07.01.2015 · IWW-Abrufnummer 173999
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 14.10.2014 – 2 Sa 135/14
In dem Rechtsstreit
pp.
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 14.10.2014 durch die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin und den ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 13.03.2014 - 5 Ca 1852c/ 13 - wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 13.03.2014 - 5 Ca 1852c/ 13 abgeändert:
Die Kosten des Rechtstreits werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage, ob dem Kläger Vergütung für Bereitschaftsstunden, Überstundenzuschläge, Nachtzuschläge sowie eine monatliche Wechselschichtzulage für den Zeitraum vom 01.06.2012 bis zum 31.08.2013 zusteht.
Der Kläger ist am ...1955 geboren. Bei der Beklagten ist er seit Mai 1983 als ziviler Angestellter in dem Bundeswehr-Dienstleistungszentrum K... beschäftigt. Seit dem 01.06.1993 ist er als Motorenwärter auf dem Federal German Ship (FGS) "F..." tätig. In seiner Tätigkeitsdarstellung (Bl. 18-19 d. A.) werden seine Aufgaben im Bereich "Schiffsantrieb" wie folgt beschrieben:
- Bedienen, Warten und Pflegen der Maschinenanlagen und Einrichtungen
- Mitarbeit beim Boots- und Schiffssicherungsdienst
- Schiffswache im Hafen und Seebetrieb
- Wahrnehmen der Aufgaben eines Lagerhalters.
Auf sein Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung. Der Kläger ist in Entgeltgruppe 6, Stufe 6 eingruppiert. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 39 Stunden.
Die FGS "F..." lag vom 05.07.2012 bis zum 17.10.2013 für Wartungsarbeiten in einer Werft in W.... Der Kläger arbeitete in diesem Zeitraum ausschließlich im Hafendienst. Zu seinen Aufgaben während der Werftliegezeit zählen Instandhaltungsarbeiten, anfallende Wartungsarbeiten und die Übernahme von militärischen und nautischen Sicherheitsdiensten.
Die militärische und die seemännische Sicherheit ist ununterbrochen 24 Stunden pro Tag und sieben Tage die Woche zu gewährleisten. Die Organisation des Hafenwachdienstes richtet sich nach einem Wachschema (Anl. K3, Bl. 21 - 23 d. A.), wonach der Hafenwachdienst im Zeitraum von Montag 0:00 Uhr bis Donnerstag 24:00 Uhr in drei Schichten im aktiven Dienst zu leisten ist, und zwar:
Die zweite Schicht dient der Überbrückung zwischen Schicht 1 und 3 und wird aus dem Tagesdienst abgedeckt. Für die Schichten 1 und 3 bleiben in einem täglich wechselnden Rhythmus je drei Besatzungsmitglieder nach Dienstende an Bord.
Für die Werftliegezeit galt seit dem 01.06.2012 ein besonderer Dienstplan (Anl. K2, Bl. 20 d. A.). Danach verteilte sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit wie folgt:
- Montag bis Mittwoch: 6:30 Uhr bis 11:30 Uhr / 12:00 Uhr bis 17:00 Uhr
- Donnerstag: 6:00 Uhr bis 11:30 Uhr / 12:00 Uhr bis 15:30 Uhr
Weiter ist Folgendes vorgesehen:
Für den Zeitraum vom 01.06.2012 bis 02.09.2012 galten vom üblichen Wachschema abweichende Schichten:
- Schicht 1: 0:00 Uhr bis 12:00 Uhr
- Schicht 2: 12:00 Uhr bis 24:00 Uhr.
Soweit der Kläger danach nicht als Wachgänger eingeteilt war, arbeitete er entsprechend dem besonderen Dienstplan für die Dauer der Werftliegezeit.
