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  • 27.03.2013 · IWW-Abrufnummer 130998

    Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 29.07.2011 – 2 U 255/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OLG Frankfurt am Main, 29.07.2011

    2 U 255/10

    Tenor:

    Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 28.10.2010 (Az.: 3 O 147/10) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Der Beklagte wird verurteilt, zugunsten der ungeteilten Erbengemeinschaft nach dem am ....01.2003 verstorbenen A, bestehend aus den Klägerinnen, Herrn B, und Herrn C, 51.129,19 EUR nebst 5 % Zinsen ab dem 01.01.2007 bis zum 02.06.2010 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.06.2010 zu hinterlegen.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

    Die Revision wird nicht zugelassen.
    Gründe

    I. Die Klägerinnen machen als Miterbinnen einen Anspruch auf Darlehensrückzahlung zugunsten der Erbengemeinschaft geltend.

    Der am ...01.2003 verstorbene A wurde aufgrund seines Testaments vom 27.09.2001 (Bl. 8 ff. d.A.) zu je 1/3 von den Klägerinnen und zu je 1/6 von den beiden Söhnen des Beklagten beerbt.

    Die Klägerin zu 1) ist die Tochter des Erblassers und die Klägerin zu 2) ist seine Schwiegertochter, sie war mit seinem vorverstorbenen Sohn D verheiratet. E, eine ebenfalls bereits verstorbene Tochter des Erblassers, war mit dem Beklagten verheiratet, aus dieser Ehe stammen die genannten Söhne und Miterben. Frau E wurde von dem Beklagten allein beerbt.

    Der Erblasser hatte zu Lebzeiten dem Beklagten und seiner Ehefrau Darlehen zu insgesamt 284.500,--DM gewährt, u.a. ein Darlehen vom 23.05.1994 zu 100.000,--DM, das halbjährig zu 5 %, erstmals am 31.12.1994, verzinst werden sollte und mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden kann (Bl. 12 d.A.). Ein Jahr nach dem Tod des Erblassers stellte der Beklagte seine Zinszahlungen hierauf unter Hinweis auf seine Zahlungsunfähigkeit ein.

    Die Erbengemeinschaft ist bezogen auf die Darlehensansprüche gegen den Beklagten ungeteilt. Seine Söhne verweigern den Klägerinnen sowohl eine einvernehmliche Darlehenskündigung wie auch eine Aufteilung der Darlehen auf die Miterben entsprechend ihren Anteilen. Mit Anschreiben vom 17.03.2010 wandte sich der Anwalt der Klägerinnen in deren Namen mit dem Anliegen an die Söhne des Beklagten, einen Beschluss der Erbengemeinschaft herbeizuführen, das Darlehen vom 23.05.1994 zu kündigen, wobei er mitteilte, dass die Klägerinnen dem bereits zugestimmt haben. Sollte bis zum 31.03.2010 keine Antwort eingehen, werde dies als Ablehnung der Beschlussfassung aufgefasst werden (Bl. 47 f. d.A.).

    Der Sohn C antwortete mit eMail vom 30.03.2010, in der er den Beschluss ablehnte, da angesichts der Vermögensverhältnisse seines Vaters ohnehin keine Aussicht auf Durchsetzung des Darlehensrückzahlungsanspruchs bestehe (Bl. 49 d.A.). Der andere Sohn reagierte nicht.

    Mit Schreiben vom 17.05.2010 erklärte der Anwalt der Klägerinnen gegenüber dem Beklagten unter Verweis auf einen Mehrheitsbeschluss der Erbengemeinschaft die sofortige Kündigung jenes Darlehens, wobei Zahlung zum 02.06.2010 begehrt wurde (Bl. 13 f. d.A.). Mit Schreiben vom 19.05.2010 wurde zudem noch die ordentliche Kündigung des Darlehens erklärt (Bl. 15 d.A.).

    Die Klägerinnen haben zum Beleg ihrer Aktivlegitimation auf § 2039 BGB verwiesen. Mit Blick auf eine neuere Rechtsprechung des BGH haben sie die Auffassung vertreten, dass auch eine Kündigung des Darlehens als Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung mit Stimmenmehrheit nach § 2038 BGB möglich sei und es hierzu nicht nach § 2040 BGB eines gemeinsamen Handelns aller Miterben bedürfe. Da der Beklagte seit Jahren keine Zinsen mehr zahle, sei die Kündigung zur ordnungsgemäßen, wenn nicht sogar notwendigen Verwaltung des Nachlasses erforderlich, um einen Titel sowie ggflls. die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erlangen zu können, damit so alle Möglichkeiten zu einer Anspruchsdurchsetzung gewahrt blieben.

    Die Klägerinnen haben beantragt,

    den Beklagten zu verurteilen, zugunsten der ungeteilten Erbengemeinschaft nach dem am ...01.2003 verstorbenen A, bestehend aus den Klägerinnen, Herrn B, und Herrn C, 51.129,19 EUR nebst 5 % Zinsen p.a. seit dem 01.01.2007 zu hinterlegen.

    Der Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung nur einstimmig beschlossen werden könne, da es sich um eine Verfügung im Sinne von § 2040 BGB handele. Ferner hat er sich auf Verjährung sowie Verwirkung berufen.

    Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes im 1. Rechtszug wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

    Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 28.10.2010 abgewiesen, da es an einer wirksamen Kündigung des Darlehens fehle. Zwar müsse eine Kündigung nicht grundsätzlich gemeinsam gemäß § 2040 BGB erfolgen, da sie auch als ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme nach § 2038 BGB möglich sei. Vorliegend fehle es jedoch am Merkmal der Ordnungsgemäßheit. Denn Kündigungen, die der Werterhaltung des Nachlasses nicht gerecht werden und die zu einer Entwertung des Nachlasses führen, stellten keine ordnungsgemäße Verwaltung dar. Ein solcher Fall sei aber gegeben, weil der Beklagte alt, krank und vermögenslos sei, so dass nicht ersichtlich sei, dass eine Zwangsvollstreckung gegen ihn erfolgreich sein könnte, weshalb die Verfolgung von Ansprüchen gegen ihn keinen Sinn mache und wegen ihrer Kosten nur den Nachlass schmälern würde.

    Gegen dieses ihnen am 02.11.2010 zugestellte Urteil des Landgerichts haben die Klägerinnen am 24.11.2010 Berufung bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main eingelegt und diese am 23.12.2010 begründet. Sie sind der Auffassung, dass das Landgericht zu Unrecht als unstreitig behandelt habe, dass der Beklagte zahlungsunfähig sei. Selbst wenn aber Zahlungsunfähigkeit vorliege, stelle eine Kündigung eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung dar, weil hiermit eine Titulierung der Forderung und damit eine Zwangsvollstreckung sowie eine eidesstattliche Versicherung ermöglicht werden, zumal ungewiss sei, wie sich die Vermögensverhältnisse des Beklagten während der dann eröffneten 30-jährigen Verjährungsfrist entwickeln werden.

    In der Berufungsinstanz haben sie den zuvor gestellten Zinsantrag zunächst dahin erweitert, dass sie ab dem 01.01.2007 nunmehr Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begehrten.

    Im Termin haben sie dies wieder dahin beschränkt, dass dieser erhöhte Zinssatz erst ab dem 03.06.2010 verlangt wird und für die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 02.06.2010 lediglich 5 % Zinsen begehrt werden. Den weitergehenden Zinsantrag haben sie zurückgenommen.

    Die Klägerinnen beantragen,

    das angefochtene Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 28.10.2010 - Az.: 3 O 147/10 - dahingehend abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, zugunsten der ungeteilten Erbengemeinschaft nach dem am ....01.2003 verstorbenen A, bestehend aus den Klägerinnen, Herrn B, und Herrn C, 51.129,19 EUR nebst 5 % Zinsen ab dem 01.01.2007 bis zum 02.06.2010 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.06.2010 zu hinterlegen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Soweit die Klägerinnen erst jetzt seine Zahlungsunfähigkeit bestreiten wollen, sei dies verspätet. Ohnehin sei die Kündigung schon deshalb unwirksam, weil § 2040 BGB als Spezialnorm dem § 2038 BGB vorgehe. Zumindest sei es so, dass die Kündigung und erst recht die Klageerhebung keine ordnungsgemäßen Verwaltungsmaßnahmen darstellten, da die Anspruchsverfolgung ihm gegenüber wirtschaftlich keinen Sinn mache und dies für den Nachlass nur Kosten verursache. Da er durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen psychischen und/oder physischen Schaden erleiden würde, sei die Klage auch rechtsmissbräuchlich. Zudem sei der Anspruch auch verjährt, jedenfalls aber verwirkt.

    Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags im 2. Rechtszug wird auf die klägerischen Schriftsätze vom 23.12.2010 (Bl. 110 ff. d.A.) und vom 15.03.2011 (Bl. 152 ff. d.A.) sowie auf den Schriftsatz des Beklagten vom 18.02.2011 (Bl. 130 ff. d.A.) verwiesen.

    II. Die zulässige Berufung ist in vollem Umfang erfolgreich, da die Klägerinnen die begehrte Hinterlegung verlangen können.

    Ihre Prozessführungsbefugnis folgt aus § 2039 BGB. Bei einem zum Nachlass gehörenden Anspruch kann jeder Miterbe von dem Verpflichteten die Hinterlegung des Geschuldeten zugunsten aller Miterben verlangen und dies auch klageweise geltend machen. Hierauf ist der klägerische Antrag zutreffend gerichtet.

    Der Beklagte hat den begehrten Betrag zu hinterlegen. Unstreitig hatte er zusammen mit seiner zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau mit dem Erblasser einen Darlehensvertrag über 100.000,--DM = 51.129,19 EUR geschlossen, wobei diese Summe an ihn ausgezahlt wurde. Gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB schuldet er daher bei Fälligkeit die Rückzahlung. Fälligkeit tritt gemäß § 488 Abs. 3 BGB mit der Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist ein.

    Eine Kündigung ist unter dem 17.05.2010 sowie 19.05.2010 allein durch die Klägerinnen und unter Berufung auf einen Mehrheitsbeschluss der Erbengemeinschaft erklärt worden. Obwohl dies nicht durch alle Miterben erfolgte, liegt damit eine wirksame Kündigung vor, so dass Fälligkeit gegeben ist.

    Die Kündigung eines Vertrages ist eine Verfügung im Sinne von § 2040 Abs. 1 BGB, nämlich eine Verfügung über die Rechte aus dem Darlehensvertrag, denn durch die Kündigung erlischt mit Ablauf der Kündigungsfrist ab diesem Augenblick der weitere Anspruch der Erbengemeinschaft auf den vereinbarten Darlehenszins (vgl. bezogen auf einen Pacht- bzw. Mietvertrag BGH, Urteil vom 11.11.2009, Az. XII ZR 210/05, NJW 2010, 765, zitiert nach juris, Rdnr. 14 sowie BGH, Urteil vom 28.04.2006, Az. LwZR 10/05, FamRZ 2006, 1026, zitiert nach juris, Rdnr. 9).

    Gemäß § 2040 Abs. 1 BGB können Verfügungen jedoch nur gemeinschaftlich durch alle Miterben getroffen werden. Andererseits ist gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB jeder Miterbe den anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich sind.

    Gemäß §§ 2038 Abs. 2, 745 Abs. 1 BGB können solche Maßregeln auch mit Stimmenmehrheit beschlossen werden, bedürfen sie also nicht der Zustimmung sämtlicher Miterben. Der wirksame Mehrheitsbeschluss verschafft der Mehrheit der Miterben dabei Vertretungsmacht zum Handeln auch für die überstimmten Miterben. Zur Erhaltung notwendige Maßregeln kann jeder Miterbe schließlich gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB sogar ohne Mitwirkung der anderen treffen. Fraglich ist aber, was dann gilt, wenn eine Maßnahme der Nachlassverwaltung in einer Verfügung über den Nachlassgegenstand besteht, d.h. ob dann § 2040 BGB vorgeht und Einstimmigkeit verlangt, oder ob auch dann nur einzelne Miterben nach § 2038 BGB handeln können.

    Diese Frage ist in der Literatur streitig (vgl. die Nachweise in BGH, Urteil vom 11.11.2009, Az. XII ZR 210/05, NJW 2010, 765, zitiert nach juris, Rdnr. 21-25 sowie BGH, Urteil vom 28.04.2006, Az. LwZR 10/05, FamRZ 2006, 1026, zitiert nach juris, Rdnr. 12-15), wobei zum Teil ein Vorrang des § 2038 BGB und teils des § 2040 BGB befürwortet wird, daneben aber auch vermittelnde Auffassungen vertreten werden. Der BGH hatte sich im Anschluss an das Urteil BGHZ 38, 122, 124 bisher für einen Vorrang des § 2040 BGB ausgesprochen, da sich die Vorschrift des § 2038 BGB insgesamt nicht auf Verfügungen beziehe und für diese vielmehr die Sonderregelung des § 2040 BGB gelte.

    In dem zuvor zitierten BGH-Urteil vom 28.04.2006 wurde diese Frage sodann zwar noch offen gelassen, jedoch ausgeführt, dass viel für die Auffassung spreche, dass auch Verfügungen über einen Nachlassgegenstand als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung wirksam mit Stimmenmehrheit vorgenommen werden können, wenn dadurch die auf den Erhalt des Nachlassbestandes gerichteten Interessen der anderen Miterben nicht beeinträchtigt werden. Denn dies stehe im Einklang auch mit dem Zweck des § 2040 BGB, der darin bestehe, jeden Miterben vor einer Entwertung des Nachlasses zu schützen. Dass die Ausnahme vom Einstimmigkeitsprinzip in § 2038 BGB nur bei Verpflichtungsgeschäften, nicht aber bei Verfügungen zum Tragen kommen soll, sei jedenfalls dann nicht einsichtig, wenn sich die Verfügungen nicht nachteilig auf den Nachlassbestand auswirken. Hierzu hatte der V. Zivilsenat des BGH auf Anfrage mitgeteilt, dass er an seiner in der Entscheidung BGHZ 38, 122, 124 vertretenen Auffassung eines generellen Zurücktretens des § 2038 BGB nicht festhalte.

    Mit dem zuvor genannten Urteil vom 11.11.2009 bejahte der BGH zumindest für den Fall der Kündigung eines Mietverhältnisses einen Vorrang des § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB vor dem § 2040 BGB. Wenn Miterben durch Mehrheitsbeschluss im Rahmen der Nachlassverwaltung verbindlich Verträge mit Dritten abschließen und damit obligatorische Rechtspositionen begründen können, sei nicht ersichtlich, wieso es ihnen verwehrt sein sollte, diese Rechte ebenfalls mehrheitlich wieder aufzuheben. Vielmehr liege es nahe, dem Recht, einen Vertrag zu begründen, auch das Recht folgen zu lassen, diesen wieder zu kündigen, wobei es hierfür kein relevanter Unterschied sein könne, ob das konkrete Mietverhältnis bereits durch sie oder noch vom Erblasser begründet wurde. Voraussetzung hierfür ist aber, dass es sich bei der Kündigung um eine ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme handelt, was nicht der Fall sei, wenn sie dem Interesse des einzelnen Miterben an der Werterhaltung des Nachlasses nicht gerecht werde und sie zu einer Entwertung des Nachlasses führe.

    Im Kern decken sich die beiden letztgenannten Entscheidungen damit. Der Senat folgt dieser Rechtsauffassung, zumal sie zu einem vernünftigen Ausgleich der Mehrheits- mit den Minderheitsinteressen führt und tatsächlich kaum verständlich ist, wieso der Mehrheit eine Vertragsbegründung möglich sein soll, nicht aber der gegenteilige Akt. Da sich dies auch nicht aus einer speziellen mietrechtlichen Sondersituation ergibt, sondern letztlich für alle Verträge gilt, kann dieser Gedanke auch verallgemeinert werden, so dass seiner Anwendung auf ein Darlehen nichts entgegensteht. Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung können daher auch dann mit Mehrheit durchgeführt werden, wenn sie in einer Kündigung eines Darlehens bestehen und damit eine Verfügung darstellen.

    Vorliegend existiert eine Beschlussfassung der Erbengemeinschaft hinsichtlich einer Kündigung des Darlehens. Hierzu bedarf es insbesondere nicht der Einhaltung eines bestimmten Verfahrens, vielmehr kann dies sogar konkludent geschehen (BGH, Urteil vom 11.11.2009, Az. XII ZR 210/05, NJW 2010, 765, zitiert nach juris, Rdnr. 37). Das gewählte Verfahren, in dem schriftlich zu einer Äußerung aufgefordert wurde, wobei das zustimmende Votum der Klägerinnen bereits mitgeteilt wurde, stellt daher eine zureichende Beschlussfassung dar. Hierbei entschied sich auch die Mehrheit für die Kündigung, da insoweit gemäß § 745 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die Größe der Anteile abzustellen ist, was dazu führt, dass 2/3 dafür waren.

    Diese Beschlussfassung stellt sich auch als eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung dar. Denn zur Nachlassverwaltung gehören alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten. Ihre Ordnungsgemäßheit ist aus objektiver Sicht zu beurteilen, wobei der Standpunkt eines vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Beurteilers entscheidend ist. Eine Kündigung, die dem Interesse an dem Werterhalt des Nachlasses nicht gerecht wird und die zu einer Entwertung des Nachlasses führt, kann keine ordnungsgemäße Verwaltung darstellen. Sonstige Interessen der Miterben außer denen auf Verhinderung einer Nachlassentwertung haben dabei für diese Bewertung außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 11.11.2009, Az. XII ZR 210/05, NJW 2010, 765, zitiert nach juris, Rdnr. 32 ff.).

    Mit Blick darauf, dass der Beklagte schon seit Jahren keine Zinsen mehr zahlt und zumindest ungewiss ist, ob solche bei ihm realisiert werden könnten, stellt die Geldanlage bei ihm einen offensichtlich unwirtschaftlichen Akt der Nachlassverwaltung dar, dessen Beendigung objektiv angezeigt erscheint, um den Darlehensbetrag zu sichern und ihn einer Nutzung zuführen zu können, die Gewinn abwirft. Die Kündigung eines Darlehens, das rein tatsächlich keinen Ertrag mehr abwirft, bedeutet rechtlich zwar die Einbuße des Zinszahlungsanspruchs für die Zukunft, doch weil dieser wirtschaftlich ohnehin nichts wert ist, stellt dies daher gleichwohl eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung dar. Dies gilt umso mehr, weil die vereinbarte Zinshöhe nicht ungewöhnlich hoch ist, so dass im Falle der Rückzahlung eine vergleichbare Neuanlage bei einem solventeren Schuldner, der die vereinbarten Zinsen auch tatsächlich zahlt, möglich erscheint, wodurch sich die wirtschaftliche Lage des Nachlasses deutlich verbessern würde.

    Hieran ändert sich auch nichts, wenn der Beklagte zahlungsunfähig ist, weshalb es nicht darauf ankommt, ob die Klägerinnen dies noch bestreiten können. Das Landgericht sah hierin das entscheidende Argument, da die Verfolgung von Ansprüchen gegen ihn deshalb aus wirtschaftlichen Gründen keinen Sinn mache und es nur zusätzliche, den Nachlasswert schmälernde Kosten verursache, weil nicht ersichtlich sei, dass eine Zwangsvollstreckung gegen ihn erfolgreich sein könnte. Diese Argumentation vermischt damit jedoch die hier entscheidende Frage, ob eine Kündigung eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung ist, mit derjenigen, ob dies auch für die Durchsetzung des infolge der Kündigung entstehenden Rückzahlungsanspruchs gilt. Beides ist jedoch zu trennen, da es unterschiedliche Maßnahmen sind, deren rechtliche Bewertung ebenfalls differieren kann. Insbesondere kommt in Betracht, dass zwar die Kündigung eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung sein kann, nicht jedoch darauf aufbauende, Kosten verursachende Beitreibungshandlungen. Soweit die Kündigung wirtschaftlich vernünftig und isoliert betrachtet nicht nachlassentwertend ist, ist sie daher eine nach § 2038 BGB durch die Mehrheit vornehmbare Handlung, auch wenn dies für an sie anknüpfende Maßnahmen der Anspruchsdurchsetzung nicht gilt.

    Wie dargelegt, ist die Kündigung an sich wirtschaftlich vernünftig. Der Verlust des Zinsanspruchs für die Zukunft ist ökonomisch nicht nachteilig, wenn ohnehin keine Zinsen eingehen, während die Kündigung die Möglichkeit dazu schafft, Maßnahmen zur Rückführung der Darlehenssumme und einer ertragreicheren Neuanlage ergreifen zu können. Allein die Kündigung bedeutet für den Nachlass daher keinen wirtschaftlichen Nachteil, weil hierdurch die Darlehenssumme weder verringert noch zusätzlich gefährdet wird und aus den genannten Gründen auch der Wegfall des Zinsanspruchs nicht nachteilig ist, zumal bis zur tatsächlichen Rückzahlung ein wenigstens gleich hoher Verzugszinsanspruch besteht und nach der Rückführung eine Neuanlage möglich wäre. Nachteilig mag es zwar sein, wenn Nachlassvermögen aufgewendet werden würde, um nach der Kündigung den Rückzahlungsanspruch zu realisieren, obwohl dies wegen Zahlungsunfähigkeit des Beklagten anfänglich keine Aussicht auf Erfolg hat. Diese Entwertung des Nachlasses würde jedoch nicht durch die, wie dargelegt, wertneutrale Kündigung hervorgerufen werden, sondern durch hiervon verschiedene Handlungen der Anspruchsdurchsetzung und Vollstreckung. Vorliegend geht es jedoch allein um die Frage, ob die Kündigung nicht den Nachlass schmälernd und sie daher wirksam ist. Dies kann damit bejaht werden, ohne dass es darauf ankommt, ob der Beklagte zahlungsunfähig ist oder nicht. Vielmehr ist die Kündigung sogar gerade und in besonderem Maße wirtschaftlich angezeigt, wenn Zahlungsunfähigkeit vorliegen sollte.

    Hieran ändert sich auch nicht deshalb etwas, weil die Klägerinnen einen Rechtsanwalt mit dem Ausspruch der Kündigung beauftragt haben. Zwar mag es sein, dass dieser damit einen Vergütungsanspruch erworben hat, doch führt dies nicht dazu, dass die Kündigung deshalb nachlassschmälernd wird. Denn auch insoweit ist zwischen der Abgabe der Kündigungserklärung und sonstigen Handlungen zu unterscheiden. Nicht der Ausspruch der Kündigung ließ einen Vergütungsanspruch des Anwalts entstehen, sondern das Rechtsgeschäft seiner Beauftragung durch die Klägerinnen. Deshalb sind zunächst einmal sie selbst es, die seine Vergütung schulden, wobei sie nur dann Rückgriff beim Nachlass nehmen können, wenn sich auch diese Beauftragung eines Anwalts als Maßnahme der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung darstellt. Es bleibt daher dabei, dass die Kündigung an sich für den Nachlass nicht nachteilig ist, weshalb sie wirksam allein von der Mehrheit der Miterben beschlossen werden konnte.

    Ob die sich an die Kündigung anschließenden Handlungen der Realisierung des Rückzahlungsanspruchs für den Nachlass nachteilig sind, ist für dieses Verfahren irrelevant. Die vorliegende Klage zur Erlangung eines Titels führen die Klägerinnen ausdrücklich unter Hinweis auf § 2039 BGB, also allein im eigenen Namen und damit zunächst ausschließlich auf eigenes Kostenrisiko. Ob insoweit ein Ausgleichsanspruch gegen die Miterbengemeinschaft und damit den Nachlass besteht, ist nicht Gegenstand des Verfahrens und daher nicht zu entscheiden. Auch für sonstige Beitreibungshandlungen würde gelten, dass dann, wenn sie nicht von allen Miterben beschlossen werden, nur beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 2038 Abs. 1 BGB eine die Erbengemeinschaft bindende Entschlussfassung der Mehrheit in Betracht käme, so dass keine Entwertung des Nachlasses gegen den Willen eines Miterben drohen könnte.

    Die Kündigungserklärung ist daher gemäß §§ 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, Abs. 2 Satz 1, 745 BGB wirksam für die Erbengemeinschaft abgegeben worden, so dass gemäß §§ 490 Abs. 3, 314 BGB bereits die fristlose Kündigung wegen des lang anhaltenden Verzugs mit den Zinszahlungen wirksam ist und der Rückzahlungsanspruch fällig wurde, ohne dass es auf den Ablauf der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende ankommt. Ein Zahlungsanspruch in der begehrten Höhe besteht daher.

    Verjährung scheidet aus. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst, wenn der Anspruch entstanden ist.

    Die entscheidende Voraussetzung ist damit die Fälligkeit. Ansprüche, deren Fälligkeit eine Kündigung voraussetzt, sind dabei erst entstanden, wenn die Kündigung oder Anfechtung erklärt und wirksam geworden ist (Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 199 Rdnr. 4). Dies geschah vorliegend erst im Jahr 2010.

    Auch für eine Verwirkung spricht nichts. Der Rückzahlungsanspruch ist erst im Jahr 2010 entstanden, weshalb eine Verwirkung bezogen auf ihn ersichtlich ausscheidet. Auch das Kündigungsrecht kann noch nicht verwirkt sein. Das Darlehen war ausdrücklich auf unbestimmte Zeit gewährt worden. Schon das erforderliche Zeitmoment wird daher, selbst bei fehlender Zinszahlung, einen längeren Zeitablauf voraussetzen, als er bisher vorliegt. Zumindest zum Umstandsmoment fehlt es aber an jeglichem Vortrag.

    Die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Der Beklagte beruft sich insoweit nur darauf, dass Vollstreckungsmaßnahmen ihm psychischen und/oder physischen Schaden zufügen würden. Dies ist schon deshalb irrelevant, weil es vorliegend zunächst nur um die Erlangung eines Titels geht. Dass ihn bereits die Existenz eines Titels körperlich oder seelisch beeinträchtigt, ist nicht dargelegt.

    Der Zinsanspruch ergibt sich zunächst aus der vertraglichen Vereinbarung. Mit Fälligstellung des Darlehens endet zwar die Verpflichtung zur Zahlung des Vertragszinses (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 288 Rdnr. 11), vorliegend also zum 02.06.2010. Gleichzeitig besteht dann jedoch ein Anspruch auf Verzugszinsen nach §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Verjährungsfrist für die Zinsen aus dem Jahr 2007 endete zwar mit dem Jahr 2010, jedoch liegt eine Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB vor.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 2, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB § 745 BGB § 2038 BGB § 2039 BGB § 2040 BGB