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  • 28.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132724

    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Beschluss vom 25.02.2013 – 10 WF 204/12

    1. Zum Umfang des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 26 FamFG bei der Beurteilung, ob eine Erbausschlagung für ein minderjähriges Kind gemäß § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB familiengerichtlich zu genehmigen ist.
    2. Nicht ausreichend ist es, allein gerichtsinterne Nachfragen bei verschiedenen Abteilungen des Gerichts vorzunehmen, wenn Anhaltspunkte für eine Überschuldung des Nachlasses bestehen, etwa durch vorausgegangene Erbausschlagungserklärungen näherer Verwandter des Kindes.


    OLG Schleswig
    25.02.2013
    10 WF 204/12
    Tenor:
    Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ratzeburg vom 5. Oktober 2012 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung und Verhandlung an das Amtsgericht Ratzeburg zurückverwiesen.
    Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Auslagen nicht erstattet.
    Gründe
    1
    I.
    Aus der nichtehelichen Beziehung der Kindesmutter mit dem Kindesvater stammen die am 8. November 1996 und 22. November 2000 geborenen Kinder A und B. Die Kindesmutter übt die elterliche Sorge allein aus.
    2
    Nach dem Ableben des Großvaters der Kindesmutter, des Herrn G, am 6. September 2011, hat zunächst die Tochter des Verstorbenen, Frau E, als gesetzliche Erbin die Erbschaft durch Erklärung vom 20. Oktober 2011 ausgeschlagen. Hierdurch fiel die Erbschaft an ihre volljährigen Kinder, Frau N sowie den Kindesvater, als Miterben. Frau N schlug mit Erklärung vom 20. Oktober 2011 die Erbschaft sowohl für sich als auch gemeinsam mit Herrn M, dem Vater der Kinder X und Y, für diese Kinder aus. Bereits mit Erklärung vom 18. Oktober 2011 hatte der Kindesvater seinerseits die Erbschaft für sich ausgeschlagen.
    3
    Kraft gesetzlicher Erbfolge waren damit die minderjährigen Kinder A und B Miterben geworden. Mit Erklärung vom 20. Oktober 2011 hat die Kindesmutter in Vertretung der Kinder die Erbschaft für diese ausgeschlagen und zugleich die familiengerichtliche Genehmigung der Erbausschlagung beantragt.
    4
    Das Familiengericht hat A, da dieser bereits älter als 14 Jahre ist, mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und der Kindesmutter mit Verfügung vom gleichen Tag aufgegeben, weitere Informationen zu einer eventuellen Überschuldung des Nachlasses binnen zwei Wochen mitzuteilen. Zudem wurde der Kindesmutter Gelegenheit gegeben, zur beabsichtigten Bestellung eines Ergänzungspflegers für B Stellung zu nehmen. Das Familiengericht veranlasste zudem am 14. Dezember 2011 Anfragen beim Schuldnerverzeichnis, beim Vollstreckungsgericht, beim Insolvenzgericht sowie beim Grundbuchamt hinsichtlich weiterer Informationen zum Nachlass. Vorgänge waren bei diesen Stellen nicht vorhanden, Grundbesitz auf den Namen des Verstorbenen wurde nicht ermittelt. Die Kindesmutter teilte mit Schreiben vom 22. Februar 2012 dem Familiengericht mit, dass sie keinen Kontakt zum Verstorbenen gehabt habe und ihr deshalb auch nicht bekannt sei, wovon er gelebt habe, ob Schulden existierten oder ob er andere Werte besessen habe. Mit Schreiben vom 22. Februar 2012 forderte das Familiengericht die Kindesmutter nochmals auf, die Überschuldung des Nachlasses in geeigneter Form nachzuweisen. Auf weitere Nachfragen des Gerichts reagierte die Kindesmutter nicht mehr. Die Neue Lübecker fragte als ehemalige Vermieterin beim Gericht an, ob Erben vorhanden seien. Auf gerichtliche Nachfrage teilte die Neue Lübecker mit, dass offene Forderungen gegen den Verstorbenen nicht bestünden. Das Familiengericht bestimmte für den 2. Oktober 2012 Termin zur Anhörung der Kindesmutter und von A, zu dem niemand erschien.
    5
    Mit dem angefochtenen Beschluss vom 5. Oktober 2012 versagte das Familiengericht die Erteilung der familiengerichtlichen Genehmigung für die Erbausschlagung. Ein Ergänzungspfleger war nicht bestellt. Das Familiengericht begründete die Entscheidung damit, dass die Kindesmutter nicht dargelegt habe, dass die Erbausschlagung dem Kindeswohl entspreche. Die Ermittlungen des Gerichts hätten keine Überschuldung aufgezeigt.
    6
    Gegen den ihr am 12. Oktober 2012 zugestellten Beschluss hat die Kindesmutter mit Schreiben vom 19. Oktober 2012, beim Amtsgericht am gleichen Tag eingegangen, "Widerspruch" für die Kinder eingelegt.
    7
    Auf den Hinweis des Senats hat die Kindesmutter am 20. Februar 2013 die Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht beantragt.
    8
    II.
    Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde gegen die familiengerichtliche Entscheidung führt zur Aufhebung dieser Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht gemäß § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG.
