17.02.2023 · IWW-Abrufnummer 233839
Landgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 02.11.2022 – 2-04 O 20/22
Zum Nachweis der Rechtsnachfolge von Todes wegen durch ein Europäisches Nachlasszeugnis im gerichtlichen Erkenntnisverfahren ist regelmäßig die Vorlage einer beglaubigten Abschrift erforderlich. Die Vorlage anderer Urkunden, die nur Rückschlüsse auf den Inhalt des Zeugnisses gestatten, genügt nicht.
LG Frankfurt 4. Zivilkammer
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten um mögliche Schadensersatzansprüche aus Anwaltshaftung.
Im Jahr 1979 wurde mithilfe öffentlicher Mittel auf dem Grundstück der Großmutter der Kläger, ... in Frankfurt am Main, ein Mehrfamilienhaus mit zwölf Wohneinheiten und 639,60 qm Wohnfläche errichtet, das der Mietpreisbindung unterlag. Das Amt für Wohnungswesen der Stadt Frankfurt am Main bewilligte der Großmutter der Kläger zur Mitfinanzierung des Baus des Mehrfamilienhauses ein Darlehen im Wege des geförderten Wohnungsbaues. Nach dem Tod der Großmutter im ... 2011 erbte die Mutter der Kläger und deren Schwester das Grundstück. Sie zahlten die öffentlichen Mittel vorzeitig zurück. Die Bindungsfrist endete am 31.12.2016.
Am 03.03.2014 bat die Mutter der Kläger das Stadtplanungsamt der Stadt Frankfurt am Main um Übersendung einer Kopie der letzten Wirtschaftlichkeitsberechnung der Liegenschaft, die ihr mit Schreiben vom 11.03.2014 übersandt wurde. Ab dem 01.01.2014 lag die monatliche Miete bei 4,47 €/qm.
Die Mutter der Kläger erwarb am 08.05.2014 im Rahmen einer Teilungsversteigerung durch Zuschlag das Grundstück. Sie beantragte bei der Stadt Frankfurt am Main am gleichen Tag die Festsetzung der Kostenmiete auf 6,36 €/qm.
Mit Schreiben vom 12.06.2014 stimmte die Stadt Frankfurt am Main der beantragten Festsetzung der Kostenmiete auf 6,36 €/qm nicht zu, sondern lediglich in Höhe von 4,62 €/qm. Dem Schreiben beigefügt war eine von der Stadt durchgeführte Wirtschaftlichkeitsberechnung.
Der Beklagte, ein zugelassener Rechtsanwalt, wurde im November 2017 mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Mutter der Kläger beauftragt, wobei zwischen den Parteien im Einzelnen streitig ist, zwischen wem genau das Mandatsverhältnis zustande kam. Gegenstand der Beauftragung war insbesondere die Prüfung möglicher Amtshaftungsansprüche gegen die Stadt Frankfurt am Main wegen der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsberechnung aus dem Jahre 2014.
Die Mutter der Kläger beantragte am 28.12.2017 beim Amtsgericht Wedding den Erlass eines Mahnbescheides. Wegen des genauen Inhalts des Antrages wird auf Bl. 152 f. d. A. Bezug genommen. Der Mahnbescheid wurde der Stadt Frankfurt am Main am 12.02.2018 zugestellt. Ebenfalls am 28.12.2017 versandte die Mutter der Kläger ein Schreiben an die Stadt Frankfurt am Main, in dem sie die Stadt zur Zahlung von Schadensersatz aus Amtshaftung aufforderte. Wegen des weitergehenden Inhalts des Schreibens wird auf Bl. 155 f. d. A. verwiesen. Nach Widerspruch und Abgabe des Verfahrens an das Landgericht Frankfurt am Main, das unter dem Aktenzeichen 2-04 O 224/18 geführt wurde, wurde sie am 18.07.2018 zur Anspruchsbegründung angefordert. Mit Schriftsatz vom 24.08.2018 zeigte der Beklagte die Vertretung der Mutter der Kläger an und beantragte zugleich, die Frist zur Anspruchsbegründung bis zum 30.09.2018 zu verlängern. Eine Anspruchsbegründung fertigte er nicht.
Die Mutter der Kläger kündigte mit Schreiben vom 18.06.2019 das Mandatsverhältnis mit dem Beklagten und beauftragte den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger mit der Anspruchsbegründung in dem Verfahren 2-04 O 224/18. Dieser meldete sich am 20.08.2019 zur Akte und verfasste am 24.12.2019 eine Anspruchsbegründung. Wegen Einzelheiten wird auf Bl. 33 ff. der beigezogenen Akte 2-04 O 224/18 verwiesen.
Das Landgericht Frankfurt am Main wies mit Urteil vom 26.05.2021 die Klage aufgrund Verjährung ab.
Die Kläger behaupten, alleinige Erben ihrer Mutter zu sein. Sie tragen vor, ihrer Mutter seien infolge der unterbliebenen Erteilung der Genehmigung zur Erhöhung der Kostenmiete durch die Stadt Frankfurt am Main ab dem 01.06.2014 Mieteinnahmen in Höhe von 91.088,58 € entgangen, für deren Erstattung der Beklagte hafte. Sie sind der Ansicht, der Beklagte habe den ihrer Mutter gegen die Stadt Frankfurt am Main zustehenden Amtshaftungsanspruch verjähren lassen, indem er die Anspruchsbegründung gegenüber dem Landgericht Frankfurt am Main nicht angefertigt habe. Infolge des Verlustes der Klage habe ihre Mutter Prozess- und Anwaltskosten in Höhe von 11.942,11 € gezahlt. Sie machen zudem geltend, der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt im Rahmen von Mandatsgesprächen auf fehlende Erfolgsaussichten eines Vorgehens aus Amtshaftung gegen die Stadt Frankfurt am Main hingewiesen.
Die Kläger beantragen,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger Prozess- und Rechtsanwaltskosten aus dem verlorenen Prozess in Höhe von EUR 11.942,11 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger den Schaden aus entgangenen Mieten, der auf Grund der Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden konnte, in Höhe von 91.088,58 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. den Zinsschaden als Hauptforderung in Höhe von 9.270,23 € an die Kläger zu erstatten,
4. festzustellen, dass der Beklagte den Klägern auch die zukünftigen Schäden, die nicht geltend gemacht werden konnten, da die Feststellungsklage ebenfalls auf Grund der Verjährung gescheitert ist, zu ersetzen hat in Höhe von monatlich EUR 821,65 für 2022, monatlich EUR 915,34 € ab dem Jahre 2023, sodann turnusmäßiger Mietanpassung in Höhe von 15 % alle 3 Jahre bis zum Erreichen der ortsüblichen Vergleichsmiete der dann verbleibenden vor 1.1.2017 abgeschlossenen Mietverträge (sog. „Altmietverträge“).
