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  • 27.10.2011 · IWW-Abrufnummer 113443

    Oberlandesgericht München: Beschluss vom 05.05.2011 – 31 Wx 164/11

    1.
    Das Verfahren zur Feststellung des gesetzlichen Erbrechts des Staates ist jedenfalls dann durchzuführen, wenn infolge erfolgter Ausschlagungen vorrangiger Erben das Erbrecht des Fiskus in Betracht kommt und dessen Feststellung durch einen Nachlassgläubiger zum Zwecke der Durchsetzung von Forderungen gegen den Nachlass anregt wird.


    2.
    Die Werthaltigkeit des Nachlasses ist lediglich bedeutsam für die Frage des Umfangs der gebotenen Ermittlungen, ob Erbrechte Dritter gegeben sind, nicht aber für die Entscheidung selbst, ob überhaupt ein Feststellungsverfahren durchzuführen ist.


    31 Wx 164/11

    In Sachen
    .......
    erlässt das Oberlandesgericht München -31. Zivilsenat-
    durch
    den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rojahn,
    den Richter am Oberlandesgericht Wimmer und
    den Richter am Oberlandesgericht Gierl
    am 05.05.2011
    folgenden Beschluss

    Tenor:
    I.
    Auf die weitere Beschwerde werden der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21. Februar 2011 und der Beschluss des Amtsgerichts Erlangen - Nachlassgericht -vom 30. Juni 2009 aufgehoben.
    II.
    Das Nachlassgericht wird angewiesen, das Verfahren zur Feststellung des gesetzlichen Erbrechts des Staates durchzuführen.
    III.
    Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 8.885,47 EUR festgesetzt.
    Gründe
    I.

    Die Beschwerdeführerin ist Nachlassgläubigerin des Anfang 2008 verstorbenen Erblassers. Der Verstorbene hinterließ drei erwachsene Kinder, die mit notariellen Erklärungen vom 8.2.2008 und 21.2.2008 die Erbschaft jeweils mit Wirkung für sich selbst und ihre Kinder aus jedem möglichen Berufungsgrund ausschlugen. Die Ehefrau des Erblassers ist bereits 1997 vorverstorben. Weiterhin hinterließ der Verstorbene einen Bruder, dessen Adresse bekannt ist. Der Aktivwert des Nachlasses beträgt ca. 120 EUR, dem Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von ca. 800 EUR gegenüberstehen.

    Die Beschwerdeführerin hat die Einleitung eines Feststellungsverfahrens nach § 1964 BGBbeantragt, da sie Ansprüche als Vermieterin gegen den Erblasser in Höhe von ca. 9.000 EURgeltend mache. Das Amtsgericht hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Ein solcherAntrag auf Feststellung des Fiskalerbrechts sei gesetzlich nicht vorgesehen. § 1964 BGBkomme erst dann zum Tragen, wenn im Rahmen der Erbenermittlungspflicht des

    Nachlassgerichts Anhaltspunkte dafür bestünden, dass kein anderer Erbe als der Fiskus vorhanden ist. Im vorliegenden Verfahren sei aber das Nachlassgericht gerade nicht verpflichtet, die Erben zu ermitteln. Vielmehr sei das Verfahren nach Art. 37 BayAGGVG eingestellt worden. Die hiergegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos. Mit der weiteren Beschwerde verfolgt die Nachlassgläubigerin ihr Ziel weiter.

    II.

    Die zulässige weitere Beschwerde führt unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen zur Zurückverweisung an das Nachlassgericht. Zu Unrecht sind die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die Durchführung des Verfahrens auf Feststellung des gesetzlichen Erbrechts des Staates nicht gegeben sind. Demgemäß war das Nachlassgericht auch anzuweisen, das Feststellungsverfahren im Sinne der §§ 1964, 1965 BGB durchzuführen.

    1.

    Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt.

