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  • · Fachbeitrag · Rückforderungsanspruch

    Rückforderung des verarmten Schenkers

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    | Wenn der verarmte Schenker auf ein Wohnungsrecht verzichtet hat, sind auch die seit der Schenkung gezogenen Nutzungen ‒ z. B. durch eine Vermietung der Wohnung ‒ herauszugeben. Für die Höhe des Rückforderungsanspruchs als Wertersatz für den geschenkten Gegenstand ist der Betrag maßgeblich, um den sich der Verkehrswert des Grundstücks bei Eintritt der Bedürftigkeit des Schenkers durch den Wegfall der dinglichen Belastung erhöht hat (BGH 17.4.18, X ZR 65/17, Abruf-Nr. 203091 ). |

    Sachverhalt

    Der klagende Landkreis (LK) begehrt aus übergeleitetem Recht den Ersatz des Werts einer Schenkung wegen Verarmung der Schenkerin (S) . Die Eltern der Beklagten (T) übertrugen dieser 1995 das Eigentum an einem Hausgrundstück. Dabei wurde das Eigentum mit einem unentgeltlichen lebenslangen Wohnungsrecht zugunsten der Eltern belastet. 2003 verzichteten die Eltern auf das Wohnungsrecht und bewilligten die Löschung des Rechts im Grundbuch. Die T vermietete die Wohnung fortan gegen eine monatliche Kaltmiete von 340 EUR an ihre Mutter (Schenkerin, S). Im Jahr 2010 verstarb ihr Vater. Nachdem sie pflegebedürftig geworden war, lebte die S seit August 2012 in einer Alten- und Pflegeeinrichtung. Die zuvor von ihr bewohnte Wohnung stand zunächst leer; die T vermietete sie ab September 2013 gegen eine monatliche Kaltmiete von 360 EUR. Der LK leistete von August 2012 bis zum Tod der S Hilfe zur Pflege. Diesen Betrag verlangt der Kläger von der T. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat auf die Berufung des LK die T dazu verurteilt, einen geringeren Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Mit der vom OLG zur Höhe des Rückforderungsanspruchs zugelassenen Revision verfolgt der LK den abgewiesenen Teil der Klageforderung vorläufig erfolgreich weiter.

     

     

    Entscheidungsgründe

    Der Rückforderungsanspruch des § 528 BGB bezweckt, den Schenker vor einer wirtschaftlichen Notlage zu bewahren, solange der Beschenkte durch das Geschenk weiterhin bereichert ist. Genauso wie der Einrede aus § 519 BGB soll bei § 528 BGB keine Notlage des Schenkers entstehen oder fortbestehen, während der Beschenkte durch das Geschenk ohne Gegenleistung weiterhin bereichert ist (vgl. MüKo/Koch, BGB, 7. Aufl., § 528 Rn. 1). Der Freigiebigkeit des Schenkers soll eine für ihn auskömmliche Vermögenslage zugrunde liegen (vgl. Staudinger/Chiusi, BGB, 2013, § 528 Rn. 1). Fällt diese Vermögenslage innerhalb von zehn Jahren weg (§ 529 Abs. 1 Alt. 3 BGB), während der Beschenkte noch bereichert ist, ist die Bereicherung herauszugeben, um die wirtschaftliche Notlage des Schenkers auszugleichen.

     

    Mit dem Rückforderungsanspruch gilt es, die Vermögenslage des Beschenkten so aus einer Notlage zu führen, als hätte es das Geschenk nicht gegeben. Zur Bestimmung des Umfangs des Herausgabeanspruchs gem. § 528 Abs. 1 S. 1 BGB ist deshalb eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Herauszugeben ist nicht nur der ursprünglich geschenkte Gegenstand. Bei einem wirtschaftlich nutzbaren Gegenstand, der das Vermögen des Beschenkten nicht nur mit dem Wert dieses Gegenstands, sondern auch mit der Möglichkeit bereichert, Nutzungen daraus zu ziehen, sind vielmehr auch die gezogenen Nutzungen herauszugeben.

     

    Wertersatz im Zweifel gem. Verkehrswert des geschenkten Gegenstands

    Soweit die Herausgabe des geschenkten Gegenstands ‒ hier der Verzicht auf das Wohnungsrecht ‒ selbst nicht möglich und stattdessen gem. § 818 Abs. 2 BGB dessen Wert zu ersetzen ist, kommt es für die Anspruchshöhe auf den objektiven Wert dieses Gegenstands an. Maßgeblich ist im Zweifel der Verkehrswert. Bei Verzicht auf ein Wohnungsrecht ist deshalb die hierdurch eintretende Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks auszugleichen (BGHZ 143, 51 = ZEV 00, 111 = NJW 00, 728, 730). Dieser Wert findet in der für einen solchen Verzicht am Markt üblichen Gegenleistung seinen Ausdruck (vgl. BGHZ 196, 285 Rn. 28). Für die Ermittlung des Werts des Geschenks ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der Rückforderungsanspruch des Schenkers entsteht. Denn der Umfang des zu ersetzenden Werts des Geschenks kann nicht über den Wert hinausgehen, den das Geschenk selbst zu dem Zeitpunkt hat, zu dem eine Rückgabe des Geschenks geschuldet wäre.

