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  • · Fachbeitrag · Heimunterbringung

    Heimvertrag: So machen Sie Gewährleistungsansprüche geltend

    von RA Michael Drasdo, Neuss

    | § 10 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) regelt die spezifischen Gewährleistungsrechte für den eigenständigen Vertragstypen des Wohn- und Betreuungsvertrags. Daneben bleiben aber die Gewährleistungsrechte des Miet-, Dienst- und Werkvertragsrechts sowie weitere Ansprüche der Bewohner aus BGB gem. § 10 Abs. 1 WBVG bestehen. Der Beitrag zeigt, wie welche Ansprüche durchzusetzen sind. |

    1. Vorbemerkungen

    Im Zuge der Föderalismusreform wurde den Bundesländern die Gesetzgebungskompetenz für das Heimwesen übertragen. Dies betraf auch die Ausgestaltung der zivilrechtlichen Vertragsgrundlagen. Um eine Rechtszersplitterung durch eine unterschiedliche vertragsrechtliche Gestaltung zu vermeiden, hat der Gesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für den Bereich des Vertragstypus durch Einführung des WBVG wieder an sich gezogen. Damit wurde eine rechtliche Grundlage für die Vertragsgestaltung von Wohn- und Betreuungsverträgen geschaffen. Durch die Einführung des neuen Vertragstypus außerhalb des BGB war es notwendig geworden, eigene Gewährleistungsrechte zu bilden. Dies hat seinen Grund vor allem darin, dass die entsprechenden Rechte des Miet-, Dienst- und Werkvertragsrechts auf den typengemischten Wohn- und Betreuungsvertrag wegen der insoweit auftretenden Besonderheiten nicht ohne Einschränkungen anwendbar sind (OLG Frankfurt NJW-RR 14, 688; Drasdo, NJW 10, 1174).

     

    § 10 WBVG regelt die für den Wohn- und Betreuungsvertrag als eigenständigem Vertragstypus spezifischen Gewährleistungsrechte. Er erfasst als lex specialis aber nur einen kleinen Bereich der denkbaren Nicht- und Schlechtleistungen. Die Gewährleistungsrechte des Miet-, Dienst- und Werkvertragsrechts sowie weitere sich aus dem BGB ergebende Ansprüche bleiben den Bewohnern daher nach § 10 Abs. 1 WBVG neben der neuen Regelung erhalten (Palandt/Weidenkaff, BGB, 78. Aufl., § 10 WBVG Rn. 2). Zudem sind allgemeine Pflichten, wie etwa die Verkehrssicherungspflicht, zu beachten (OLG Frankfurt NJW-RR 14, 688).

    2. Inhalt der Gewährleistungsrechte

    Erfasst werden von § 10 WBVG für die Pflege- und Versorgungsleistungen sowie die Wohnraumüberlassung sowohl Nicht- als auch Schlechtleistungen (Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 10 WBVG Rn. 2). Auch gilt der subjektive Fehlerbegriff (Iffland/Düncher, Kommentar zum WBVG, § 10 Rn. 10). Die Beeinträchtigungen müssen erheblich sein (OLG Düsseldorf NZM 11, 829; LG Bochum 21.2.13, 2 O 394/12, juris). Geringfügige Mängel werden nicht erfasst. Dem Verbraucher steht wegen der mangelhaften oder nicht erbrachten Leistung ein Kürzungsrecht zu.

     

    Auch die Ansprüche wegen eines Verschuldens bei Vertragsschluss und die aus Delikt richten sich nach allgemeinen Vorschriften.

     

    Ansprüche des Bewohners scheiden bei der Gewährung von Sozialleistungen nach § 10 Abs. 4 WBVG aus, wenn in den Landesrahmenverträgen nach § 115 Abs. 3 SGB XI ein pauschalierter Kürzungsbetrag vereinbart wurde. Nur soweit der Bewohner selber noch Leistungen zu erbringen hat, kann ihm ein Gewährleistungsanspruch zustehen (BGH NJW 05, 824; OLG Düsseldorf NZM 11, 829).

     

    Die Vertragsverletzungen müssen gegenüber dem Bewohner erfolgen. Soweit es sich um allgemeine Mängelfeststellungen in den Transparenzberichten der Landesverbände der Pflegekassen handelt, begründet dies keine Rechte des Verbrauchers (OLG Frankfurt NJW-RR 14, 688). Diese sind erst gegeben, wenn sich aus den Transparenzberichten auch individuelle, auf die jeweilige Person des Bewohners beziehende Nicht- oder Schlechtleistungen ergeben.

     

    Auf ein Verschulden des Betreibers der Einrichtung kommt es im Rahmen des § 10 WBVG nicht an. Dieses kann nur für weitergehende Ansprüche, etwa wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten und der Leistung eines Schmerzensgeldes bedeutsam sein.

