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  • 26.05.2011 · IWW-Abrufnummer 111732

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 17.02.2011 – I-15 W 167/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Datum:17.02.2011
    Oberlandesgericht Hamm
    15. Zivilsenat
    Beschluss
    Aktenzeichen:I-15 W 167/10
    Vorinstanz: Amtsgericht Werl, 5 VI 241/09
    Tenor:
    Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
    Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) und 2) vom 06.11.2009 wird zurückgewiesen.
    Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet in beiden Instanzen nicht statt.
    Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 14.000,- € festgesetzt.

    Dem Beteiligten zu 3. wird für das Beschwerdeverfahren ratenzahlungsfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin L in C bewilligt.

    Gründe:

    Die Beschwerde des Beteiligten zu 3. gegen den nach § 352 Abs. 1 und 2 FamFG ergangenen Feststellungsbeschluss des Amtsgerichts ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 63 Abs. 1 und 3; 64 Abs. 1 und 2 FamFG). Der Beschwerdewert von 600,- € (§ 61 Abs. 1 FamFG) ist überschritten. Der Beteiligte zu 3. ist nach § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdebefugt, da er ein gesetzliches Erbrecht geltend macht, das in dem von dem Amtsgericht angekündigten Erbschein nicht aufgeführt ist.

    Die Beschwerde ist auch begründet und führt zur Abänderung des amtsgerichtlichen Feststellungsbeschlusses. Der von den Beteiligten zu 1. und 2. in der notariellen Urkunde vom 06.11.2009 (UR-Nr. 545/2009 des Notars N) beantragte Erbschein kann nicht erteilt werden, da er die Erbfolge falsch wiedergeben würde.

    Dass sich die Erbfolge nach dem Gesetz richtet, ist unstreitig. Das Ehegattentestament vom 02.12.1999 enthält lediglich eine Alleinerbeinsetzung des überlebenden Ehegatten; da der Ehemann der Erblasserin vorverstorben ist, ist dieses Testament bezogen auf den vorliegenden Erbfall gegenstandslos. Das handschriftliche Testament vom 31.01.2008 ist entgegen § 2247 Abs. 1 BGB nicht unterschrieben und somit nach § 125 S. 1 BGB nichtig. Das Schriftstück vom 08.02.2009 enthält nur eine Vollmacht und keine letztwilligen Verfügungen.

    Dementsprechend ist die Erblasserin ursprünglich aufgrund gesetzlicher Erbfolge gemäß § 1924 BGB zu gleichen Teilen von ihren Kindern C2 (Beteiligter zu 1.), C3 (Beteiligte zu 2.) und C4 beerbt worden.

    C4 hat jedoch durch die an das Nachlassgericht gerichtete, öffentlich beglaubigte Erklärung vom 21./22.07.2009 die Erbschaft wirksam ausgeschlagen mit der Folge, dass er seine Erbenstellung rückwirkend verloren hat (§ 1953 Abs. 1 BGB) und sein Erbteil rückwirkend zu gleichen Teilen seinen Kindern als Nächstberufenen angefallen ist (§§ 1953 Abs. 2, 1924 Abs. 3 und 4 BGB). Die Ausschlagungserklärung war formgerecht (§ 1945 Abs. 1 BGB). Sie ist am 08.08.2009 bei dem nach dem damals geltenden § 73 Abs. 1 FGG örtlich zuständigen Amtsgericht Werl eingegangen. Da seit dem Eintritt des Erbfalls (08.07.2009) noch keine sechs Wochen verstrichen waren, erfolgte die Ausschlagung auf jeden Fall fristgerecht (§ 1944 BGB).

    Die Ausschlagung ist weder nach § 1949 BGB unwirksam bzw. gegenstandslos, noch greift die unter dem 28.10.2009 erklärte Anfechtung der Ausschlagung durch.

    C4 hat geltend gemacht, er sei bei der Anfechtung irrtümlich davon ausgegangen, dass das privatschriftliche Testament vom 31.01.2008, in dem seine Geschwister – die Beteiligten zu 1. und 2. – als Erben eingesetzt wurden, gültig sei, so dass er die Ausschlagungserklärung in Unkenntnis der (wahren) Rechtslage abgegeben habe. Ob diese Darstellung zutreffend ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Auffällig ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass der Beteiligte zu 1. bereits in seinem früheren Erbscheinsantrag vom 23.07.2009 – also zeitnah zu der Ausschlagungserklärung des C4 – das Testament vom 31.01.2008 als formunwirksam bezeichnet und gleichwohl eine Ausschlagungserklärung seines Bruders Dieter "aus jedem Berufungsgrunde" angekündigt hat. Auch fällt auf, dass die Anfechtung erklärt wurde, nachdem die Rechtspflegerin des Amtsgerichts den Beteiligten zu 1. sinngemäß darauf hingewiesen hatte, dass anstelle des C4 nunmehr dessen Kinder zum Zuge kommen würden.