Während des Hafenwachdienstes nimmt der Kläger Aufgaben der militärischen und seemännischen Sicherheit wahr. Eine komplette Wachschicht setzt sich aus 8 Stunden aktivem Dienst inklusive Gangwaypostenzeit und 4 Stunden Bereitschaft zusammen. In diesen 4 Stunden hält sich der Arbeitnehmer unter Anwesenheit an Bord jederzeit zur Arbeitsaufnahme bereit. Im Wege einer Faktorisierung zahlt die Beklagte je 12-Stunden-Schicht das Entgelt für 8 Arbeitsstunden. Die Schicht wird nur dann voll vergütet, wenn der Kläger innerhalb des Bereitschaftszeitraumes zum aktiven Dienst herangezogen wurde.
Die über 39 Stunden pro Woche hinaus geleisteten Stunden werden nach dem Wachschema als Überstunden betrachtet, wenn sie nicht bis zum Ende der darauf folgenden Woche in Freizeit abgegolten werden. Für die im aktiven Dienst geleisteten Wachstunden im Zeitraum von Freitag bis Sonntag wird diese Vorgabe beachtet. Die Bereitschaftszeiträume bleiben stets unberücksichtigt. Bereitschaftszuschläge werden nicht gewährt. Nachtzuschläge werden für die Wachschichten im Zeitraum von Freitag 0:00 Uhr bis Sonntag 24:00 Uhr nicht geleistet. Eine Wechselschicht- oder Schichtzulage wird nicht gezahlt.
Mit mehreren Schreiben vom 24.10.2012 (Bl. 39 - 43 d. A.) beantragte der Kläger die Bezahlung erbrachter regelmäßiger Arbeitszeit im Umfang von 138,40 Stunden, von 40 Anwesenheits- bzw. Bereitschaftsstunden, die Zahlung einer Schichtzulage, die Zahlung von Nachtzuschlägen bezogen auf 271 Stunden, die Zahlung von Überstundenzuschlägen bezogen auf 125,30 Stunden sowie Samstagszuschlägen, bezogen auf 16 Stunden, rückwirkend ab dem 1.5.2012. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 26.10.2012 (Bl. 44 - 45 d. A.). Auf den Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 15.11.2012 (Bl. 46 d. A.) wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass die Geltendmachung seiner Forderungen mit Schreiben vom 24.10.2012 der Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist gegolten habe. Mit weiteren Schreiben vom 20.03.2013 (Bl. 47 - 52 d. A.) und mit Schreiben vom 11.09.2013 (Bl. 53 - 55 d. A.) wiederholte der Kläger seine Forderungen und erweiterte sie für den Zeitraum vom 01.04.2013 bis zum 31.08.2013.
Mit der am 01.11.2013 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Er hat die Auffassung vertreten, er habe für den Zeitraum von Freitag 0:00 Uhr bis Sonntag 24:00 Uhr im Rahmen des übernommenen Hafenwachdienstes im Zwei-Schicht-Modell rückwirkend vom 01.06.2012 bis einschließlich 31.08.2013 Zahlungsansprüche.
Für jede Wachstunde, auch für die Bereitschaftszeiträume während der Wachstunden, sei das volle Entgelt zu zahlen. Dies folge aus § 46 Nr. 11 Abs. 3 S. 2 Nr. 1b TVöD-BT-V. Er sei während des Wachdienstes an einen vorgeschriebenen Platz, das Schiff, gebunden. Diese Tätigkeit sei mit den im Klammerzusatz beispielhaft aufgeführten Decks-, Maschinen-, Brücken- oder Ankerwachen, bei denen es sich um Seewachen handele, vergleichbar. Während der Werftliegezeiten sei als Aufenthaltsort für den gesamten Hafenwachdienst das gesamte Schiff festgelegt. Auch während des Bereitschaftsdienstes sei er verpflichtet, an Bord zu bleiben.