    Die Beschwerdeführerin könne keine Feststellung eines Fiskuserbrechts nach § 1964 BGB verlangen. Das Nachlassgericht sei bereits nicht zu weiteren Ermittlungen nach möglichen Erben verpflichtet.

    Nach § 1964 BGB habe das Nachlassgericht festzustellen, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, wenn der Erbe nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist ermittelt werde. Dem Beschluss nach § 1964 BGB müssten demnach Ermittlungen zur Feststellung der Erben vorausgehen. Zutreffend weise die Beschwerdeführerin darauf hin, dass allein die Überschuldung des Nachlasses oder ein nur geringfügiger Nachlass nicht von der dem Nachlassgericht grundsätzlich obliegenden Pflicht zur Erbenermittlung entbinde. Umfang und Dauer der Erbenermittlung stehe jedoch im Ermessen des Nachlassgerichts. Die durch Ermittlungsmaßnahmen anfallenden Kosten und deren Verhältnis zum Nachlasswert seien entscheidende Kriterien im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung. Für den Freistaat Bayern sei zudem in Art. 37 BayAGGVG geregelt, dass die Ermittlung der Erben von Amts wegen dann unterbleibe, wenn zum Nachlass kein Grundstück oder grundstücksgleiches Recht gehöre und nach den Umständen des Falles anzunehmen sei, dass ein die Beerdigungskosten übersteigender Nachlass nicht vorhanden ist. Die landesrechtliche Vorschrift stehe nicht - wie die Beschwerdeführerin meine - in Widerspruch zum Bundesrecht. Sie konkretisiere lediglich das dem Nachlassgericht gerade auch nach § 1964 BGB hinsichtlich der Erbenermittlung zustehende Ermessen. Außerhalb der Pflicht des Nachlassgerichts zur Erbenermittlung von Amts wegen sehe das Gesetz eine Verpflichtung des Nachlassgerichts zur Erbenermittlung auf Antrag von Nachlassgläubigern oder sonst bei Vorliegen eines berechtigten Interesses eines Dritten gerade nicht vor.

    Vorliegend habe das Nachlassgericht die Ermittlungen zu möglichen gesetzlichen Erben auf die durch das Antwortschreiben der Tochter des Verstorbenen erlangten Informationen zu gesetzlichen Erben beschränkt und von weiteren Ermittlungen nach Art. 37 BayAGGVG abgesehen, da weder ein Grundstück noch ein grundstückgleiches Recht zum Nachlass gehöre und auch sonst kein die Beerdigungskosten übersteigendes Nachlassvermögen bekannt wäre. Der Verzicht auf weitere Ermittlungen bewege sich innerhalb des dem Nachlassgericht insoweit zustehenden und nach Art. 37 BayAGGVG ausgestalteten pflichtgemäßen Ermessens und sei daher nicht zu beanstanden. Entsprechend könne jedoch auch keine Feststellung nach § 1964 BGB verlangt werden, da die Feststellung des Fiskuserbrechts gerade die Erfolglosigkeit von Ermittlungen nach weiteren Erben voraussetze. Seien solche Ermittlungen in der Sache nicht veranlasst, so könne auch die Feststellung, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden sei, nicht getroffen werden.

    2.

    Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 FGG, § 546 ZPO). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen liegen die Voraussetzungen für die Durchführung des Feststellungsverfahrens im Sinne der §§ 1964, 1965 BGB jedenfalls dann vor, wenn im Hinblick auf bereits erfolgte Ausschlagungen vorrangiger Erben des Erblassers ein etwaiges Erbrecht des Fiskus in Betracht kommt und dessen Feststellung durch einen Nachlassgläubiger zum Zwecke der Durchsetzung von Forderungen gegen den Nachlass angeregt wird.

    a)

    Das Verfahren richtet sich nach altem Recht (FGG), da der Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung des Staatserbrechts im Sinne des § 1936 BGB vor dem Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes zum 1.9.2009 gestellt wurde. Das Feststellungsverfahren im Sinne der §§ 1964, 1965 BGB ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 2 FGG-RG, so dass es für die Anwendung der Übergangsvorschrift des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG auf den Beginn des konkreten Verfahrens ankommt.

