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  • · Fachbeitrag · Testament

    Ergänzende Testamentsauslegung kann zu einem Ersatzerben führen

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    Für die Ersatzerbenberufung des Ehegatten des eingesetzten Neffen im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung eines gemeinschaftlichen Testaments kann der Umstand sprechen, dass die Berufung des Neffen nicht nur wegen des verwandtschaftlichen Verhältnisses zu einem der Erblasser, sondern auch wegen des freundschaftlichen Näheverhältnisses des Neffen und seiner Ehefrau zu den testierenden Eheleuten erfolgt ist (OLG Schleswig 10.6.13, 3 WX 15/13, n.v., Abruf-Nr. 133524).

     

    Sachverhalt

    Die im Jahr 11 verstorbene Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann setzten sich gegenseitig als Alleinerben ein. Sollte der Überlebende noch kein neues Testament gemacht haben, sollte ihr Neffe (N) Erbe sein. N war 2010 verstorben. Die Ehefrau von N, die Beteiligte zu 1), beantragte die Ausstellung eines Erbscheins. Sie sei Ersatzerbin nach ihrem vorverstorbenen Ehemann. Das AG hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde ist erfolgreich.

     

    Praxishinweis

    Der kinderlose Erblasser hat einen anderen Verwandten zum Schlusserben berufen. Dieser ist aber vorverstorben. Für die im Testament nicht ausdrücklich angesprochene Frage der Ersatzerbenberufung hat das OLG in dieser Entscheidung folgende Grundsätze erneut angewendet (vgl. bereits OLG Schleswig FamRZ 12, 666):

     

    Checkliste / Nicht ausdrücklich angeordnete Ersatzerbenregelung

    • 1.Das Recht der Ersatzerben geht dem Anwachsungsrecht vor, § 2099 BGB. Deswegen ist zunächst aufgrund Auslegung zu prüfen und festzustellen, ob die Testierenden eine Ersatzerbenregelung gewollt haben.
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    • 2.Die für die Berufung von Abkömmlingen geltende Auslegungsregel des § 2069 BGB kann bei der Berufung von anderen nahen Verwandten, z.B. von Geschwisterkindern nicht entsprechend angewendet werden (BGH NJW 73, 240 = BGHZ 59, 343; Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2069 Rn. 8).
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    • 3.In einem solchen Fall ist durch Auslegung zu ermitteln, ob in der Einsetzung des Erben zugleich die Kundgabe des Willens liegt, die Abkömmlinge des Bedachten als Ersatzerben zu berufen. Dabei ist zu prüfen, ob der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments an die Möglichkeit eines vorzeitigen Wegfalls des von ihm eingesetzten Erben tatsächlich gedacht hat und was er für diesen Fall wirklich oder mutmaßlich gewollt hat.
    • 4.Wenn der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Erblassers nicht festgestellt werden kann, ist im Wege der ergänzenden Auslegung zu prüfen, was von dem Erblasser zur Zeit der Errichtung des Testaments als gewollt anzusehen ist, wenn er vorausschauend das spätere Ereignis bedacht haben würde.
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    • 5.Ist der Bedachte eine dem Erblasser nahestehende Person, legt die Lebenserfahrung die Prüfung nahe, ob der Erblasser eine Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge des Bedachten gewollt hat oder gewollt haben würde. Entscheidend ist, ob die Zuwendung dem Bedachten als Ersten seines Stammes oder nur ihm persönlich gegolten hat (KG FamRZ 11, 928; OLG München FamRZ 11, 1692).
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    • 6.Dabei kann die erforderliche Andeutung im Testament schon in der Tatsache der Berufung der ihm nahestehenden Person zum Erben gesehen werden (vgl. BGH NJW 73, 240 = BGHZ 59, 343; OLG Schleswig FamRZ 12, 666; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2069 Rn. 10).
     

    Hier führte nicht bereits die erläuternde Auslegung des Ehegattentestaments nach § 2084 BGB dazu, dass als realer gemeinsamer Wille der Testierenden im Testierzeitpunkt zu erkennen ist, im Fall des Vorversterbens des ausdrücklich benannten N solle dessen Ehefrau Ersatzerbin sein.

     

    Die Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens führt aber zu diesem Ergebnis. Die Eheleute haben den Fall nicht bedacht, dass der Schlusserbe N vorversterben könnte. Da es sich nicht um ein notarielles Testament handelt, liegt es nahe, von einer unbewussten Lücke auszugehen. Es gibt keinen Hinweis, dass die Eheleute den Fall des Vorversterbens des N tatsächlich bedacht haben und ungeregelt lassen wollten.

     

    N war nicht nur wegen seines verwandtschaftlichen Verhältnisses als Neffe des Erblassers, sondern auch wegen des freundschaftlichen Näheverhältnisses zwischen den beiden Ehepaaren eine beiden Erblassern nahestehende Person. Daher kommt im Einzelfall auch die Ersatzerbenberufung des Ehepartners einer eingesetzten, den Erblassern nahestehenden Person in Betracht. Bei der Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens kann dabei auf konkrete Äußerungen des Erblassers und auf die bestehenden guten Beziehungen auch zu diesem Ehepartner (vorliegend der Beteiligten zu 1) abgestellt werden.

     

    War für seine Berufung als Erbe nicht nur die verwandtschaftliche Beziehung als solche ausschlaggebend, kann unter Berücksichtigung außerhalb der Testamentsurkunde liegender Anhaltspunkte als hypothetischer Erblasserwille auch die Ersatzerbenberufung seines Ehepartners erkannt werden. Maßgebliche Hinweise können dabei konkrete Äußerungen eines Erblassers und seit Jahrzehnten auch gerade zu diesem Ehepartner - wie zu dem Eingesetzten - bestehende gute Beziehungen sein (BayObLGZ 82, 159). Die Erblasser haben unter jedenfalls zwei Verwandten gerade denjenigen zum Schlusserben berufen, der mit ihnen - und zwar gemeinsam mit seiner Frau - auch in einem engen freundschaftlichen Verhältnis stand. Die Ehefrau von N ist damit Ersatzerbin.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 205 | ID 42393885