Im Zeitraum vom 01.06.2012 bis 31.08.2013 seien ihm insgesamt 172 Bereitschaftsdienststunden nicht vergütet worden. Hierfür sei ein Betrag von 2.684,44 EUR zu zahlen. Darüber hinaus habe er Anspruch auf Zahlung eines Überstundenzuschlags für diese Bereitschaftsstunden in Höhe von insgesamt 727,88 EUR. Für 216 Arbeitsstunden, die er im selben Zeitraum freitags bis sonntags im Rahmen von Nachtarbeit geleistet habe, verlange er 608,40 EUR. Zudem stehe ihm eine Wechselschichtzulage i.H.v. 105 EUR monatlich zu, weil er ständig Wechselschichtarbeit leiste. Er sei im Wechsel in allen fünf Schichten des Dienstplanes rund um die Uhr eingesetzt. Während der 15 Monate vom 01.06.2012 bis 31.08.2013 seien insgesamt 1.575,00 EUR angefallen.
Vorsorglich für den Fall, dass der übernommene Wachdienst als Anwesenheitswachdienst nach § 46 Nr. 11 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 a) und b) S. 2 TVöD-BT-V einzuordnen sein sollte, hat der Kläger neben der Wechselschichtzulage folgende Ansprüche geltend gemacht:
- Vergütung von Bereitschaftsdienst, weil die Beklagte die Regelung des § 46 Nr. 11 S. 3 S. 2 Nr. 2 a) und b) S. 2 TVöD-BT-V falsch anwende, indem sie die vollen 12 Stunden einer Wachschicht faktorisiere.
- Zahlung eines Überstundenzuschlages nach § 8 Abs. 1 S. 2 a) TVöD-AT bezogen auf 2,67 Stunden je 12-Stunden-Schicht, bei 114,67 Stunden insgesamt 485,27 EUR.
- Nachtzuschläge gem. § 6 Abs. 5 ArbZG wegen fehlender tarifvertraglicher Ausgleichsregelung in Höhe eines Zuschlages von 25 %, insgesamt 739,70 EUR.
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Sie hat die geltend gemachten Ansprüche geleugnet und vorgetragen, während der 12-stündigen Wachdienste in der Zeit von Freitag 0:00 Uhr bis Sonntag 24.00 Uhr sei der Kläger nicht an einen vorgeschriebenen Platz gebundenen. Ein vorgeschriebener "Platz" im Tarifsinn könne lediglich ein gesonderter Platz auf dem Schiff, nicht jedoch das gesamte Schiff sein. Der Kläger wechsele innerhalb der 12-Stunden-Wachschicht die Wachaufgaben und damit den Wachort bzw.-platz. Während der ersten 4 Stunden sei eine Raum/Brandwache oder Gangway/Zugangskontrolle vorgesehen. Während des anschließenden vierstündigen Bereitschaftsdienstes könne der Kläger sich an einem beliebigen Ort an Bord aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeitsleistung aufzunehmen. Während der letzten 4 Stunden laufe er Ronden, d.h. er mache Wachrundgänge.
Da die Voraussetzungen der Wachdienste nach Ziffer 1 a) oder b) nicht erfüllt seien, liege zwangsläufig ein Anwesenheitswachdienst nach Nr. 11 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 vor.
Aufgrund der Besonderheiten des Bereitschaftsanteils bei einer 12-Stunden-Wache von 4 Stunden hätten die Tarifvertragsparteien vereinbart, dass die gesamte Wachdauer nur faktorisiert als entgeltrelevante Arbeitszeit angerechnet werde.
Der Kläger habe auch nicht Anspruch auf die Zahlung von Überstundenzuschlägen in der Zeit von Freitag bis Sonntag im Rahmen der geleisteten Anwesenheitswachdienste. Auch hier finde die bereits erwähnte Faktorisierung Anwendung. Zuschläge seien nur für Arbeitszeiten zu zahlen, für die eine Entgeltberechtigung vorliege, d.h. im konkreten Fall 8 Stunden pro Wachschicht. Diese Überstundenzuschläge seien unstreitig regelmäßig ausgezahlt worden.
Nachtzuschläge seien bei allen Formen des Wachdienstes nicht zu zahlen.
Eine Wechselschichtzulage könne der Kläger nicht verlangen. Voraussetzung sei, dass eine Wechselschichttätigkeit vorliege. Der Kläger arbeite aber nicht "rund um die Uhr" in allen Schichten, sondern lediglich an durchschnittlich 3,6 Tagen. Den Erfassungsbögen der individuellen Arbeitszeit sei eindeutig zu entnehmen, dass der Kläger mehrheitlich innerhalb seiner regulären Arbeitszeit eingesetzt sei.
Im Übrigen seien seine Ansprüche auf Zahlung verfristet. Die Schreiben des Klägers vom 24.10.2012 genügten nicht den Anforderungen an eine Geltendmachung. Für die Beklagte sei nicht hinreichend deutlich, woraus sich die Zahlungsansprüche im Einzelnen ergeben würden. Die Geltendmachung sei somit erst mit der Klageerhebung am 01.11.2013 erfolgt.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 13.03.2014, auf das hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens sowie der Entscheidungsgründe verwiesen wird, die Beklagte verurteilt, an den Kläger 739,70 EUR brutto als Zeitzuschläge für Nachtarbeit im Zeitraum vom 01.06.2012 bis einschließlich 31.08.2013 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.11.2013 zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen.
Gegen dieses dem Kläger am 03.04.2014 und der Beklagten am 07.04.2014 zugestellte Urteil haben der Kläger am 05.05.2014 und die Beklagte am 28.04.2014 Berufung eingelegt, die der Kläger am 03.06.2014 und die Beklagte nach Verlängerung am 10.07.2014 begründet hat.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt er vor, er habe Anspruch auf Verg ütung seiner Bereitschaftsstunden. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei er während der Wachdienste anlässlich der Werftliegezeiten in W... ortsgebunden gewesen. Der Wachdienst sei mit dem während der Seewachen vergleichbar, jedoch mit dem Unterschied, dass im Hafen bzw. in der Werft auch die militärische und nautische Sicherheit zu gewährleisten sei. In dieser Zeit bestehe erhöhte Brand- und Unfallgefahr. Sowohl auf See als auch im Hafen bewege er sich im Rahmen seiner Wache durch die einzelnen Abteilungen des Schiffs. Hieraus folgten besondere Erschwernisse. Die vorgeschriebenen Rundgänge seien nicht in das Belieben der Wachgänger gestellt, so dass es nicht zutreffe, dass er sich in dieser Zeit frei auf dem Schiff bewegen könne. Ihm stehe der Gesamtbetrag von 2.684,44 EUR zu. Zur Berechnung wird auf die Seiten 7 und 8 der Berufungsbegründung (Bl. 211, 212) verwiesen.
Auch Überstunden- und Nachtarbeitszuschläge seien zu leisten. Der Anspruch folge aus § 8 TVöD-AT. Die Beklagte müsse für Überstunden 727,88 EUR und für Nachtarbeit 608,40 EUR vergüten. Zur Berechnung wird auf die Seiten 9 und 10 der Berufungsbegründung (Bl. 213, 214) verwiesen.
Auch ein Anspruch auf Wechselschichtzulage stehe ihm zu. Als Motorenwärter zähle er zu den nautischen Beschäftigten. Die Tatsache, dass er auch Schiffswachen im Hafen- und Seebetrieb übernehme, mache ihn nicht zum Wachmann. Der Anspruch auf Wechselschichtzulage betrage 1.575 EUR. Zur Berechnung wird auf Seite 11 bis 13 der Berufungsbegründung (Bl. 215-217) verwiesen.