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte stellt eine Pflichtverletzung in Abrede. Er ist der Ansicht, Amtshaftungsansprüche der Mutter der Kläger gegen die Stadt Frankfurt am Main hätten von vornherein nicht bestanden, weshalb kein Schaden eingetreten sei. Zur Geltendmachung einer Erhöhung der Kostenmiete hätte es einer Genehmigung der Stadt Frankfurt am Main nicht bedurft; vielmehr hätte die Mutter der Kläger die Erhöhung aus eigenem Recht vornehmen können. Er meint weiterhin, etwaige Amtshaftungsansprüche seien in dem Zeitpunkt bereits verjährt gewesen, als er mit der Anspruchsbegründung betraut worden sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Im Termin am 02.11.2022 haben die Kläger zum Nachweis ihrer Erbenstellung eine Kopie über eine Eintragungsbekanntmachung an dem Flurstück ... Flur ... Flurstück ... vorgelegt. In dieser Kopie sind die Kläger als Eigentümer des genannten Grundstücks in Erbengemeinschaft angegeben und als Grundlage der Eintragung ist ein Europäisches Nachlasszeugnis vom 27.06.2022, ausgestellt durch einen Wiener Notar, angegeben. In der mündlichen Verhandlung ist darauf hingewiesen worden, dass dies zum Nachweis der Erbenstellung nicht hinreicht. Die Verhandlung ist bis zum Ende der Sitzung unterbrochen worden. Bei Wideraufruf der Sache am Ende der Sitzung ist für die Parteien niemand erschienen. Die Kammer hat ein klageabweisendes Urteil verkündet. Nach dem Ende der Sitzung und dem Schluss des Sitzungstags hat Richter Steinmann in seinem Zutragsfach auf der Geschäftsstelle beglaubigte Abschriften zweier Europäischer Nachlasszeugnisse vorgefunden. Angebracht war auf einem Klebezettel ein Vermerk der Geschäftsstelle, wonach der Kläger zu 1. die Dokumente um 11:40 Uhr persönlich auf der Geschäftsstelle der Kammer abgab.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 675, 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1922 BGB.
Das ursprüngliche Mandatsverhältnis, das die Grundlage des Regressprozesses bildet, kam nicht zwischen dem Kläger zu 1) und dem Beklagten zustande, sondern vielmehr zwischen dem Beklagten und der Mutter der Kläger. Denn ausweislich der auf Bl. 158 d. A. befindlichen Vollmacht, die am 13.11.2017 von ihr unterzeichnet wurde, bevollmächtigte sie den Beklagten in Sachen „... ./. Stadt Frankfurt am Main“ zur außergerichtlichen Vertretung.
1. Die Kläger haben nicht den ihnen obliegenden Beweis erbracht, dass sie ihre Mutter beerbt haben und damit nach § 1922 BGB Inhaber eines möglichen Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten aus Anwaltshaftung (§§ 675, 280 BGB) geworden sind.
Der Beklagte hat die Rechtsnachfolge von Todes wegen zulässigerweise bestritten.
a) Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Kläger zum Beweis einer Erbenstellung der Kläger eine Kopie über eine Eintragungsbekanntmachung betreffend das Flurstück ... Flur ... Flurstück ... vorlegen lassen. In dieser Kopie sind die Kläger als Eigentümer des genannten Grundstücks in Erbengemeinschaft angegeben, und als Grundlage der Eintragung ist ein Europäisches Nachlasszeugnis vom 27.06.2022, ausgestellt durch einen Wiener Notar, angegeben.
Nach Art. 69 Abs. 1 VO (EU) 650/2012 (Europäische Erbrechtsverordnung ‒ EuErbVO) entfaltet ein Europäische Nachlasszeugnis seine Wirkungen in allen Mitgliedstaaten, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Gemäß Art. 69 Abs. 2 EuErbVO wird vermutet, dass das Zeugnis die Sachverhalte, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht oder einem anderen auf spezifische Sachverhalte anzuwendenden Recht festgestellt wurden, zutreffend ausweist und dass die Person, die im Zeugnis als Erbe genannt ist, die in dem Zeugnis genannte Rechtsstellung und/oder die in dem Zeugnis aufgeführten Rechte oder Befugnisse hat und dass diese Rechte oder Befugnisse keinen anderen als den im Zeugnis aufgeführten Bedingungen und/oder Beschränkungen unterliegen. Diese Beweiswirkung des Europäische Nachlasszeugnisses wird nach der Konzeption der EuErbVO durch die Vorlage einer beglaubigten Abschrift entfaltet (vgl. Art. 70 Abs. 3 EuErbVO und Erwägungsgrund 71, S. 6 EuErbVO). Zwar ist die Vorlage der beglaubigten Abschrift gegenüber derjenigen Person oder Stelle, gegenüber der das Zeugnis verwendet werden soll, nicht stets erforderlich. Vielmehr genügt es im Anwendungsbereich von Art. 69 Abs. 3 ‒ 5 EuErbVO beispielsweise auch, wenn derjenige, dem gegenüber das Zeugnis verwendet werden soll, Kenntnis von dessen Inhalt durch Vorlage einer Abschrift durch einen Dritten oder durch Einsicht in die Urschrift bei der Ausstellungsbehörde erlangt hat (NK-BGB/Nordmeier, 3. Aufl. 2019, Art. 69 EuErbVO Rn. 7; Budzikiewicz, in: Calvo Caravaca/Daví/Mansel, The EU Succession Regulation: A Commentary, 2016, Art. 69 Rn. 16; Omlor, GPR 2014, 216, 218 f. (zu Art. 69 Abs. 4 EuErbVO); enger jurisPK-BGB/Kleinschmitt, 9. Aufl. 2020, Art. 69 EuErbVO Rn. 28 (tatsächliche Vorlage erforderlich). Jedoch ist die bloße Existenz der (Urschrift und etwaiger beglaubigter Abschriften) eines Nachlasszeugnisses in keinem Fall hinreichend, um die Wirkungen des Zeugnisses zu entfalten (NK-BGB/Nordmeier, a. a. O., Art. 69 EuErbVO Rn. 7). Hinzu tritt, dass prozessual durch das Zeugnis der Beweis der Erbenstellung geführt werden soll. Bei Urkundenbeweis ist nach § 420 ZPO die Urkunde ‒ vorliegend damit die beglaubigte Abschrift, weil die Urschrift des Nachlasszeugnisses bei der Ausstellungsbehörde verbleibt und nicht in den Rechtsverkehr gelangt ‒ im Original vorzulegen.
Die vorgelegte Kopie der Eintragungsbekanntmachung genügt damit nicht, um die Beweiswirkung des Art. 69 Abs. 2 EuErbVO zu entfalten. Weder handelt es sich um eine beglaubigte Abschrift noch ist sie geeignet, dem Gericht hinreichende Kenntnis in hinreichend sicherem Umfang vom Inhalt des Zeugnisses zu verschaffen. Denn insbesondere lässt sich aus dem Umstand, dass die Kläger Rechtsnachfolger nach ihrer Mutter hinsichtlich des Grundstücks geworden sind, nicht ableiten, dass sie sie auch hinsichtlich der streitgegenständlichen Ansprüche beerbten, zumal insbesondere nicht ersichtlich ist, ob die Rechtsnachfolge von Todes wegen in das Grundstück gewillkürt oder gesetzlich war und welches Recht (deutsches oder österreichisches) auf sie Anwendung fand.
b) Die nachträglich der Kammer zur Kenntnis gelangten beglaubigten Abschriften der Europäischen Nachlasszeugnisse konnten nicht berücksichtigt werden. Sie waren der Kammer bei Fällung des Urteils und dessen Verkündung am Schluss der Sitzung nicht bekannt, da sie auf der Geschäftsstelle abgegeben worden waren. Ihre Kenntnisnahme durch die Kammer war beim von den Klägern gewählten Vorgehen auch keineswegs sichergestellt, da die Kammermitglieder im Verlauf einer Sitzung keinerlei Veranlassung haben, sich auf die Geschäftsstelle zu begeben und ihre dortigen Zutragsfächer auf Eingänge hin zu überprüfen.
Denn ein Anspruch der Mutter gegen die Stadt Frankfurt am Main auf Schadensersatz aus § 839 BGB scheitert an § 839 Abs. 3 BGB.
a) Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt eine Ersatzpflicht des Staates nicht ein, wenn der Geschädigte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Mit dem Begriff des Rechtsmittels in diesem Sinne sind alle Rechtsbehelfe gemeint, die sich gegen die eine Amtspflichtverletzung darstellende Handlung oder Unterlassung richten und sowohl deren Beseitigung oder Berichtigung als auch die Abwendung des Schadens zum Ziel haben und herbeizuführen geeignet sind (vgl. nur BGH NJW 2013, 3237). Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB sind mithin vor allem die verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren (Anfechtungsklage, Verpflichtungs- einschließlich der Untätigkeitsklage sowie die allgemeine Leistungsklage, vgl. Papier/Shirvani in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020 Rn. 391). Schuldhafte Nichteinlegung des Rechtsmittels bedeutet Vorwerfbarkeit im Sinne des § 254 BGB. Abzustellen ist darauf, welches Maß an Sorgfalt und Umsicht von Angehörigen des betroffenen Personenkreises zu verlangen ist (BGH NVwZ 1991, 915). Das Verschulden des Verletzten ist nicht allein deswegen zu verneinen, weil ihm die erforderlichen Rechtskenntnisse fehlten. Er muss notfalls rechtskundigen Rat einholen (Papier/Shirvani a.a.O. Rn. 394).
b) Unterstellt man den klägerischen Vortrag, die in dem Schreiben vom 12.06.2014 bestimmte Kostenmiete i. H. v. 4,62 €/qm sei zum einen für die Mutter der Kläger bindend gewesen und zum anderen rechtswidrig falsch berechnet worden, als zutreffend, so hat es die Mutter der Kläger unterlassen, hiergegen rechtliche Schritte einzuleiten.
Nach diesem Verständnis wäre eine verwaltungsrechtliche Verpflichtungsklage ‒ in Verbindung mit einer Anfechtungsklage, soweit man das Schreiben der Stadt Frankfurt am Main vom 12.06.2014 als Ablehnungsbescheid qualifiziert ‒ auf Festsetzung der Kostenmiete auf 6,36 €/qm zu erheben gewesen. Eine solche hat die Mutter der Kläger nicht erhoben. Weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass sie hieran kein Verschulden treffen könnte.
Die Festsetzung der Kostenmiete durch die Stadt Frankfurt am Main aufgrund des vorangegangenen Förderdarlehens ist auch nicht privatrechtlich zu qualifizieren, sodass aus diesem Grund ein verwaltungsrechtliches Vorgehen nicht in Betracht gekommen wäre. Denn am 12.06.2014 war das Darlehen bereits getilgt und der Darlehensvertrag damit beendet. Zwar kann auch ein im Hinblick auf die Hauptleistungspflichten beendetes Schuldverhältnis nachvertragliche Pflichten zeitigen (culpa post contractum finitium, vgl. BeckOGK-BGB/Riehm, Stand 1.7.2022, § 280 Rn. 49). Jedoch ist die Form des Darlehens nur das Gewand der Förderung. Die Stadt Frankfurt am Main hätte statt des privatrechtlichen Darlehens die Immobilie auch durch einen öffentlich-rechtlichen (ggf. rückzahlbaren) Zuschuss fördern können, ohne dass sich an der Rechtsnatur der Preisbindung etwas geändert hätte. Die erstmalige Festsetzung der Kostenmiete und die zwischen den Parteien im Einzelnen streitgegenständliche Frage einer Erhöhung der Kostenmiete bemaßen sich nach den §§ 8 ff. WoBindG, d.h. nach öffentlichem Recht.
3. Soweit die Kläger zur Begründung einer Pflichtverletzung des Beklagten weiterhin vortragen, dieser habe infolge nicht rechtzeitiger Durchführung der Anspruchsbegründung die ihrer Mutter zustehende Forderung aus Amtshaftung verjähren lassen, fehlt es überdies an der Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden in Form der entgangenen Mietmehreinnahmen. Denn zu dem Zeitpunkt, als die Mutter der Kläger am 18.07.2018 zur Anspruchsbegründung aufgefordert wurde, waren die mit der sodann durch den neuen Prozessbevollmächtigen gefertigten Anspruchsbegründung vorgetragenen Forderungen gegen die Stadt Frankfurt am Main, deren Verlust den im vorliegenden Prozess geltend gemachten Schaden darstellen soll, bereits verjährt, selbst wenn sie bestanden hätten.
Für Amtshaftungsansprüche gilt die dreijährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB (Papier/Shirvani a.a.O. Rn. 413). Die Verjährung beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (Papier/Shirvani a.a.O. Rn. 413). Dabei entsteht der Amtshaftungsanspruch bereits einheitlich, sobald alle Tatbestandsmerkmale des § 839 BGB erfüllt sind, auch im Hinblick auf noch nicht entstandene, künftige Schadensposten bereits mit der Entstehung der ersten Schadensposition (BGH, NJW 2019, 1953 Rn. 15).
Da die Mutter der Kläger im Jahr 2014 Kenntnis vom ihrer Meinung nach amtspflichtwidrigen Bescheid der Beklagten erhielt sowie ihr die daraus folgende abgelehnte Mieterhöhung sowie der daraus folgende Schaden bekannt war, begann die dreijährige Verjährungsfrist am 31.12.2014 zu laufen und endete am 31.12.2017.
Zwar hat die Mutter der Kläger am 28.12.2017 und damit noch vor Ablauf der Verjährungsfrist den Erlass eines Mahnbescheids gegen die Stadt Frankfurt am Main beantragt, in dem sie unter anderem gestützt auf eine angebliche fehlerhafte Wirtschaftlichkeitsberechnung aus dem Jahre 2014 Amtshaftungsansprüche gegen die Stadt Frankfurt am Main geltend machte. Der Mahnbescheid wurde dieser am 12.02.2018 zugestellt. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB wird die Verjährung gehemmt durch die Zustellung des Mahnbescheids. Die Hemmung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, in dem der Antrag auf Erlass des Mahnbescheids eingereicht worden ist, sofern die Zustellung demnächst erfolgt, § 167 ZPO. Die Mutter der Kläger bezifferte die Höhe des Amtshaftungsanspruchs jedoch auf einen Betrag von lediglich 2.207,14 € und stützte diesen auf die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Wirtschaftlichkeitsberechnung der Stadt aus dem Jahre 2014 vom 01.06.2014 bis zum 31.12.2017. Am 28.12.2017 versandte sie weiterhin ein Schreiben an die Stadt Frankfurt am Main, in dem sie diese zur Zahlung des im Mahnantrages zu 2) geltend gemachten Betrages von 2.207,64 € aufforderte, der sich aus einer durch die Stadt unzutreffend vorgenommenen Neueinstufung von Kfz-Stellplätzen ergeben solle und zu einer Verkürzung der Kostenmiete geführt habe. Dadurch gab sie jedoch zu erkennen, dass sich der Gegenstand des Mahnverfahrens auf den möglichen Berechnungsfehler der Stadt im Hinblick auf die Neueinstufung von Kfz-Stellplätzen erstrecken sollte. Dieser behauptete Berechnungsfehler bildete daher auch den Streitgegenstand des Mahnverfahrens, weshalb die Hemmung der Verjährung auch nur bezüglich des in der Berechnung der Kosten für Stellplätze liegenden Berechnungsfehlers eintreten konnte, nicht aber im Hinblick auf die sonstigen, d.h. insbesondere die auf die Wohnfläche anfallenden Kosten. Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB kann nur im Rahmen des Streitgegenstands des Mahnverfahrens eintreten (vgl. OLG München BeckRS 2016, 10858).
Erstmals im Rahmen der Anspruchsbegründung vom 24.12.2019 machte der sodann eingeschaltete Prozessbevollmächtigte der Mutter der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 66.970,60 € geltend, gestützt auf die Differenz zwischen bewilligter Kostenmiete bezogen auf die Wohnfläche in Höhe von 4,62 €/qm und beantragter Kostenmiete in Höhe von 6,29 €/qm (Zeitraum 2014 bis 2016) sowie von 7,23 €/qm statt 5,40 €/qm (Zeitraum 2017 bis 2019). Dies stellt jedoch einen anderen Streitgegenstand dar, der von vornherein nicht der Hemmungswirkung des Mahnbescheids unterliegen konnte. Schadensersatz in Höhe von 2.207,64 € begehrte sie in ihrer Anspruchsbegründung ersichtlich nicht mehr.
Ebenso wenig wurde der im Mahnantrag zu 3) geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.248,22 € wegen Mietmindereinnahmen im Zeitraum 01.01.2017 bis zum 31.12.2017 in der Anspruchsbegründung weiterverfolgt.
4. Soweit die Kläger zur Begründung einer Pflichtverletzung des Beklagten anführen, dieser hätte, hätte er ein Vorgehen gegen die Stadt Frankfurt am Main aus Amtshaftung als nicht erfolgversprechend erachtet, die Mutter der Kläger noch vor Verjährungseintritt auf die fehlenden Erfolgsaussichten einer Klage hinweisen, auf die Rücknahme des Mahnbescheids drängen und ggf. das Mandat niederlegen müssen, vermag auch dieser im Einzelnen streitige Vortrag eine Haftung des Beklagten nicht zu begründen.
a) Hinsichtlich der entgangenen erhöhten Mieteinnahmen in Höhe von 91.088,58 € besteht keine Kausalität, da dieser Betrag nur bei einem erfolgreichen Vorgehen aus Amtshaftung gegen die Stadt Frankfurt am Main hätte liquidiert werden können
b) Aber auch hinsichtlich der Prozess- und Rechtsanwaltskosten aus dem verlorenen Prozess in Höhe von 11.942,11 € ist eine Haftung des Beklagten nicht gegeben. Insofern besteht der von Amts wegen zu beachtende Einwand des Mitverschuldens nach § 254 BGB. Denn die Kläger hatten ‒ nachdem der Beklagte die Anspruchsbegründung nicht fertigte ‒ einen neuen Anwalt beauftragt. Dieser fertigte die Anspruchsbegründung und vertrat sie im weiteren Verfahren.
Wird ein Zweitanwalt damit beauftragt, einen erkannten oder zumindest für möglich gehaltenen Fehler des ausgeschiedenen Erstanwalts zu beheben, dann muss sich der Mandant auf seine Regressforderung einen schuldhaften Schadensbeitrag seines zweiten Anwalts gem. §§ 254, 278 anrechnen lassen. Bei einer derartigen Fallgestaltung bedient sich der geschädigte Mandant des Zweitberaters ‒ zumindest auch ‒ zur Erfüllung seiner Obliegenheit, einen Schaden infolge eines erkannten oder für möglich gehaltenen Fehlers des früheren Anwalts abzuwenden oder zu mindern (BeckOK BGB/Fischer, 63. Ed. 1.5.2022, BGB § 675 Rn. 34 m. w. N.).
Nach diesen Maßstäben hätte der Zweitanwalt, anstatt eine Anspruchsbegründung zu fertigen und das Verfahren bis zum erstinstanzlichen Urteil streitig zu betreiben, die Klage zurücknehmen müssen. Indem er dies nicht tat, leistete er einen schuldhaften Schadensbeitrag, den sich die Kläger auf ihren Schadensersatzanspruch anrechnen lassen müssten.
Hinsichtlich der durch das Mahnverfahren ‒ das vor Einschaltung des Zweitanwalts eingeleitet worden war ‒ verursachten Kosten besteht eine Haftung des Beklagten nicht, da dieses durch die Mutter der Kläger und nicht durch den Beklagten eingeleitet wurde.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre rechtliche Grundlage in § 709 ZPO.
02.11.2022
Tenor
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um mögliche Schadensersatzansprüche aus Anwaltshaftung.
Im Jahr 1979 wurde mithilfe öffentlicher Mittel auf dem Grundstück der Großmutter der Kläger, ... in Frankfurt am Main, ein Mehrfamilienhaus mit zwölf Wohneinheiten und 639,60 qm Wohnfläche errichtet, das der Mietpreisbindung unterlag. Das Amt für Wohnungswesen der Stadt Frankfurt am Main bewilligte der Großmutter der Kläger zur Mitfinanzierung des Baus des Mehrfamilienhauses ein Darlehen im Wege des geförderten Wohnungsbaues. Nach dem Tod der Großmutter im ... 2011 erbte die Mutter der Kläger und deren Schwester das Grundstück. Sie zahlten die öffentlichen Mittel vorzeitig zurück. Die Bindungsfrist endete am 31.12.2016.
Am 03.03.2014 bat die Mutter der Kläger das Stadtplanungsamt der Stadt Frankfurt am Main um Übersendung einer Kopie der letzten Wirtschaftlichkeitsberechnung der Liegenschaft, die ihr mit Schreiben vom 11.03.2014 übersandt wurde. Ab dem 01.01.2014 lag die monatliche Miete bei 4,47 €/qm.
Die Mutter der Kläger erwarb am 08.05.2014 im Rahmen einer Teilungsversteigerung durch Zuschlag das Grundstück. Sie beantragte bei der Stadt Frankfurt am Main am gleichen Tag die Festsetzung der Kostenmiete auf 6,36 €/qm.
Mit Schreiben vom 12.06.2014 stimmte die Stadt Frankfurt am Main der beantragten Festsetzung der Kostenmiete auf 6,36 €/qm nicht zu, sondern lediglich in Höhe von 4,62 €/qm. Dem Schreiben beigefügt war eine von der Stadt durchgeführte Wirtschaftlichkeitsberechnung.
Der Beklagte, ein zugelassener Rechtsanwalt, wurde im November 2017 mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Mutter der Kläger beauftragt, wobei zwischen den Parteien im Einzelnen streitig ist, zwischen wem genau das Mandatsverhältnis zustande kam. Gegenstand der Beauftragung war insbesondere die Prüfung möglicher Amtshaftungsansprüche gegen die Stadt Frankfurt am Main wegen der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsberechnung aus dem Jahre 2014.
Die Mutter der Kläger beantragte am 28.12.2017 beim Amtsgericht Wedding den Erlass eines Mahnbescheides. Wegen des genauen Inhalts des Antrages wird auf Bl. 152 f. d. A. Bezug genommen. Der Mahnbescheid wurde der Stadt Frankfurt am Main am 12.02.2018 zugestellt. Ebenfalls am 28.12.2017 versandte die Mutter der Kläger ein Schreiben an die Stadt Frankfurt am Main, in dem sie die Stadt zur Zahlung von Schadensersatz aus Amtshaftung aufforderte. Wegen des weitergehenden Inhalts des Schreibens wird auf Bl. 155 f. d. A. verwiesen. Nach Widerspruch und Abgabe des Verfahrens an das Landgericht Frankfurt am Main, das unter dem Aktenzeichen 2-04 O 224/18 geführt wurde, wurde sie am 18.07.2018 zur Anspruchsbegründung angefordert. Mit Schriftsatz vom 24.08.2018 zeigte der Beklagte die Vertretung der Mutter der Kläger an und beantragte zugleich, die Frist zur Anspruchsbegründung bis zum 30.09.2018 zu verlängern. Eine Anspruchsbegründung fertigte er nicht.
Die Mutter der Kläger kündigte mit Schreiben vom 18.06.2019 das Mandatsverhältnis mit dem Beklagten und beauftragte den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger mit der Anspruchsbegründung in dem Verfahren 2-04 O 224/18. Dieser meldete sich am 20.08.2019 zur Akte und verfasste am 24.12.2019 eine Anspruchsbegründung. Wegen Einzelheiten wird auf Bl. 33 ff. der beigezogenen Akte 2-04 O 224/18 verwiesen.
Das Landgericht Frankfurt am Main wies mit Urteil vom 26.05.2021 die Klage aufgrund Verjährung ab.
Die Kläger behaupten, alleinige Erben ihrer Mutter zu sein. Sie tragen vor, ihrer Mutter seien infolge der unterbliebenen Erteilung der Genehmigung zur Erhöhung der Kostenmiete durch die Stadt Frankfurt am Main ab dem 01.06.2014 Mieteinnahmen in Höhe von 91.088,58 € entgangen, für deren Erstattung der Beklagte hafte. Sie sind der Ansicht, der Beklagte habe den ihrer Mutter gegen die Stadt Frankfurt am Main zustehenden Amtshaftungsanspruch verjähren lassen, indem er die Anspruchsbegründung gegenüber dem Landgericht Frankfurt am Main nicht angefertigt habe. Infolge des Verlustes der Klage habe ihre Mutter Prozess- und Anwaltskosten in Höhe von 11.942,11 € gezahlt. Sie machen zudem geltend, der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt im Rahmen von Mandatsgesprächen auf fehlende Erfolgsaussichten eines Vorgehens aus Amtshaftung gegen die Stadt Frankfurt am Main hingewiesen.
Die Kläger beantragen,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger Prozess- und Rechtsanwaltskosten aus dem verlorenen Prozess in Höhe von EUR 11.942,11 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger den Schaden aus entgangenen Mieten, der auf Grund der Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden konnte, in Höhe von 91.088,58 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. den Zinsschaden als Hauptforderung in Höhe von 9.270,23 € an die Kläger zu erstatten,
4. festzustellen, dass der Beklagte den Klägern auch die zukünftigen Schäden, die nicht geltend gemacht werden konnten, da die Feststellungsklage ebenfalls auf Grund der Verjährung gescheitert ist, zu ersetzen hat in Höhe von monatlich EUR 821,65 für 2022, monatlich EUR 915,34 € ab dem Jahre 2023, sodann turnusmäßiger Mietanpassung in Höhe von 15 % alle 3 Jahre bis zum Erreichen der ortsüblichen Vergleichsmiete der dann verbleibenden vor 1.1.2017 abgeschlossenen Mietverträge (sog. „Altmietverträge“).
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte stellt eine Pflichtverletzung in Abrede. Er ist der Ansicht, Amtshaftungsansprüche der Mutter der Kläger gegen die Stadt Frankfurt am Main hätten von vornherein nicht bestanden, weshalb kein Schaden eingetreten sei. Zur Geltendmachung einer Erhöhung der Kostenmiete hätte es einer Genehmigung der Stadt Frankfurt am Main nicht bedurft; vielmehr hätte die Mutter der Kläger die Erhöhung aus eigenem Recht vornehmen können. Er meint weiterhin, etwaige Amtshaftungsansprüche seien in dem Zeitpunkt bereits verjährt gewesen, als er mit der Anspruchsbegründung betraut worden sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Im Termin am 02.11.2022 haben die Kläger zum Nachweis ihrer Erbenstellung eine Kopie über eine Eintragungsbekanntmachung an dem Flurstück ... Flur ... Flurstück ... vorgelegt. In dieser Kopie sind die Kläger als Eigentümer des genannten Grundstücks in Erbengemeinschaft angegeben und als Grundlage der Eintragung ist ein Europäisches Nachlasszeugnis vom 27.06.2022, ausgestellt durch einen Wiener Notar, angegeben. In der mündlichen Verhandlung ist darauf hingewiesen worden, dass dies zum Nachweis der Erbenstellung nicht hinreicht. Die Verhandlung ist bis zum Ende der Sitzung unterbrochen worden. Bei Wideraufruf der Sache am Ende der Sitzung ist für die Parteien niemand erschienen. Die Kammer hat ein klageabweisendes Urteil verkündet. Nach dem Ende der Sitzung und dem Schluss des Sitzungstags hat Richter Steinmann in seinem Zutragsfach auf der Geschäftsstelle beglaubigte Abschriften zweier Europäischer Nachlasszeugnisse vorgefunden. Angebracht war auf einem Klebezettel ein Vermerk der Geschäftsstelle, wonach der Kläger zu 1. die Dokumente um 11:40 Uhr persönlich auf der Geschäftsstelle der Kammer abgab.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 675, 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1922 BGB.
Das ursprüngliche Mandatsverhältnis, das die Grundlage des Regressprozesses bildet, kam nicht zwischen dem Kläger zu 1) und dem Beklagten zustande, sondern vielmehr zwischen dem Beklagten und der Mutter der Kläger. Denn ausweislich der auf Bl. 158 d. A. befindlichen Vollmacht, die am 13.11.2017 von ihr unterzeichnet wurde, bevollmächtigte sie den Beklagten in Sachen „... ./. Stadt Frankfurt am Main“ zur außergerichtlichen Vertretung.
1. Die Kläger haben nicht den ihnen obliegenden Beweis erbracht, dass sie ihre Mutter beerbt haben und damit nach § 1922 BGB Inhaber eines möglichen Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten aus Anwaltshaftung (§§ 675, 280 BGB) geworden sind.
Der Beklagte hat die Rechtsnachfolge von Todes wegen zulässigerweise bestritten.
a) Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Kläger zum Beweis einer Erbenstellung der Kläger eine Kopie über eine Eintragungsbekanntmachung betreffend das Flurstück ... Flur ... Flurstück ... vorlegen lassen. In dieser Kopie sind die Kläger als Eigentümer des genannten Grundstücks in Erbengemeinschaft angegeben, und als Grundlage der Eintragung ist ein Europäisches Nachlasszeugnis vom 27.06.2022, ausgestellt durch einen Wiener Notar, angegeben.
Nach Art. 69 Abs. 1 VO (EU) 650/2012 (Europäische Erbrechtsverordnung ‒ EuErbVO) entfaltet ein Europäische Nachlasszeugnis seine Wirkungen in allen Mitgliedstaaten, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf. Gemäß Art. 69 Abs. 2 EuErbVO wird vermutet, dass das Zeugnis die Sachverhalte, die nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht oder einem anderen auf spezifische Sachverhalte anzuwendenden Recht festgestellt wurden, zutreffend ausweist und dass die Person, die im Zeugnis als Erbe genannt ist, die in dem Zeugnis genannte Rechtsstellung und/oder die in dem Zeugnis aufgeführten Rechte oder Befugnisse hat und dass diese Rechte oder Befugnisse keinen anderen als den im Zeugnis aufgeführten Bedingungen und/oder Beschränkungen unterliegen. Diese Beweiswirkung des Europäische Nachlasszeugnisses wird nach der Konzeption der EuErbVO durch die Vorlage einer beglaubigten Abschrift entfaltet (vgl. Art. 70 Abs. 3 EuErbVO und Erwägungsgrund 71, S. 6 EuErbVO). Zwar ist die Vorlage der beglaubigten Abschrift gegenüber derjenigen Person oder Stelle, gegenüber der das Zeugnis verwendet werden soll, nicht stets erforderlich. Vielmehr genügt es im Anwendungsbereich von Art. 69 Abs. 3 ‒ 5 EuErbVO beispielsweise auch, wenn derjenige, dem gegenüber das Zeugnis verwendet werden soll, Kenntnis von dessen Inhalt durch Vorlage einer Abschrift durch einen Dritten oder durch Einsicht in die Urschrift bei der Ausstellungsbehörde erlangt hat (NK-BGB/Nordmeier, 3. Aufl. 2019, Art. 69 EuErbVO Rn. 7; Budzikiewicz, in: Calvo Caravaca/Daví/Mansel, The EU Succession Regulation: A Commentary, 2016, Art. 69 Rn. 16; Omlor, GPR 2014, 216, 218 f. (zu Art. 69 Abs. 4 EuErbVO); enger jurisPK-BGB/Kleinschmitt, 9. Aufl. 2020, Art. 69 EuErbVO Rn. 28 (tatsächliche Vorlage erforderlich). Jedoch ist die bloße Existenz der (Urschrift und etwaiger beglaubigter Abschriften) eines Nachlasszeugnisses in keinem Fall hinreichend, um die Wirkungen des Zeugnisses zu entfalten (NK-BGB/Nordmeier, a. a. O., Art. 69 EuErbVO Rn. 7). Hinzu tritt, dass prozessual durch das Zeugnis der Beweis der Erbenstellung geführt werden soll. Bei Urkundenbeweis ist nach § 420 ZPO die Urkunde ‒ vorliegend damit die beglaubigte Abschrift, weil die Urschrift des Nachlasszeugnisses bei der Ausstellungsbehörde verbleibt und nicht in den Rechtsverkehr gelangt ‒ im Original vorzulegen.
Die vorgelegte Kopie der Eintragungsbekanntmachung genügt damit nicht, um die Beweiswirkung des Art. 69 Abs. 2 EuErbVO zu entfalten. Weder handelt es sich um eine beglaubigte Abschrift noch ist sie geeignet, dem Gericht hinreichende Kenntnis in hinreichend sicherem Umfang vom Inhalt des Zeugnisses zu verschaffen. Denn insbesondere lässt sich aus dem Umstand, dass die Kläger Rechtsnachfolger nach ihrer Mutter hinsichtlich des Grundstücks geworden sind, nicht ableiten, dass sie sie auch hinsichtlich der streitgegenständlichen Ansprüche beerbten, zumal insbesondere nicht ersichtlich ist, ob die Rechtsnachfolge von Todes wegen in das Grundstück gewillkürt oder gesetzlich war und welches Recht (deutsches oder österreichisches) auf sie Anwendung fand.
b) Die nachträglich der Kammer zur Kenntnis gelangten beglaubigten Abschriften der Europäischen Nachlasszeugnisse konnten nicht berücksichtigt werden. Sie waren der Kammer bei Fällung des Urteils und dessen Verkündung am Schluss der Sitzung nicht bekannt, da sie auf der Geschäftsstelle abgegeben worden waren. Ihre Kenntnisnahme durch die Kammer war beim von den Klägern gewählten Vorgehen auch keineswegs sichergestellt, da die Kammermitglieder im Verlauf einer Sitzung keinerlei Veranlassung haben, sich auf die Geschäftsstelle zu begeben und ihre dortigen Zutragsfächer auf Eingänge hin zu überprüfen.
2. Die Klage ist zudem unbegründet, weil der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch der Mutter der Kläger nicht zustand. Die anwaltliche Pflichtverletzung, die Anspruchsbegründung zu spät gefertigt zu haben, ist deshalb für den eingetretenen Schaden, nämlich die Aberkennung des Anspruchs wegen Verjährung, nicht kausal.
Denn ein Anspruch der Mutter gegen die Stadt Frankfurt am Main auf Schadensersatz aus § 839 BGB scheitert an § 839 Abs. 3 BGB.
a) Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt eine Ersatzpflicht des Staates nicht ein, wenn der Geschädigte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Mit dem Begriff des Rechtsmittels in diesem Sinne sind alle Rechtsbehelfe gemeint, die sich gegen die eine Amtspflichtverletzung darstellende Handlung oder Unterlassung richten und sowohl deren Beseitigung oder Berichtigung als auch die Abwendung des Schadens zum Ziel haben und herbeizuführen geeignet sind (vgl. nur BGH NJW 2013, 3237). Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB sind mithin vor allem die verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren (Anfechtungsklage, Verpflichtungs- einschließlich der Untätigkeitsklage sowie die allgemeine Leistungsklage, vgl. Papier/Shirvani in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020 Rn. 391). Schuldhafte Nichteinlegung des Rechtsmittels bedeutet Vorwerfbarkeit im Sinne des § 254 BGB. Abzustellen ist darauf, welches Maß an Sorgfalt und Umsicht von Angehörigen des betroffenen Personenkreises zu verlangen ist (BGH NVwZ 1991, 915). Das Verschulden des Verletzten ist nicht allein deswegen zu verneinen, weil ihm die erforderlichen Rechtskenntnisse fehlten. Er muss notfalls rechtskundigen Rat einholen (Papier/Shirvani a.a.O. Rn. 394).
b) Unterstellt man den klägerischen Vortrag, die in dem Schreiben vom 12.06.2014 bestimmte Kostenmiete i. H. v. 4,62 €/qm sei zum einen für die Mutter der Kläger bindend gewesen und zum anderen rechtswidrig falsch berechnet worden, als zutreffend, so hat es die Mutter der Kläger unterlassen, hiergegen rechtliche Schritte einzuleiten.
Nach diesem Verständnis wäre eine verwaltungsrechtliche Verpflichtungsklage ‒ in Verbindung mit einer Anfechtungsklage, soweit man das Schreiben der Stadt Frankfurt am Main vom 12.06.2014 als Ablehnungsbescheid qualifiziert ‒ auf Festsetzung der Kostenmiete auf 6,36 €/qm zu erheben gewesen. Eine solche hat die Mutter der Kläger nicht erhoben. Weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass sie hieran kein Verschulden treffen könnte.
Die Festsetzung der Kostenmiete durch die Stadt Frankfurt am Main aufgrund des vorangegangenen Förderdarlehens ist auch nicht privatrechtlich zu qualifizieren, sodass aus diesem Grund ein verwaltungsrechtliches Vorgehen nicht in Betracht gekommen wäre. Denn am 12.06.2014 war das Darlehen bereits getilgt und der Darlehensvertrag damit beendet. Zwar kann auch ein im Hinblick auf die Hauptleistungspflichten beendetes Schuldverhältnis nachvertragliche Pflichten zeitigen (culpa post contractum finitium, vgl. BeckOGK-BGB/Riehm, Stand 1.7.2022, § 280 Rn. 49). Jedoch ist die Form des Darlehens nur das Gewand der Förderung. Die Stadt Frankfurt am Main hätte statt des privatrechtlichen Darlehens die Immobilie auch durch einen öffentlich-rechtlichen (ggf. rückzahlbaren) Zuschuss fördern können, ohne dass sich an der Rechtsnatur der Preisbindung etwas geändert hätte. Die erstmalige Festsetzung der Kostenmiete und die zwischen den Parteien im Einzelnen streitgegenständliche Frage einer Erhöhung der Kostenmiete bemaßen sich nach den §§ 8 ff. WoBindG, d.h. nach öffentlichem Recht.
3. Soweit die Kläger zur Begründung einer Pflichtverletzung des Beklagten weiterhin vortragen, dieser habe infolge nicht rechtzeitiger Durchführung der Anspruchsbegründung die ihrer Mutter zustehende Forderung aus Amtshaftung verjähren lassen, fehlt es überdies an der Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden in Form der entgangenen Mietmehreinnahmen. Denn zu dem Zeitpunkt, als die Mutter der Kläger am 18.07.2018 zur Anspruchsbegründung aufgefordert wurde, waren die mit der sodann durch den neuen Prozessbevollmächtigen gefertigten Anspruchsbegründung vorgetragenen Forderungen gegen die Stadt Frankfurt am Main, deren Verlust den im vorliegenden Prozess geltend gemachten Schaden darstellen soll, bereits verjährt, selbst wenn sie bestanden hätten.
Für Amtshaftungsansprüche gilt die dreijährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB (Papier/Shirvani a.a.O. Rn. 413). Die Verjährung beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (Papier/Shirvani a.a.O. Rn. 413). Dabei entsteht der Amtshaftungsanspruch bereits einheitlich, sobald alle Tatbestandsmerkmale des § 839 BGB erfüllt sind, auch im Hinblick auf noch nicht entstandene, künftige Schadensposten bereits mit der Entstehung der ersten Schadensposition (BGH, NJW 2019, 1953 Rn. 15).