    9
    Zwar ist das Familiengericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Erbausschlagung durch die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter der familiengerichtlichen Genehmigung gemäß § 1643 Abs. 2 S. 1 BGB bedarf, da die Erbschaft den Kindern durch die Ausschlagung des nicht vertretungsberechtigten Kindesvaters angefallen und damit der Ausnahmetatbestand des § 1643 Abs. 2 S. 2 BGB nicht einschlägig ist.
    10
    Allerdings leidet das familiengerichtliche Verfahren an einem wesentlichen Mangel. Das Familiengericht hat den Sachverhalt nur ungenügend aufgeklärt. Im Verfahren zur familiengerichtlichen Genehmigung einer Erbausschlagung gilt der Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 FamFG. Das Familiengericht trifft die Pflicht, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen sorgfältig aufzuklären und hierbei sämtliche Umstände zu ermitteln, die ihm eine Prüfung und Gesamtwürdigung ermöglichen, ob eine Erbausschlagung dem Kindeswohl (§ 1697a BGB) entspricht oder nicht (Büte, in Gerhardt / v. Heintschel-Heinegg / Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 9. Auflage 2013, 5. Kapitel Rn. 11 und 46). Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Aufklärung des Sachverhalts durch das Familiengericht zu stellen sind, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls und die in Betracht kommenden Aufklärungsmöglichkeiten an. Das Gericht ist nicht verpflichtet, allen nur denkbaren Möglichkeiten nachzugehen. Die richterliche Aufklärungspflicht ist aber verletzt, wenn Ermittlungen nicht durchgeführt worden sind, zu denen nach dem Vorbringen der Beteiligten und dem Sachverhalt als solchen Anlass bestand (Keidel-Sternal, FamFG, 17. Auflage 2011, § 26 Rn. 17 m. w. Nachw.).
    11
    Vorliegend genügt es nicht, nur gerichtsintern bei verschiedenen Abteilungen zur Existenz von Vorgängen zum Verstorbenen nachzufragen. Auch die einmalige, erfolglose Bestimmung eines Anhörungstermins reicht nicht aus. Eine Verfahrensbeendigung ohne persönliche Anhörung wegen unentschuldigten Ausbleibens ist zudem nur nach vorherigem Hinweis auf diese Möglichkeit zulässig (vgl. § 34 Abs. 3 S. 2 FamFG). Gegebenenfalls wären die Kindesmutter sowie die Kinder gemäß §§ 159, 160 FamFG erneut zu einem Anhörungstermin zu laden und ihr Erscheinen notfalls durch Ordnungsmittel sicherzustellen, falls die Anhörung zugleich der Sachverhaltsaufklärung dienen soll (hierzu Keidel-Meyer-Holz, FamFG, aaO., § 34 Rn. 42) und aus Sicht des Familiengerichts erforderlich erscheint. Soweit die Kindesmutter erklärt hat, aufgrund fehlenden Kontakts zum Verstorbenen über keine Informationen zu dessen Vermögen zu verfügen, können von ihr möglicherweise keine weiteren Darlegungen verlangt werden. Insbesondere ist die Kindesmutter zwar gehalten, im Verfahren mitzuwirken. Sie ist allerdings nicht verpflichtet, von sich aus weitere Nachforschungen zum Nachlass anzustellen.
    12
    Als weitere Informationsquellen im Rahmen der Amtsermittlung kommen hier insbesondere diejenigen Familienmitglieder des Verstorbenen in Betracht, die die Erbschaft wegen der angeblichen Überschuldung bereits ausgeschlagen haben. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass das Familiengericht bei diesen mit Namen und Anschrift bekannten Personen nachgefragt hat. Im Rahmen der gerichtlichen Aufklärung sowie der Kindeswohlprüfung wird unter Umständen auch zu berücksichtigen sein, dass bereits eine Reihe von dem Verstorbenen näher verwandten Personen die Erbschaft mit der Begründung einer Überschuldung des Nachlasses ausgeschlagen haben, so dass durchaus Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, die Erbausschlagung diene dem Kindeswohl.
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    Die insoweit veranlassten weiteren Ermittlungen und gegebenenfalls persönlichen Anhörungen sind durch das Familiengericht vorzunehmen, zumal die in Betracht kommenden Auskunftspersonen im Bezirk des Familiengerichts wohnhaft sind. Der Senat weist für das weitere Verfahren vorsorglich darauf hin, dass die familiengerichtliche Entscheidung auch dem Kind persönlich bekanntzugeben ist, wenn dieses - wie hier - A älter als 14 Jahre ist (§§ 41 Abs. 1 S. 1, 7 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG). Zudem ist auch hinsichtlich der minderjährigen B zu bedenken, dass die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter an der Entgegennahme eines die Ausschlagung genehmigenden Beschlusses gehindert und deshalb zumindest hierfür ein Ergänzungspfleger zu bestellen sein dürfte (vgl. OLG Köln FamRZ 2012, 42 f.).
    14
    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84 FamFG, 20 FamGKG.

    RechtsgebieteBGB, FamFGVorschriften§ 1643 Abs. 2 S. 1 BGB § 1697a BGB § 26 FamFG § 34 Abs. 3 S. 2 FamFG § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG