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  • · Fachbeitrag · Transmortale Vollmacht

    Auslegung einer Erklärung als transmortale Vollmacht und Erlöschen durch Konfusion?

    von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a. D., Vallendar

    | Im Rahmen einer Grundbuchbeschwerde hatte das OLG Bremen darüber zu entscheiden, ob eine Erklärung als transmortale Vollmacht auszulegen ist. Dabei hat das Gericht auch zu der Problematik Stellung genommen, ob eine transmortale Vollmacht dann erlischt, wenn die beiden gemeinschaftlich Bevollmächtigten auch die gemeinschaftlichen Erben des zuletzt verstorbenen Vollmachtgebers sind. |

     

    Sachverhalt

    Die Beteiligten haben bei dem AG Bremen ‒ Grundbuchamt ‒ einen Antrag auf Eintragung eines Eigentumswechsels gestellt. Mit notarieller Urkunde hatten die Beteiligten zu 1 und 2 als Bevollmächtigte der im Grundbuch eingetragenen A und B das Eigentum am verfahrensgegenständlichen Grundstück auf die Beteiligte zu 3 übertragen. Zum Nachweis der Vollmacht haben sie sich auf eine notarielle Urkunde berufen. Die Vollmachtgeber, die eingetragenen Eigentümer, sind beide im Jahr 2022 verstorben.

     

    Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung mitgeteilt, dass der beantragten Grundbucheintragung ein Eintragungshindernis entgegenstehe, weil die Vollmacht der verstorbenen Eigentümer an die Söhne nicht explizit über den Tod hinaus erteilt worden sei. Es hat den Antragstellern daher aufgegeben, einen Erbnachweis nach den verstorbenen Eigentümern vorzulegen. Gegen diese Zwischenverfügung wenden sich die Beteiligten zu 1 bis 3 mit ihrer Beschwerde, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen und diese dem OLG Bremen zur Entscheidung vorgelegt hat.

     

    Auf die Beschwerde hat das OLG Bremen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts aufgehoben und diesem aufgegeben, über den Eintragungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden (OLG Bremen 31.8.23, 3 W 15/23, Abruf-Nr. 237534).

     

    Entscheidungsgründe

    Die Auslegung der Vollmacht, deren Text keinen Hinweis darüber enthalten habe, ob sie auch über den Tod der Vollmachtgeber hinaus gelten solle, ergebe, dass sie für die im Vordergrund stehenden Vermögensangelegenheiten auch über den Tod hinaus gelten sollte und es deshalb einer Anwendung der Zweifelsregelung des § 672 Abs. 1 S. 1 BGB nicht bedürfe. Grundsätzlich gelte für diese Auslegung, je mehr der Auftragsgegenstand auf die Person und die persönlichen Verhältnisse ‒ hingegen weniger auf das Vermögen ‒ des Auftraggebers zugeschnitten ist, desto eher sei anzunehmen, dass der Auftrag mit dem Tod des Auftraggebers erlöschen solle.

     

    Der Vollmachtserklärung sei nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass ihr Zweck darin bestehe, die Bestellung eines Betreuers zu vermeiden. Inhaltlich nehme die Vollmacht nämlich ausdrücklich auf vermögensrechtliche Vertretungsfälle Bezug und sie habe konkrete Vertretungsfälle benannt. Aus dem Text der vorgelegten Erklärung werde deshalb deutlich, dass die Vollmachtgeber mit der Vollmacht ab dem Zeitpunkt, zu dem sie selbst nicht mehr dazu in der Lage waren, vor allem ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten geregelt wissen wollten. Ein besonderer Bezug zu persönlichen Angelegenheiten (z. B. Zustimmungen zu Heilbehandlungen etc.) sei gerade nicht ersichtlich.

     

    In einem „obiter dictum“ hat der Senat weiter ausgeführt, dass nach seiner Auffassung die Vollmacht auch nicht dadurch erloschen sei, dass beide gemeinschaftlich Bevollmächtigte auch gemeinschaftliche Erben des zuletzt verstorbenen Vollmachtgebers geworden sein sollten (so auch: KG ZEV 21, 332; a. A. OLG Hamm FGPrax 13, 148; differenzierend: OLG München ZEV 16, 659).

     

    Es könne dahingestellt bleiben, ob die Vollmacht tatsächlich wegen Konfusion erlösche, wenn der (die) Bevollmächtigte(n) (Allein-)Erben des Vollmachtgebers werden (OLG Hamm a. a. O.). Im Interesse eines reibungslosen Rechtsverkehrs sei die Legitimationswirkung der Vollmacht (§ 172 BGB) in jedem Fall als fortbestehend anzusehen, wenn sie dem bevollmächtigten Erben weitergehende Handlungsmöglichkeiten eröffne und schutzwürdige Interessen nicht entgegenstünden (KG a. a. O.). Solange ein Erbschein nicht vorgelegt werde, könne und dürfe das Grundbuchamt auf die Legitimationswirkung der Vollmacht vertrauen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Auch nach den §§ 672, 675 BGB führt der Tod des Vollmachtgebers im Zweifel nicht zur Beendigung des der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses. Leider hat das OLG Bremen in der Entscheidung keine Einzelheiten und auch nicht eine eventuelle Überschrift der erteilten Vollmacht mitgeteilt. Dem Sachverhalt kann allerdings entnommen werden, dass es sich um eine notariell beurkundete „Vorsorgevollmacht“ handelte, die sowohl Vermögensgeschäfte als auch die Gesundheitsvorsorge umfasste und keine Regelung darüber enthielt, ob diese Vollmacht über den Tod hinaus wirken sollte. Deshalb gilt nach zutreffender Auffassung für die Auslegung, dass darauf abzustellen ist, ob der Auftragsgegenstand mehr auf die Person und die persönlichen Verhältnisse (dann Erlöschen der Vollmacht, vgl. OLG München ZEV 14, 615) oder auch explizit auf das Vermögen des Auftragsgebers (dann Weitergeltung der Vollmacht, vgl. OLG Bremen) zugeschnitten ist.

     

    PRAXISTIPP | Da die typische Vorsorgevollmacht sowohl den persönlichen Bereich als auch Vermögensangelegenheiten regelt, ist zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten dringend eine ausdrückliche Regelung zu empfehlen, ob die Vollmacht über den Tod hinaus gilt. Eine solche Regelung könnte wie folgt lauten: „Die erteilte Vollmacht soll als transmortale Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus gelten.“ Grundverhältnis und Vollmacht wirken dann über den Tod des Vollmachtgebers hinaus. Nach dessen Tod übt der Bevollmächtigte seine Vertretungsmacht, die sich nur auf den Nachlass bezieht, für die Erben aus. Allerdings können die Erben die Vollmacht widerrufen.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2023 | Seite 183 | ID 49753437