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  • · Fachbeitrag · Erbschein

    Anforderungen an die öffentliche Aufforderung zur Anmeldung eines Erbrechts

    von RA Dr. Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster

    Fordert das Nachlassgericht einen namentlich bezeichneten Erbberechtigten im Wege der öffentlichen Aufforderung zur Anmeldung seiner Erbrechte auf, müssen die dabei mitgeteilten persönlichen Angaben - soweit bekannt - zutreffend wiedergegeben werden. Anderenfalls kann der Erbschein nicht ohne Berücksichtigung des Aufgeforderten erteilt werden (OLG Karlsruhe 16.5.13, 14 Wx 57/11, MDR 14, 38, Abruf-Nr. 140890).

     

    Sachverhalt

    Der unverheiratet und kinderlos verstorbene Erblasser (E) hinterließ keine letztwillige Verfügung. Sein Vater, Abd. A. (V), hat einen weiteren Sohn mit einer anderen Frau, den minderjährigen Beteiligten zu 1. Die Mutter des Erblassers (M) ist vorverstorben. Sie hinterlässt eine weitere Tochter (die Beteiligte zu 2) und den Sohn B. Dieser hat die Erbschaft ausgeschlagen.

     

     

    Das Nachlassgericht veranlasste eine öffentliche Aufforderung an V, sich beim Nachlassgericht zu melden. Anderenfalls werde er bei der Erteilung eines Erbscheins nicht berücksichtigt. Dabei wurde V als „Ahm. A., weitere Personendaten nicht bekannt und derzeit unbekannten Aufenthalts“ bezeichnet. Auf die öffentliche Aufforderung meldete sich der Erbenermittler EM und legte beglaubigte Abschriften zweier Heiratsurkunden des V und einer Geburtsurkunde des Beteiligten zu 1, alle in französischer Sprache, vor. Der Nachlassrichter forderte EM auf, die Urkunden in deutscher Übersetzung vorzulegen. Die Beteiligte zu 2 hat erfolgreich einen Erbschein beantragt, der diese als Alleinerbin ausweist. EM hat die Vertretung des Beteiligten zu 1 angezeigt und die Einziehung des Erbscheins beantragt. Das Nachlassgericht hat den Antrag zurückgewiesen und der dagegen eingelegten Beschwerde nicht abgeholfen. Die Beschwerde ist jedoch erfolgreich.

     

    Entscheidungsgründe

    Nach § 2361 Abs. 1 BGB muss das Nachlassgericht einen Erbschein einziehen, wenn er unrichtig ist. Das ist hier der Fall, weil die Beteiligte zu 2 nicht (Allein-)Erbin geworden ist. Mangels letztwilliger Verfügung liegt hier gesetzliche Erbfolge vor. Da der unverheiratete E keine Abkömmlinge hat, erben dessen Eltern zu gleichen Teilen, § 1925 Abs. 1 und 2 BGB. Da M vorverstorben ist, treten ihre weiteren Kinder, die Beteiligte zu 2 und B, an ihre Stelle, § 1925 Abs. 3 BGB. Da B, der kinderlos ist, das Erbe ausgeschlagen hat, fällt der auf M entfallende hälftige Erbteil an die Beteiligte zu 2.

     

    Die Beteiligte zu 2 ist aber nicht Erbin des hälftigen Erbteils des V geworden. Das Nachlassgericht durfte V bei der Erteilung des Erbscheins nicht unberücksichtigt lassen, § 2358 Abs. 2 BGB. Die Beteiligte zu 2 hat dessen Wegfall, etwa wegen Vorversterbens, nicht nachgewiesen. V hatte zwar sein Erbrecht nach öffentlicher Aufforderung nicht angemeldet. Die Voraussetzungen der Nichtberücksichtigung lagen aber nicht vor, weil die öffentliche Aufforderung fehlerhaft war. Es kann dahinstehen, ob die ausdrückliche Benennung des Aufgeforderten im Aufgebotsverfahren nach § 2358 Abs. 2 HS. 2 BGB, §§ 433 ff. FamFG erforderlich war. Wenn aber der Aufgeforderte namentlich benannt wird, müssen die zu seiner Person mitgeteilten Informationen, soweit bekannt, zutreffend wiedergegeben werden. Das war hier nicht der Fall. Denn bei der Anordnung der öffentlichen Aufforderung lag die französische Geburtsurkunde des E mit den Angaben über V „Abd. A., geboren in F., Departement T. (Algerien) am 30.8.48“ vor. Die öffentliche Aufforderung an V „Ah. A., weitere Personendaten nicht bekannt und derzeit unbekannten Aufenthalts“, sich beim Nachlassgericht zu melden, war deshalb nicht geeignet, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, ihn unberücksichtigt zu lassen.

     

    Selbst wenn man die Nichtberücksichtigung als zulässig ansehen würde, wäre der Erbschein unrichtig. Die öffentliche Aufforderung ist auch zulässig, wenn das Vorhandensein besser berechtigter Erben wahrscheinlich ist, ihre Ermittlung aber, z.B. bei Auslandsabwesenheit, praktisch dauernd unmöglich bzw. wirtschaftlich unvertretbar erscheint. Die erfolglose öffentliche Aufforderung bewirkt nach allgemeiner Ansicht nicht den Ausschluss, sondern die vorläufige Nichtberücksichtigung der nicht angemeldeten Rechte (Staudinger/Herzog, BGB, 2010, § 2358 Rn. 37, 39). Bleibt V unberücksichtigt, ist nach § 1925 Abs. 3 BGB der Beteiligte zu 1 als Miterbe zu 1/2 berufen.

     

    Praxishinweis

    Das Nachlassgericht durfte die erbrechtliche Situation bei der Erteilung des Erbscheins nicht außer Betracht lassen, weil EM die Urkunden nur in französischer Sprache vorgelegt hat. Denn es musste die Behauptung der Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 2 prüfen (Staudinger/Herzog, a.a.O., § 2358 Rn. 1, § 2359 Rn. 19). Hierzu musste es die Tatsachen von Amts wegen ermitteln (Staudinger/Herzog, a.a.O., § 2358 Rn. 1, 5). Aus dem Schreiben des EM und den Urkunden ergaben sich Zweifel an ihrer Alleinerbenstellung. Das Gericht hätte bei mangelnden Sprachkenntnissen zunächst die Stellungnahme der durch einen sprachkundigen Anwalt vertretenen Beteiligten zu 2 einholen können. Denn sie als Antragstellerin muss Zweifel an der Alleinerbenstellung ausräumen (Staudinger/Herzog. a.a.O., § 2358 Rn. 9, § 2359 Rn. 18).

    Quelle: Ausgabe 04 / 2014 | Seite 61 | ID 42577142