögen in Vertretung des Erben zu verfügen (OLG Frankfurt DNotZ 12, 140, 141). Der Erblasser kann den Vermächtnisnehmer bevollmächtigen, nach seinem Tod unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB den vermachten Gegenstand an sich zu übereignen (OLG München DNotZ 12, 303).

     

    Eine dem Vermächtnisnehmer erteilte Auflassungsvollmacht ist auch wirksam, wenn das Vermächtnis unwirksam ist. Solche Auflassungsvollmachten sind nicht unwirksam, weil mit ihnen nach § 16 Abs. 1 S. 1 HöfeO nichtige Grundstücksvermächtnisse vollzogen werden können. Der Abwehr dieser Gefahr dient der gegenüber dem Grundbuchamt (GBA) nach § 7 Abs. 1 Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG) zu führende Nachweis einer unanfechtbaren behördlichen Genehmigung bzw. richterlichen Zustimmung.

     

    Möglicher Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt BGB

    Möglich ist aber, dass dem Beteiligten zu 3 der hilfsweise geltend gemachte Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt BGB zusteht, wenn die Beteiligten zu 1 und 2 die Grundstücke ohne rechtlichen Grund erlangt haben. Dann müssen sie diese an ihn auflassen. Dies ist der Fall, wenn die Vermächtnisanordnungen nach § 16 Abs. 1 S. 1 HöfeO nichtig wären. Hierzu sind ergänzende Feststellungen zur Lebensfähigkeit des Hofes zum Zeitpunkt des Erbfalls erforderlich. Der landwirtschaftliche Betrieb war im Zeitpunkt des Erbfalls ein Hof i.S. des § 1 HöfeO. Alle in Abs. 1 S. 1 HöfeO bestimmten Voraussetzungen (landwirtschaftliche Besitzung in NRW mit einer zur Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle und ein Wirtschaftswert über 10.000 EUR) lagen vor. M hatte keine sog. negative Hoferklärung nach § 1 Abs. 4 HöfeO gegenüber dem GBA abgegeben. Durch die Vermächtnisanordnungen wurde der Beteiligte zu 3 unzulässig von der Hoferbfolge (§ 4 S. 1 HöfeO) ausgeschlossen, wenn infolge der Abtrennung des zugewendeten Grundstücks vom Hof dessen Fortbestand oder ordnungsgemäße Bewirtschaftung gefährdet oder die Wesensart und der Aufbau des landwirtschaftlichen Betriebs derart geändert werden würde, dass die verbleibende Wirtschaftsart nicht mehr denselben Hof darstellte (BGHZ 3, 392, 393).

     

    Die Feststellung der Nichtigkeit der Grundstücksvermächtnisse nach § 16 Abs. 1 S. 1 HöfeO i.V. mit § 134, § 2171 Abs. 1 BGB setzt ein nach dem Zweck der HöfeO zu schützendes Erbrecht gemäß § 4 S. 1 HöfeO voraus. Daran fehlte es, wenn der Hof im Zeitpunkt des Erbfalls kein leistungsfähiger zu erhaltender Betrieb mehr gewesen wäre. Das LWG muss feststellen, ob es sich noch um einen leistungsfähigen und damit erhaltungswürdigen landwirtschaftlichen Betrieb handelt. Dies steht nicht schon fest, wenn dessen Wirtschaftswert im Zeitpunkt des Erbfalls über dem in § 1 Abs. 1 S. 1 HöfeO bestimmten Betrag von 10.000 EUR lag. Der Wirtschaftswert dient dazu, agrarökonomisch förderungswürdige Betriebe dem Höferecht zu unterstellen, um ihren ungeteilten Bestand zu sichern und agrarökonomisch nicht förderungswürdige Betriebe vom Höferecht auszuschließen (BGHZ 189, 245, 252 = BGH FamRZ 11, 1052). Der Wirtschaftswert i.S des § 1 Abs. 1 S. 1 HöfeO ist der Maßstab, der - sofern der Eigentümer keine Erklärungen zur Hofeigenschaft abgibt - darüber bestimmt, ob der Hof im Interesse des Erhalts eines leistungsfähigen Betriebs in einer Hand bleiben oder nach dem BGB aufgeteilt werden soll (OLG Oldenburg Recht der Landwirtschaft (RdL) 12, 99).

     

    Der Wirtschaftswert ist aber nicht allein maßgebend für die Anwendung der Verbotsnorm des § 16 Abs. 1 S. 1 HöfeO. Der Eingriff in die Testierfreiheit ist auf die Fälle zu beschränken, in denen der Hof im öffentlichen Interesse an leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betrieben als geschlossene leistungsfähige Einheit im Erbgang zu erhalten ist (BGHZ 3, 391, 394). Die HöfeO dient einem öffentlichen Interesse und soll nicht zur sachlich nicht gerechtfertigten Bevorzugung des Hoferben gegenüber den anderen Miterben führen (BGH NJW-RR 13, 713, 715 = ZEV 13, 384). Unvereinbar mit dem Gesetzeszweck wäre es, Vermächtnisanordnungen die rechtliche Anerkennung zu versagen, wenn ein nicht leistungsfähiger Betrieb im Nebenerwerb unter Vermögensgesichtspunkten weitergeführt wird.