     

    Die T erhielt durch die Schenkung ein insoweit lastenfreies Grundstück anstelle des bis dahin mit dem Wohnungsrecht belasteten. Hierdurch hat sich der Grundstückswert erhöht. Der im August 2012 noch vorhandene Betrag dieser Erhöhung bildet den Wert des Geschenks und damit die Obergrenze des Rückforderungsanspruchs nach § 528 BGB. Ohne Belang ist, dass das Wohnungsrecht der T mit dem Tod der S ohnehin zugeflossen wäre. Denn der Wert eines bebauten Grundstücks wird auch durch den Wert seiner Nutzbarkeit über die Zeit bestimmt. Der Wert eines auf Lebenszeit mit einem Wohnrecht belasteten Grundstücks entspricht nicht dem Wert des unbelasteten. Daher kann darauf abgestellt werden, in welcher Höhe der Grundstückswert durch den Verzicht auf den Wohnungswert objektiv erhöht worden ist.

     

    Der Anspruch ist nicht auf die von der T in der Zeit von September 2013 bis März 2015 erwirtschafteten Mietüberschüsse beschränkt. Der von der T zu ersetzende Wert der Schenkung ist vielmehr nach dem Wertzuwachs des Grundstücks zu bemessen, der im August 2012 noch aus dem 2003 eingetretenen Wegfall der dinglichen Belastung mit dem Wohnungsrecht fortbestand. Unerheblich ist, in welcher Weise und in welchem Umfang der Grundstückseigentümer die ihm zugeflossene Werterhöhung „realisiert“ hat. Die Bewertung eines Gegenstands hängt nicht davon ab, ob und in welcher Weise der Eigentümer tatsächlich über ihn eine Verfügung trifft. Unerheblich ist, ob die T das Haus selbst genutzt, vermietet oder leer stehen hat. Dagegen sprechen nicht die Entscheidungen BGHZ 115, 268, 270 f. und BGHZ 196, 285. Denn aus diesen ergibt sich nur, dass für den primären Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB nicht eine erlangte Nutzungsmöglichkeit auszugleichen ist. Für den Umfang eines Sekundäranspruchs auf Wertersatz ist objektiv der Verkehrswert des primär herauszugebenden Gegenstands entscheidend (so BGHZ 196, 285).

     

    Nutzungen sind herauszugeben

    Die Nutzungen, die die T bereits seit der Schenkung aus dem Geschenk gezogen hat, d. h. die Einkünfte aus der Vermietung der vormals dem Wohnungsrecht unterliegenden Wohnung an die S, sind herauszugeben. Insoweit ist aber zu ermitteln, ob diese Bereicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB bis zu dem nach § 818 Abs. 4, § 819 BGB maßgeblichen Zeitpunkt noch besteht oder weggefallen ist.

     

    Das Berufungsurteil ist aufzuheben, soweit zum Nachteil des LK erkannt ist. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es kann aber nicht aus dem jährlichen, von der S der T gezahlten Mietzins von 4.080 EUR und der statistischen Lebenserwartung der S ein die Klageforderung deutlich übersteigender Wert der Schenkung abgeleitet werden.

     

    Um den Wert der Zuwendung zu ermitteln, müssen die auf das Wohnungsrecht und seine zu erwartende Dauer bezogenen Daten in Relation zu den für die Bewertung des Grundstücks insgesamt maßgeblichen Zahlen gesetzt werden. Die hierzu erforderlichen Feststellungen zum Grundstückswert sind bislang nicht getroffen. Weiterhin ist bisher nicht erörtert worden, ob die T entreichert ist, soweit sie in der Zeit von 2003 bis August 2012 Nutzungen gezogen hat und ob zum Zeitpunkt der Haftung gem. § 818 Abs. 4, § 819 BGB die Bereicherung im Vermögen der T noch vorhanden oder bis dahin weggefallen war.

    Relevanz für die Praxis

    Der Anspruch auf Herausgabe des Geschenks gem. § 528 Abs. 1 S. 1, § 812 BGB besteht lediglich in dem Umfang, in dem der Schenkungsgegenstand erforderlich ist, um den angemessenen Unterhalt des Schenkers zu decken. Bei einem nicht teilbaren Geschenk, wie einem Grundstück oder dem Verzicht auf ein Wohnrecht, ist dieser Anspruch von vornherein auf die wiederkehrende Zahlung eines der jeweiligen Bedürftigkeit des Schenkers entsprechenden Wertanteils gerichtet, bis der Wert des Geschenks erschöpft ist (BGHZ 94, 141, 143 f.; BGHZ 155, 57, 59).

    Quelle: Ausgabe 10 / 2018 | Seite 164 | ID 45477735