    b)

    Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin als Nachlassgläubigerin gegen die Ablehnung der Feststellung, dass der Fiskus gesetzlicher Erbe ist, beschwerdebefugt im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG ist. Die Entscheidung des Nachlassgerichts greift nämlich unmittelbar in den Rechtskreis der Beschwerdeführerin ein. Die Beschwerdeführerin kann ihre Ansprüche gegen den Fiskus als gesetzlichen Erben erst dann geltend machen, wenn das Staatserbrecht festgestellt ist (§ 1966 BGB). Eine ablehnende Entscheidung des Nachlassgerichts bezüglich der Einleitung und Durchführung des Feststellungsverfahrens schneidet damit der Beschwerdeführerin die Möglichkeit der Rechtsverfolgung gegen den Fiskus ab, so dass die Entscheidung unmittelbare Wirkung auf die Rechte der Nachlassgläubigerin erlangt (vgl. dazu bereits BayObLGZ 1957, 360).

    c)

    Das Landgericht ist jedoch rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass dieBeschwerdeführerin nicht die Feststellung des gesetzlichen Erbrechts des Fiskus gemäß §§ 1964, 1965 BGB verlangen kann.

    aa)

    Gemäß § 1936 BGB tritt der Fiskus als gesetzlicher Erbe ein, wenn zur Zeit des Erbfallsweder ein Verwandter, ein Ehegatte oder Lebenspartner des Erblassers vorhanden ist. Dies istauch dann der Fall, wenn diese Personen zwar beim Erbfall leben, jedoch aufgrundErbverzichts, vorzeitigen Erbausgleichs, Erbunwürdigkeiterklärung, Enterbung oder

    Ausschlagung nicht gesetzliche Erben werden (MüKo/Leipold BGB 5. Auflage <2010> § 1936 Rn. 3). Das Erbrecht des Staates ist wahres Erbrecht im privatrechtlichen Sinne und nicht nur Ausdruck eines hoheitlichen Aneignungsrechts (Staudinger/Werner BGB <2007> § 1936 Rn. 2; Soergel/Stein BGB 13. Auflage § 1936 Rn. 1). Der Sinn und Zweck der Regelung liegt dabei nicht in fiskalischen Gründen (Burandt/Rojahn/Große-Boymann Erbrecht 1. Auflage <2011> § 1936 Rn. 1), sondern u.a. in der Ordnungsfunktion, nämlich in dem Bestreben, herrenlose Nachlässe zu verhindern und eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung zu gewährleisten (Burandt/Rojahn/Große-Boymann a.a.O. Rn 1.; Soergel/Stein a.a.O. Rn 1; MüKo/Leipold a.a.O.

    § 1936 Rn. 2). Der Staat erfüllt dabei im Rahmen der Abwicklung des Nachlasses de factopolizeiliche Aufgaben (Lange/Kuchinke Erbrecht <2001> § 13 I 2). Denn aus Gründen derOrdnungsfunktion ist es nicht ausreichend, die Aufgabe der Sicherung und Abwicklung desNachlasses lediglich mittels Nachlasspflegschaft, Nachlassverwaltung und

    Nachlassinsolvenzverfahren ohne materiell-rechtlich Berechtigten zu erfüllen (Lange/Kuchinke a.a.O.; a.A. offenbar Staudinger/Marotzke a.a.O § 1964 Rn 3, für den Fall eines überschuldeten Nachlasses unter Verweis auf § 1961 BGB), zumal der Staat über einen umfänglichen und sachkundigen Verwertungsapparat verfügt, so dass eine öffentlich-rechtliche Durchführung der Nachlassabwicklung gerechtfertigt ist (Lange/Kuchinke a.a.O.).

    bb)

    Grundlage der Verwirklichung des gesetzlichen Erbrechts ist dabei der in §§ 1964, 1965 BGB geregelte nachlassgerichtliche Feststellungsbeschluss, dem Ermittlungen vorauszugehen sind, ob nicht ein anderer Erbe vorhanden ist. Ob auch dann eine Pflicht zur Durchführung des Feststellungsverfahren bzw. zur Aufnahme von Ermittlungen von etwaigen Erben besteht, wenn lediglich ein geringwertiger Nachlass vorhanden ist bzw. dieser überschuldet ist, wird nicht einheitlich beantwortet.