Hilfsweise trägt er vor, dass die Faktorisierung sich nur auf den Bereitschaftsdienstanteil im Umfang eines Drittels einer 12-Stunden-Schicht beziehe. Dies ergebe eine Auslegung des Tarifvertrags. Auch die gelebte Tarifpraxis bis Mai 2010 zeige, dass dies der Fall sei. Ausgehend von 172 Bereitschaftsstunden ergebe sich eine entgeltrelevante Zeit von 114,67 Stunden, mithin eine Nachforderung von 1.789,68 EUR. Der Überstundenzuschlag sei in diesem Fall auf 485,27 EUR zu reduzieren
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Sie meint, dem Kläger stehe nicht volles Entgelt für die Wachstunden zu. Der Kläger habe während der 12-Stunden-Schichten des Hafenwachdienstes lediglich 8 Stunden aktiven Dienst geleistet. 4 Stunden seien auf Bereitschaftsdienst entfallen, so dass die inaktive Zeit nicht weniger als ein Drittel der Gesamtzeit betrage. Der Kläger sei auch nicht verpflichtet, den zwölfstündigen Wachdienst ausschließlich im Freien abzuleisten oder sich auf Anordnung oder infolge besonderer Umstände an einem vorgeschriebenen Platz aufzuhalten. Er habe sich während des Bereitschaftsdienstes auf dem Schiff frei bewegen können. Eine Bindung an einen vorgeschriebenen Platz im Tarifsinn liege nicht darin, dass er das Schiff nicht verlassen dürfe. Ein Rundgang sei nicht eine Bindung an einen vorgegebenen Platz. Der Wachdienstleistende befinde sich in Bewegung und müsse nicht an einem Ort ausharren. Eine Ortsbindung gebe es nur während des Zeitabschnitts, in dem Wachleute als Posten eingesetzt seien. Dieser Zeitabschnitt betrage lediglich ein Drittel des Wachdienstes.
Überstundenzuschläge könne der Kläger nicht verlangen. Nur die Stunden, die als Arbeitszeit vergütet werden, könnten mit Überstundenzuschlägen versehen werden. Dies sei die Zahl der faktorisierten Stunden. Hieraus folgende Überstundenzuschläge habe der Kläger erhalten.
Auch eine Wechselschichtzulage stehe dem Kläger nicht zu. Er leiste nicht ständig Wechselschichtarbeit.
Auch eine Neuberechnung der faktorisierten Stunden könne der Kläger nicht verlangen. § 46 Abs. 3 lege ein zwingendes Vergütungssystem für Wachdienste zu Grunde, bei denen Wachschichten bis zu 12 Stunden verlängert werden, weil in erheblichem Umfang Bereitschaftsdienst anfalle. Das System sei nur sinnvoll anwendbar, wenn sich die Faktorisierung auf sämtliche Stunden der Wachschicht beziehe, gleichgültig ob aktiv oder inaktiv.
Das Urteil des Arbeitsgerichts sei jedoch insoweit unrichtig, als die Beklagte zur Zahlung verurteilt worden sei. Eine Anspruchsgrundlage für die Zahlung von Nachtzuschlägen in Wachdiensten gebe es nicht. Nach § 46 Nr. 12 Abs. 6 TVöD-BT-V seien Nachtzuschläge ausgeschlossen. § 6 Abs. 5 ArbZG schaffe nicht eine Anspruchsgrundlage. Danach sei eine angemessene Arbeitsbefreiung oder ein angemessener Zuschlag zu leisten, wenn es für Nachtarbeit keine tarifvertragliche Ausgleichsregelung gebe. Eine tarifvertragliche Regelung gebe es in § 46 Nr. 11 Nr. 2. Mit dieser seien alle Erschwernisse abgegolten, die sich während eines Nachtwachdienstes ergeben könnten. In Kenntnis der Besonderheiten von Nachtwachenschichten von Besatzungen von Seefahrzeugen im Bereich des Bundes, Verteidigungsministeriums hätten die Tarifvertragsparteien zusätzliche Nachtzuschläge nicht für erforderlich gehalten.