     

    Die gegenteilige Auslegung des § 16 Abs. 1 S. 1 HöfeO führte zu sachlich nicht begründbaren Ungleichbehandlungen gleichartiger Sachverhalte. In den Zustimmungsverfahren nach § 16 Abs. 1 S. 2 HöfeO i.V. mit §§ 13 ff. HöfeVfO und in den Genehmigungsverfahren nach §§ 3 ff. GrdstVG darf eine Genehmigung zum Grundstücksvermächtnis nicht versagt werden, wenn der davon betroffene landwirtschaftliche Betrieb mangels Leistungsfähigkeit nichterhaltungswürdig ist, sodass selbst seine Zerschlagung keinen Nachteil für die Agrarstruktur bedeutete (BVerfG RdL 69, 176, 178; BGH RdL 70, 67, 68; OLG Stuttgart RdL 98, 324; 00, 33). Dasselbe gilt für Schenkungen von Grundstücken i.S. von § 1 HöfeO, die allein nach § 2 GrdstVG genehmigungspflichtig sind. Einen sachlichen Grund, die sich auf Grundstücke beziehenden Vermächtnisse anders als Schenkungen solcher Grundstücke zu behandeln, gibt es nicht.

     

    Dem Wirtschaftswert kommt bei der Prüfung, ob ein Vermächtnis nach § 16 Abs. 1 S. 1 HöfeO nichtig ist, eine indizielle Aussagekraft zu. Übersteigt er die gesetzlichen Grenzen, ist von dessen Leistungsfähigkeit auszugehen. Der Vermächtnisnehmer muss, wenn die Vermächtnisanordnung eine Aushöhlung des gesetzlichen Erbrechts des Hoferben bewirkte, darlegen und beweisen, dass es sich bei dem Betrieb um einen im Zeitpunkt des Erbfalls auf Dauer nicht rentablen, deshalb agrarökonomisch nicht förderungswürdigen Betrieb gehandelt hat, an dessen Erhalt kein öffentliches Interesse besteht.

    Praxishinweis

    Nach § 16 Abs. 1 S. 2 HöfeO bedarf ein Grundstücksvermächtnis als eine das Erbrecht des Hoferben beschränkende letztwillige Verfügung der Zustimmung des LWG, soweit für ein entsprechendes Verpflichtungsgeschäft unter Lebenden eine Genehmigung nach dem GrdstVG erforderlich wäre. Das Zustimmungsverfahren nach §§ 13 ff. Verfahrensordnung für Höfesachen (HöfeVfO) ersetzt das Genehmigungsverfahren nach §§ 3 ff. GrdstVG. Die Genehmigungsfiktion des § 7 Abs. 3 GrdstVG ist nicht anwendbar. § 7 Abs. 3 GrdstVG regelt Folgendes: Besteht die aufgrund eines nicht genehmigten Rechtsgeschäfts i.S. von § 2 GrdstVG vorgenommene Eintragung einer Rechtsänderung ein Jahr, gilt das Rechtsgeschäft als genehmigt, es sei denn, dass vor Ablauf dieser Frist ein Widerspruch im GB eingetragen oder ein Antrag auf GB-Berichtigung oder ein Antrag oder ein Ersuchen auf Eintragung eines Widerspruchs gestellt worden ist.

     

    § 7 Abs. 3 GrdstVG bezieht sich nur auf die mit der Lenkung des Grundstücksverkehrs geschützten öffentlichen Interessen. § 16 Abs. 1 S. 1 HöfeO soll demgegenüber verhindern, dass das Erbrecht des Hoferben durch eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Hofes beeinträchtigende Vermächtnisanordnung des Erblassers ausgehöhlt wird (BGHZ 3, 391, 393). Insofern werden auch die Interessen des Hoferben geschützt (BGHZ 118, 361, 362 f. = BGH FamRZ 92, 1068). § 7 Abs. 3 GrdstVG ist damit auch nicht entsprechend anwendbar. Die Verbotsnorm des § 16 Abs. 1 S. 1 HöfeO steht neben dem Zustimmungserfordernis, § 16 Abs. 1 S. 2 HöfeO. Die Genehmigungsfiktion greift auch, wenn ein Grundstücksvermächtnis vollzogen worden ist. Zwar bedarf das Vermächtnis selbst als Verfügung von Todes wegen (§§ 1939, 2147 BGB) keiner Genehmigung nach § 2 GrdstVG, wohl aber die in deren Erfüllung erfolgte Auflassung, die ein genehmigungsbedürftiges Veräußerungsgeschäft unter Lebenden darstellt.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 128 | ID 42775626