Da die Mutter der Kläger im Jahr 2014 Kenntnis vom ihrer Meinung nach amtspflichtwidrigen Bescheid der Beklagten erhielt sowie ihr die daraus folgende abgelehnte Mieterhöhung sowie der daraus folgende Schaden bekannt war, begann die dreijährige Verjährungsfrist am 31.12.2014 zu laufen und endete am 31.12.2017.
Zwar hat die Mutter der Kläger am 28.12.2017 und damit noch vor Ablauf der Verjährungsfrist den Erlass eines Mahnbescheids gegen die Stadt Frankfurt am Main beantragt, in dem sie unter anderem gestützt auf eine angebliche fehlerhafte Wirtschaftlichkeitsberechnung aus dem Jahre 2014 Amtshaftungsansprüche gegen die Stadt Frankfurt am Main geltend machte. Der Mahnbescheid wurde dieser am 12.02.2018 zugestellt. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB wird die Verjährung gehemmt durch die Zustellung des Mahnbescheids. Die Hemmung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, in dem der Antrag auf Erlass des Mahnbescheids eingereicht worden ist, sofern die Zustellung demnächst erfolgt, § 167 ZPO. Die Mutter der Kläger bezifferte die Höhe des Amtshaftungsanspruchs jedoch auf einen Betrag von lediglich 2.207,14 € und stützte diesen auf die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Wirtschaftlichkeitsberechnung der Stadt aus dem Jahre 2014 vom 01.06.2014 bis zum 31.12.2017. Am 28.12.2017 versandte sie weiterhin ein Schreiben an die Stadt Frankfurt am Main, in dem sie diese zur Zahlung des im Mahnantrages zu 2) geltend gemachten Betrages von 2.207,64 € aufforderte, der sich aus einer durch die Stadt unzutreffend vorgenommenen Neueinstufung von Kfz-Stellplätzen ergeben solle und zu einer Verkürzung der Kostenmiete geführt habe. Dadurch gab sie jedoch zu erkennen, dass sich der Gegenstand des Mahnverfahrens auf den möglichen Berechnungsfehler der Stadt im Hinblick auf die Neueinstufung von Kfz-Stellplätzen erstrecken sollte. Dieser behauptete Berechnungsfehler bildete daher auch den Streitgegenstand des Mahnverfahrens, weshalb die Hemmung der Verjährung auch nur bezüglich des in der Berechnung der Kosten für Stellplätze liegenden Berechnungsfehlers eintreten konnte, nicht aber im Hinblick auf die sonstigen, d.h. insbesondere die auf die Wohnfläche anfallenden Kosten. Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB kann nur im Rahmen des Streitgegenstands des Mahnverfahrens eintreten (vgl. OLG München BeckRS 2016, 10858).
Erstmals im Rahmen der Anspruchsbegründung vom 24.12.2019 machte der sodann eingeschaltete Prozessbevollmächtigte der Mutter der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 66.970,60 € geltend, gestützt auf die Differenz zwischen bewilligter Kostenmiete bezogen auf die Wohnfläche in Höhe von 4,62 €/qm und beantragter Kostenmiete in Höhe von 6,29 €/qm (Zeitraum 2014 bis 2016) sowie von 7,23 €/qm statt 5,40 €/qm (Zeitraum 2017 bis 2019). Dies stellt jedoch einen anderen Streitgegenstand dar, der von vornherein nicht der Hemmungswirkung des Mahnbescheids unterliegen konnte. Schadensersatz in Höhe von 2.207,64 € begehrte sie in ihrer Anspruchsbegründung ersichtlich nicht mehr.
Ebenso wenig wurde der im Mahnantrag zu 3) geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.248,22 € wegen Mietmindereinnahmen im Zeitraum 01.01.2017 bis zum 31.12.2017 in der Anspruchsbegründung weiterverfolgt.
4. Soweit die Kläger zur Begründung einer Pflichtverletzung des Beklagten anführen, dieser hätte, hätte er ein Vorgehen gegen die Stadt Frankfurt am Main aus Amtshaftung als nicht erfolgversprechend erachtet, die Mutter der Kläger noch vor Verjährungseintritt auf die fehlenden Erfolgsaussichten einer Klage hinweisen, auf die Rücknahme des Mahnbescheids drängen und ggf. das Mandat niederlegen müssen, vermag auch dieser im Einzelnen streitige Vortrag eine Haftung des Beklagten nicht zu begründen.
a) Hinsichtlich der entgangenen erhöhten Mieteinnahmen in Höhe von 91.088,58 € besteht keine Kausalität, da dieser Betrag nur bei einem erfolgreichen Vorgehen aus Amtshaftung gegen die Stadt Frankfurt am Main hätte liquidiert werden können
b) Aber auch hinsichtlich der Prozess- und Rechtsanwaltskosten aus dem verlorenen Prozess in Höhe von 11.942,11 € ist eine Haftung des Beklagten nicht gegeben. Insofern besteht der von Amts wegen zu beachtende Einwand des Mitverschuldens nach § 254 BGB. Denn die Kläger hatten ‒ nachdem der Beklagte die Anspruchsbegründung nicht fertigte ‒ einen neuen Anwalt beauftragt. Dieser fertigte die Anspruchsbegründung und vertrat sie im weiteren Verfahren.
Wird ein Zweitanwalt damit beauftragt, einen erkannten oder zumindest für möglich gehaltenen Fehler des ausgeschiedenen Erstanwalts zu beheben, dann muss sich der Mandant auf seine Regressforderung einen schuldhaften Schadensbeitrag seines zweiten Anwalts gem. §§ 254, 278 anrechnen lassen. Bei einer derartigen Fallgestaltung bedient sich der geschädigte Mandant des Zweitberaters ‒ zumindest auch ‒ zur Erfüllung seiner Obliegenheit, einen Schaden infolge eines erkannten oder für möglich gehaltenen Fehlers des früheren Anwalts abzuwenden oder zu mindern (BeckOK BGB/Fischer, 63. Ed. 1.5.2022, BGB § 675 Rn. 34 m. w. N.).
Nach diesen Maßstäben hätte der Zweitanwalt, anstatt eine Anspruchsbegründung zu fertigen und das Verfahren bis zum erstinstanzlichen Urteil streitig zu betreiben, die Klage zurücknehmen müssen. Indem er dies nicht tat, leistete er einen schuldhaften Schadensbeitrag, den sich die Kläger auf ihren Schadensersatzanspruch anrechnen lassen müssten.
Hinsichtlich der durch das Mahnverfahren ‒ das vor Einschaltung des Zweitanwalts eingeleitet worden war ‒ verursachten Kosten besteht eine Haftung des Beklagten nicht, da dieses durch die Mutter der Kläger und nicht durch den Beklagten eingeleitet wurde.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre rechtliche Grundlage in § 709 ZPO.