Der Kläger sei nicht Nachtarbeitnehmer, denn er müsse normalerweise nicht Nachtarbeit in Wechselschicht leisten. Er brauche auch nicht an 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit zu leisten. Im Jahr 2012 habe er an 36 Tagen Nachtarbeit geleistet.
Die Beklagte beantragt,
Der Kläger beantragt,
Der Kläger erwidert, er habe einen Anspruch auf Nachtarbeitszuschlag bezogen auf 216 Arbeitsstunden. Entgegen der Auffassung der Beklagten existiere keine tarifvertragliche Ausgleichsregelung. Der Ausgleich für Sonderformen der Arbeit sei in § 8 TVöD-AT geregelt. Dort sei ein Nachtarbeitszuschlag "je Stunde" tatsächlicher Arbeitsleistung vorgesehen.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
1. Der Kläger hat nicht Anspruch auf Vergütung der Wachstunden über die von der Beklagten über die je Schicht abgerechneten 8 Stunden hinaus.
Die Berechnung der geleisteten Wachstunden ergibt sich aus § 46 Nr. 11 Abs. 3 TVöD-BT-V. Danach ist es zulässig, für Beschäftigte, die über 10 Stunden hinaus zum Wachdienst herangezogen werden, Wachschichten bis zu 12 Stunden festzusetzen, wenn in dem Wachdienst in erheblichem Umfang Bereitschaftsdienst fällt. Über die Berechtigung, den Kläger zu Wachschichten bis zu 12 Stunden heranzuziehen, besteht Einigkeit.
Die Beklagte hat das Entgelt, dessen Bemessung des Entgelts während der Wachdienste in Nrn. 1 und 2 geregelt ist, zutreffend mit 8 Stunden je Wachschicht abgerechnet.
Die Voraussetzungen für die volle Vergütung für jede Wachstunde nach Nr. 1 liegen nicht vor. Unstreitig umfasst der Bereitschaftsdienst während der Wache ein Drittel der Gesamtwachzeit, so dass ein Anspruch nach Nr. 1a ausscheidet.
Auch nach Nr. 1b ergibt sich kein Anspruch. Der Kläger leistet unstreitig nicht Wachdienste ausschließlich im Freien. Auch ist er nicht infolge besonderer Umstände an einen vorgeschriebenen Platz gebunden. Entgegen seiner Auffassung ergibt sich die Bindung an einen vorgeschriebenen Platz nicht daraus, dass er während der Wachschichten verpflichtet ist, sich auf dem Schiff und ggf. der Pier zwischen Vor- und Achterleine aufzuhalten. Anders als in den in Ziff. 1b aufgezählten Beispielsfällen kann der Kläger sich im Rahmen des jeweiligen Wachauftrags auf dem Schiff bewegen. Die Beispiele "Decks-, Maschinen-, Brücken- oder Ankerwachen" beschreiben Fälle, in denen eine enge örtliche Eingrenzung erfolgt. Wie die Erläuterungen des Klägers in der Berufungsverhandlung deutlich gemacht haben, ist er z.B. im Fall der Maschinenwache verpflichtet, sich bei den Maschinen aufzuhalten und darf die Maschinenräume nur auf Weisung des Ingenieurs verlassen.