    (1) Zum Teil wird eine solche Pflicht generell verneint (vgl. Firsching/Graf Nachlassrecht, 9.

    Auflage <2008> Rdnr. 4.521; Bestelmeyer in Anmerkung zu LG Stade Rpfleger 2004, 568;Frohn Rpfleger 1986, 37/38), zum Teil die Durchführung von Ermittlungen in das Ermessen desNachlassgerichts gestellt (BayObLGZ 1957, 360/364; RGRK/Kregel BGB § 1936 Rn. 1 a.E.).

    Der überwiegende Teil der Literatur (MüKo/Leipold BGB <2010> § 1964 Rn. 3 und 8;Soergel/Stein 13. Auflage § 1964 Rn. 2; Erman/Schlüter BGB 12. Auflage <2008> § 1964 Rn.

    2; Bamberger/Roth BGB 3. Auflage <2008> § 1964 Rn. 3; Staudinger/Marotzke BGB <2007> § 1964 Rn. 3 und Burandt/Rojahn/Trimborn von Landenberg a.a.O. § 1965 Rn. 3, beide abereinschränkend, sofern die Kosten unverhältnismäßig groß wären) wie auch der Rechtsprechung(KG OLG 9, 384; LG Düsseldorf Rpfleger 1981, 358; LG Stade Rpfleger 2004, 568 mit abl. Anm.

    Bestelmeyer) bejahen hingegen eine Ermittlungspflicht des Nachlassgerichts auch in solcheinem Fall.

    (2) Nach Auffassung des Senats ist im Rahmen des § 1936 BGB i.V.m. §§ 1964, 1965 BGB dieFrage, ob ein Feststellungsverfahren überhaupt durchzuführen ist, von der Frage nach der Artund Weise bzw. des Umfangs der gebotenen Ermittlungen für die Feststellung des gesetzlichenErbrechts des Fiskus zu unterscheiden.

    Kommt das gesetzliche Erbrecht des Fiskus im Sinne des § 1936 BGB in Betracht, so ist grundsätzlich die Durchführung des Feststellungsverfahren nach §§ 1964, 1965 BGB von Amts wegen veranlasst. Dass der Nachlass geringwertig oder überschuldet ist, kommt dabei keine maßgebende Bedeutung zu. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das gesetzliche Erbrecht desStaates Ausfluss eines hoheitlichen Heimfall- oder Aneignungsrecht wäre und demgemäß derFiskus kein wirtschaftlich vernünftiges Interesse hat, Inhaber eines geringwertigen oderüberschuldeten Nachlasses zu werden. Dem ist aber nicht so. Die Ordnungsfunktion alsRegelungszweck des § 1936 BGB (s.o.), dessen verfahrensrechtliche Seite die §§ 1964, 1965darstellen, gebietet grundsätzlich auch dann die Einleitung und Durchführung der Feststellungdes gesetzliches Erbrechts des Fiskus, wenn dieser keinen werthaltigen Nachlass zu erwartenhat. Dass bei einem nicht werthaltigen Nachlass von vornherein keine weiterenkostenverursachenden Ermittlungen zur Feststellung des Erbrechts Dritter veranlasst sind, kanndaher nicht dazu führen, dass bereits von der Einleitung und Durchführung desFeststellungsverfahrens im Sinne der §§ 1964, 1965 BGB Abstand zu nehmen wäre (in diesemSinne wohl Bestelmeyer in Anmerkung zu LG Stade Rpfleger 2004, 568). Denn damit würde dieFrage der Einleitung des Feststellungsverfahrens mit der Frage des Umfangs der erforderlichenErmittlungen unzulässigerweise verknüpft. Wie aber der Regelung des § 1965 Abs. 1 Satz 2BGB zu entnehmen ist, ist die Werthaltigkeit des Nachlasses gerade kein maßgebendesKriterium für die Einleitung des Feststellungsverfahrens selbst. Danach bedarf es keinesAufgebotsverfahrens im Sinne des § 1965 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn dessen Kosten demBestand des Nachlasses gegenüber unverhältnismäßig groß sind. Aus dieser Regelung kommtgerade die gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, dass selbst dann, wenn bereits voraberkennbar ist, dass die Kosten des Aufgebotsverfahrens über den Wert des Nachlasses liegen(unverhältnismäßig (!) groß), nicht von der Einleitung und Durchführung des