    Aber auch wenn man davon ausgeht, dass C4 bei der Ausschlagung fälschlich von der Wirksamkeit des privatschriftlichen Testaments vom 31.01.2008 ausgegangen ist, ist dieser Irrtum im Ergebnis unbeachtlich. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Fehlvorstellung des C4 als Irrtum über den Berufungsgrund im Sinne des § 1949 BGB (Unkenntnis seiner Stellung als gesetzlicher Miterbe) oder als im Rahmen der Anfechtung (§§ 1954, 1955 BGB) zu berücksichtigender Inhaltsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB einzustufen ist. Es ist jedenfalls nicht feststellbar, dass dieser Irrtum für die Ausschlagung kausal geworden ist. Hierfür tragen die Beteiligten zu 1) und 2) die materielle Feststellungslast, weil sie mit ihrem Erbscheinsantrag Rechte aus der Unwirksamkeit der Ausschlagungserklärung des C4 herleiten.

    Die Gesamtumstände sprechen im vorliegenden Fall dafür, dass C4 die Erbschaft auf jeden Fall – also auch für den Fall eines gesetzlichen Erbrechts – ausschlagen wollte. C4 hat die Erbschaft ausdrücklich "aus allen Berufungsgründen" ausgeschlagen. Eine solche Erklärung erfasst entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht nur die dem Ausschlagenden bekannten, sondern gerade auch die ihm unbekannten Berufungsgründe. Durch eine derartige Erklärung bringt der Ausschlagende nämlich zum Ausdruck, dass er die Erbschaft in jedem Fall ausschlagen will und dass ihm der Berufungsgrund gleichgültig ist (BVerwG, FamRZ 2010, 1250; Bamberger/Roth/Siegmann/Höger, BGB, 2. Aufl., § 1949, Rn. 4; Kroiß/Ann/Mayer/Ivo, BGB, 3. Aufl., § 1949, Rn. 8). Nach seiner eigenen Darstellung wusste C4 außerdem, dass ihm als Kind der Erblasserin in jedem Fall "irgendein Anspruch" zustehen würde, wollte seinen Geschwistern aber "keine Schwierigkeiten machen". Auch dieses spricht dafür, dass er bei der Ausschlagung auf eine – wie auch immer geartete - Beteiligung am Nachlass keinen Wert legte. Der Schlussfolgerung des Amtsgerichts, dass C4 bei der Ausschlagung gar nicht die Absicht gehabt habe, "auf einen Erbteil zu verzichten", sondern nur eine klarstellende Erklärung abgeben wollte, um seinen Geschwistern unnötige Formalitäten zu ersparen, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Es erscheint nicht lebensnah, dass C4 eine rechtlich wirkungslose und somit letztlich überflüssige Erklärung abgeben wollte und dafür die Mühen und Kosten einer öffentlichen Beglaubigung seiner Erklärung in Thailand auf sich nahm. Die Ausschlagungserklärung macht nur dann einen Sinn, wenn C4 ein eigenes Erbrecht – aus welchem Grund auch immer – nicht von vornherein für völlig ausgeschlossen hielt, also davon ausging, dass die Ausschlagungserklärung trotz des Testaments vom 31.01.2008 wegen nicht vorhersehbarer Unwägbarkeiten für sein Ausscheiden als Miterbe möglicherweise doch noch Bedeutung erlangen könnte. Auch derjenige, der nach dem ihm bekannten Sachstand von seiner Enterbung ausgeht und trotzdem gleichsam zur Sicherheit die Ausschlagung aus allen Berufungsgründen erklärt, bringt dadurch zum Ausdruck, dass er auf keinen Fall (Mit-)Erbe werden möchte.

    Der Feststellungsbeschluss stellt nach der gesetzgeberischen Konzeption des § 352 FamFG eine instanzabschließende Entscheidung über den Erbscheinsantrag dar (vgl. BT- Drs. 16/6308 S. 281). Er unterscheidet sich in diesem Punkt von dem unter Geltung des FamFG anerkannten Vorbescheid, der lediglich als Zwischenentscheidung qualifiziert wurde (abweichend Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl., § 352, Rn. 137, der den Feststellungsbeschluss weiterhin als Zwischenentscheidung ansieht). Die abändernde Entscheidung des Beschwerdegerichts kann sich deshalb nicht auf eine Aufhebung des Feststellungsbeschlusses beschränken, sondern muss gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 FamFG eine abschließende Entscheidung über den Verfahrensgegenstand, hier den gestellten Erbscheinsantrag, treffen (vgl. Bassenge, FamFG, 12. Aufl., § 352, Rn. 22). Dementsprechend hatte der Senat nunmehr anstelle des Amtsgerichts den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) und 2) abschließend zurückzuweisen.

    Der Senat hat von einer Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten für beide Instanzen abgesehen (§ 81 Abs. 1 S. 1 FamFG). Dieses entspricht billigem Ermessen, da die Sach- und Rechtslage schwierig war und die Vorinstanz abweichend entschieden hat.

    Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Wert des von dem Beteiligten zu 3. beanspruchten Erbteils (= 1/9 von 125.000,- €).

    Die Entscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Beteiligten zu 3. folgt aus § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO, 78 Abs. 2 FamFG.