Wie ein Vergleich der in Nr. 1 genannten Fälle zeigt, sollen durch die volle Vergütung in diesen Fällen Erschwernisse, die sich aus den Umständen der Arbeit ergeben, ausgeglichen werden. So soll nach Nr. 1a ein Ausgleich erfolgen, wenn weniger als ein Drittel der Gesamtwachzeit auf Bereitschaftsdienst fällt. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Regelarbeitszeit von 8 Stunden überschritten wird. Nr. 1b, 1. Alt. trägt der zusätzlichen Belastung durch Wachdienste, die ausschließlich im Freien geleistet werden, Rechnung. Bei derartigen Wachdiensten sind die Wachgänger sämtlichen klimatischen Einflüssen - Regen, Schnee, Kälte, Hitze - ausgesetzt. Nr. 1b, 2. Alt berücksichtigt, dass sich durch eine Bindung an einen vorgeschriebenen Platz zusätzliche über die normalen Arbeitsbedingungen hinausgehende Belastungen ergeben. Voraussetzung ist mithin, dass sich gegenüber der üblichen Arbeit eine Mehrbelastung ergibt. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn der Kläger sich auf dem gesamten Schiff bewegen kann. Seiner Tätigkeit an Bord ist es immanent, dass er an das Schiff gebunden ist. Käme eine andere Bewertung in Betracht, wäre, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hinweist, die Regelung in § 46 Nr. 11 Abs. 3 TVöD-BT-V überflüssig.
Die vom Kläger zu leistenden Wachdienste sind mithin die in Nr. 2 genannten Anwesenheitswachdienste, die nicht den Besonderheiten in Nr. 1 unterliegen. Die Anwesenheitswachdienste sind aber von der Beklagten ordnungsgemäß vergütet worden, nämlich je Wachschicht von 12 Stunden mit 8 Stunden. Ein darüber hinausgehender Anspruch ergibt sich nicht.
2. Der Kläger hat auch nicht Anspruch auf Zahlung von Überstundenzuschlägen.
Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind Überstunden nicht zu vergüten, da gemäß § 46 Nr. 11 Abs. 3 Nr. 2 TVöD-BT-V eine Faktorisierung vorsieht. Für Wachschichten von 12 Stunden werden 8 Stunden vergütet. Zusätzliche Leistungen für die 4 Bereitschaftsdienststunden sind nicht vorgesehen. Diese Faktorisierung bezieht sich auf die gesamte geleistete Wachschicht, nicht nur auf die tatsächlich geleisteten Stunden, sondern auch auf die Bereitschaftsstunden innerhalb der Schicht (LAG Niedersachsen Urteil vom 09.05.2014 - 6 Sa 1281/13 - [...]).
Auf § 8 TV öD Allgemeiner Teil kann nicht zurückgegriffen werden, da § 46 Nr. 12 TVöD-BT-V eine Sonderregelung enthält.
3. Ein Zeitzuschlag für Nachtarbeit ergibt sich nicht aus § 8 Abs. 1 S. 2b TVöD-AT. Ein Zeitzuschlag ist nach § 46 Nr. 12 Abs. 6 TVöD-BT-V ausgeschlossen.
4. Auch eine monatliche Wechselschichtzulage kann der Kläger nicht beanspruchen.
§ 8 Abs. 5 TVöD-AT setzt voraus, dass ständig Wechselschicht geleistet wird. Wechselschicht im Sinne des § 7 Abs. 1 TVöD-AT ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird.
Der Kläger behauptet nicht, dass er ständig im Hafen im Wachdienst eingesetzt war. Vielmehr ergibt sich aus den Erfassungsbögen zur individuellen Arbeitszeit (Anlage K 11, Bl. 56), dass er nicht regelmäßig im Wachdienst, sondern in seiner normalen Arbeitszeit eingesetzt war.
Voraussetzung für den Anspruch auf die Zulage für eine ständige Wechselschichtarbeit gem. § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD ist, dass er tatsächlich in allen tariflich geforderten Schichten die Arbeitsleistung tatsächlich erbracht wird (BAG Urteil vom 24.03.2010 - 10 AZR 58/09 - DB 2010,1765 = NZA 2010,958). Werden aber auch Bereitschaftsdienste geleistet, wird nicht "ununterbrochen" i. S. des § 7 Abs. 1 TVöD gearbeitet. Damit entsteht nicht ein Anspruch auf Zahlung einer Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 TVöD-AT (BAG Urteil vorn 24.09.2008 - 10 AZR 770/07 - DB 2009,184 = NZA 2009,272).