    Feststellungsverfahrens selbst Abstand genommen werden soll, sondern es (lediglich) vor Erlass des Feststellungsbeschlusses nicht der Durchführung des ansonsten zwingend vorgeschriebenen Aufgebotsverfahrens bedarf.

    Die Werthaltigkeit des Nachlasses kann daher kein maßgebendes Kriterium für die Einleitung und Durchführung des Feststellungsverfahrens selbst darstellen, sondern lediglich Maßstab für die Ausübung des dem Nachlassgericht eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens im Sinne des § 12 FGG im Hinblick auf den Umfang der gebotenen Ermittlungen zur Feststellung von etwaigen Erbrechten Dritter sein. Demgemäß steht auch Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayAGGVG nicht der Einleitung und Durchführung des Feststellungsverfahrens im Sinne der §§ 1964, 1965 BGB selbst entgegen. Diese Regelung betrifft nämlich im hier erörterten Zusammenhang lediglich die dem Nachlassgericht u.a. gemäß § 1964 Abs. 1 BGB obliegende Ermittlungspflicht im Rahmen des Feststellungsverfahrens und konkretisiert dessen Umfang.

    cc)

    Die Voraussetzungen für die Einleitung und die Durchführung des Feststellungsverfahren im Sinne der §§ 1964, 1965 BGB sind hier gegeben.

    (1)

    Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Fiskus als gesetzlicher Erbe desErblassers (§ 1936 BGB) in Betracht kommt. Der Ehegatte des Erblassers ist vorverstorben;sämtliche Abkömmlinge des Erblassers haben die ihnen zugefallene Erbschaft aus allenBerufungsgründen für sich und ihre Abkömmlinge ausgeschlagen. Zudem ist der Nachlass nichtwerthaltig (ca. 120 EUR), sondern es besteht die Erwartung, dass sich der Nachlass alsüberschuldet erweist, da Forderungen gegen den Nachlass in Höhe von über 9.000 EUR geltendgemacht werden. Es ist daher auch naheliegend, dass der nach Aktenlage als Erbe in Betrachtkommende Bruder des Erblassers ebenfalls die Erbschaft ausschlagen wird. Damit käme derFreistaat Bayern gemäß § 1936 BGB als gesetzlicher Erbe des Erblassers in Betracht.

    Demgemäß ist das Feststellungsverfahren im Sinne der §§ 1964, 1965 BGB grundsätzlichdurchzuführen.

    Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin als Nachlassgläubigerin zur Geltendmachung ihrer Forderung auch die Möglichkeit hat, die Anordnung einer Nachlasspflegschaft im Sinne des § 1961 BGB zu beantragen, führt hingegen nicht dazu, dass das Nachlassgericht von dem Feststellungsverfahren nach §§ 1964, 1965 BGB absehen und die Beschwerdeführerin auf eine solche Antragstellung verweisen kann (so aber wohl Staudinger/Marotzke a.a.O. § 1964 Rn. 3; Burandt/Rojahn/Trimborn von Landenberg a.a.O. § 1964 Rn. 3). Dies hätte ansonsten zur Folge, dass ein Vertreter für ein Vermögen ohne materiell Berechtigten tätig wäre (Lange/Kuchinke a.a.O. § 13 I 2). Eine solche Verfahrensweise stünde aber nicht im Einklang mit der Ordnungsfunktion des § 1936 BGB.