5. Der Kläger kann auch nicht hilfsweise Neuberechnung der faktorisierten Bereitschaftsstunden verlangen.
§ 46 Nr. 11 Abs. 3 TVöD-BT-V sieht dies nicht vor. Im Gegenteil ergibt sich aus S. 1, dass Wachschichten bis zu 12 Stunden verlängert werden können, wenn in erheblichem Umfang Bereitschaftsdienst anfällt. Abs. 3 enthält ein vollständiges Vergütungssystem für Besatzungen von Binnen- und Seefahrzeugen und von schwimmenden Geräten im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung, die zum Wachdienst herangezogen werden. Die Faktorisierung der Wachstunden ist integraler Bestandteil der gesamten Regelung. Fällt ein Teil der vereinbarten Regelung fort, entfällt auch der Zusammenhang der gesamten Regelung.
Soweit der Kläger sich auf eine abweichende Handhabung bis zum Jahr 2010 beruft, kann dies den Anspruch nicht begründen. Zwar kann eine abweichende Tarifpraxis zur Auslegung herangezogen werden. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung entsteht jedoch hierdurch nicht (BAG Urteil vom 15.03.2011 - 9 AZR 799/09 - [...]).
Die Berufung des Klägers ist daher insgesamt zurückzuweisen.
II. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das angefochtene Urteil ist, soweit es die Beklagte zur Zahlung verurteilt hat, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat nicht Anspruch auf Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen i.H.v. 739,70 EUR für die Nachtarbeit während der Werftliegezeiten. Nach § 46 Nr. 12 Abs. 6 TVöD-BT-V wird bei allen Formen des Wachdienstes im Sinne der Nr. 11 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 der Zeitzuschlag nach § 8 Abs. 1 b und f TVöD-AT nicht gezahlt. Diese Vorschrift verstößt nicht gegen § 6 Abs. 5 ArbZG, wonach der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu zahlen hat, soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen.
Entgegen der Auffassung des Klägers besteht hier eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung, nämlich § 46 Nr. 12 Abs. 6 TVöD-BT-V, der vorsieht, dass bei allen Formen des Wachdienstes im Sinne der Nr. 11 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ein Zeitzuschlag nicht gezahlt wird. Hierbei handelt es sich, obwohl eine Nichtzahlung geregelt wird, um eine Ausgleichsregelung im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG.
Zwar stellt eine tarifliche Regelung, die sich darin erschöpft, den Anspruch auf Nachtarbeitszuschlag auszuschließen, nicht eine Ausgleichsregelung im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG dar (BAG Beschluss vom 26.04.2005 - 1 ABR 1/04 - NZA 2005,884 = DB 2005,2030). Vorliegend stellt die tarifvertragliche Regelung aber deshalb eine Ausgleichsregelung dar, weil die Sonderformen der Arbeit, insbesondere die Wachdienste eigens in § 46 Nr. 11 TVöD-BT-V geregelt sind. Die tarifliche Regelung stellt ein Gesamtpaket dar, in dem der Ausschluss des Nachtarbeitszuschlags lediglich ein Bestandteil des Gesamtsystems ist.
Hinzu kommt, dass der Kläger nicht Nachtarbeitnehmer ist, wie § 6 Abs. 5 ArbZG es voraussetzt. § 2 Abs. 5 ArbZG legt fest, dass Nachtarbeitnehmer im Sinne des Gesetzes Arbeitnehmer sind, die entweder aufgrund ihrer Arbeitszeitgestaltung normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht zu leisten haben oder Nachtarbeit an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leisten. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er hat in dem streitbefangenen Zeitraum von 15 Monaten 93 Wachschichten geleistet, davon 45 Nachtschichten.
Die Klage ist daher auch insoweit abzuweisen.
Die Kostenregelung ergibt sich aus § 91 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen.
Verkündet am 14.10.2014