    (2)

    Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann die Beschwerdeführerin alsNachlassgläubigerin auch die Durchführung des Feststellungsverfahrens im Sinne der §§ 1964,1965 BGB verlangen. Dieses ist zwar als Amtsverfahren ausgestaltet (vgl. Holl Rpfleger 2008,285, 286), sodass ein Antragsrecht eines Nachlassgläubigers zur Einleitung und Durchführungdes Feststellungsverfahrens des gesetzlichen Erbrechts des Fiskus nicht vorgesehen ist. DerBeschwerdeführerin ist aber im Rahmen des Amtsverfahrens die Möglichkeit eröffnet, dieDurchführung des Feststellungsverfahrens nach §§ 1964, 1965 BGB anzuregen (vgl.

    Keidel/Schmidt FGG 15. Aufl. § 12 Rn. 8; vgl. nunmehr auch § 24 Abs. 1 FamFG). Da sie alsNachlassgläubigerin zudem beschwerdebefugt im Sinne des § 20 Abs. 1 FGG ist (s.o.), kann sieauch eine ablehnende Entscheidung des Nachlassgericht grundsätzlich gerichtlich überprüfenlassen, insbesondere dahingehend, ob das Nachlassgericht zu Unrecht von der Durchführungdes Feststellungsverfahrens abgesehen hat.

    (3)

    Im Rahmen des Feststellungsverfahrens wird das Nachlassgericht lediglich noch abzuklärenhaben, ob der Bruder des Erblassers überhaupt als Erbe in Betracht kommt. Zu diesem Zweckwird das Nachlassgericht diesen gemäß § 1953 Abs. 3 Satz 1 BGB von der Ausschlagung der Abkömmlinge des Erblassers zu benachrichtigen haben. Eine solche Benachrichtigung steht nicht im Widerspruch zu Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayAGGVG. Nach dieser Regelung soll bei nicht werthaltigem Nachlass lediglich die Ermittlung von bisher unbekannten Erben unterbleiben. Eine solche steht vorliegend gerade nicht (mehr) inmitten, da die Person des in Betracht kommenden Erben bereits durch das Nachlassgericht ermittelt wurde. Für den weiteren Verfahrensgang weist der Senat darauf hin, dass nach einer Ausschlagung der Erbschaft durch den Bruder des Erblassers im Hinblick auf die Werthaltigkeit des Nachlasses keine weiteren Ermittlungen durch das Nachlassgericht veranlasst sein dürften. Auch liegt es nahe, dass das Nachlassgericht gemäß § 1965 Abs. 1 Satz 2 BGB nach erfolgter Ausschlagung des Bruders des Erblassers von einer öffentlichen Aufforderung zur Anmeldung sonstiger Erbrechte absehen wird. Ein Eingriff in etwaige Rechte unbekannter Erben ist mit dem dann zu erlassenden Feststellungsbeschluss hinsichtlich des gesetzlichen Erbrechts des Staates nicht verbunden, da die Entscheidung nicht die wahre Erbfolge ändert, sondern gemäß § 1964 Abs. 2 BGB lediglich eine widerlegbare Vermutung zugunsten des Staatserbrechts begründet.

    3.

    Die Entscheidung ist gerichtsgebührenfrei ( § 131 Abs. 3 KostO). Die Anordnung einer Kostenerstattung ist nicht veranlasst. Den Gebührenstreitwert setzt der Senat auf 8.885,47 EUR fest.

    RechtsgebieteBGB, BayAGGVGVorschriften§ 1936 BGB § 1964 BGB § 1965 BGB § 1966 BGB Art. 37 BayAGGVG