    3. Die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten

    Nach § 10 Abs. 1 WBVG muss der Verbraucher seine Gewährleistungsrechte gegenüber dem Unternehmer geltend machen. Im Gegensatz zum Mietrecht mindert sich das Entgelt nicht ex lege. Der Verbraucher muss daher zur Wahrung seiner Rechte aktiv werden (OLG Frankfurt NJW-RR 14, 688). Unterlässt er dies, geht er seiner Rechte, die er bis zu sechs Monaten rückwirkend geltend machen kann, verlustig (OLG Düsseldorf NZM 11, 829; LG Bochum 21.2.13, 2 O 394/12, juris). Es handelt sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (OLG Düsseldorf NZM 11, 829; OLG Frankfurt NJW-RR 14, 688; Drasdo, NJW 10, 1174). Daher kommt, aus welchen Gründen sie auch versäumt worden sein sollte, eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht. Damit tritt jeweils nach Ablauf der Frist für die Vertragsparteien Rechtssicherheit ein.

     

    Die Erklärung des Bewohners ist eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung (OLG Düsseldorf NZM 11, 829). Die Vorschriften über Willenserklärungen finden entsprechende Anwendung. Konkludente Erklärungen sind somit möglich. Minderzahlungen alleine reichen dafür aber im Allgemeinen nicht aus, weil keine Erklärung, sondern eine Handlung vorliegt (OLG Düsseldorf, a. a. O.). Es gelten auch die Bestimmungen über die Geschäftsfähigkeit (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 13. Aufl., vor § 535 Rn. 132p). Insoweit erweist sich die Regelung als nachteilig, wenn deren Fehlen erst später festgestellt wird und die Erklärung daher unwirksam ist. Dies kann dazu führen, dass die Rechte aus § 10 Abs. 1 WBVG nicht oder nicht in dem gesamten Umfang entstanden sind.

     

    Warum der Gesetzgeber es ausgerechnet bei Personen, die wegen ihrer physischen oder psychischen Beeinträchtigung in der Wahrnehmung ihrer Rechte beeinträchtigt sind, erschwert hat, Gewährleistungsansprüche geltend zu machen, bleibt offen. Dies widerspricht jedenfalls seiner Intention, solchen Menschen schnell und ohne Umstände besondere Hilfe zuteilwerden zu lassen (OLG Düsseldorf NZM 11, 829; Drasdo, NJW 10, 1174).

    4. Gewährleistungsansprüche wegen Wohnraumüberlassung

    Besondere Regelungen hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 2 und 3 WBVG im Hinblick auf die Wohnraumüberlassung getroffen. Diesbezüglich trifft den Bewohner, sobald er Mängel der Wohnräume erkennt oder erkennen kann, ähnlich den Vorgaben des Mietrechts eine Anzeigepflicht gegenüber dem Betreiber (vgl. BT-Drs. 16/12409, S. 13 und 25). Kommt er dieser nicht nach, ist er mit seinem Recht auf Kürzung des vereinbarten Geldes ausgeschlossen, wenn der Betreiber aus diesem Grunde keine Abhilfe schaffen kann (Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 10 WBVG Rn. 4).

     

    Kennt der Unternehmer hingegen den Mangel, kommt es auf die dem Bewohner obliegende Anzeige nicht an. Im Wesentlichen können hier die zum Mietrecht entwickelten Grundsätze herangezogen werden. Demnach ist auch im Bereich des WBVG wegen der Mängelanzeige von einer Dauerpflicht auszugehen. Die Anzeige kann formlos erfolgen. Die Vereinbarung der Schriftform scheitert aber anders als im Mietrecht an § 16 WBVG.

    5. Höhe des Kürzungsbetrags

    Die Kürzung des Entgelts muss angemessen sein. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Nicht- oder Schlechtleistung bezüglich der Pflege- und Versorgungsleistungen als auch wegen der Wohnraumüberlassung. Bei deren Bemessung muss wegen der einzelnen Leistungen unterschieden werden (vgl. Drasdo, NZM 08, 655). Mängel des Wohnraumes dürfen sich nur auf die Höhe der dafür entrichteten Entgelte auswirken; Mängel der Pflege- und Versorgungsleistungen haben sich hinsichtlich des Minderungsbetrags an deren Wert zu orientieren. Die jeweilige Aufteilung lässt sich aus den nach § 3 WBVG zu machenden vorvertraglichen Angaben entnehmen. Pauschalierte Gesamtkürzungen des Entgelts kommen daher nicht in Betracht. Oftmals werden Schätzungen vorgenommen werden müssen.

     

    Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Bewohner für das Vorliegen der Mängel und den Wert der Beeinträchtigung die gesamte Darlegungs- und Beweislast (OLG Düsseldorf NZM 11, 829). Eine Umkehrung ist nur unter engen Voraussetzungen geboten, z. B. wenn ausschließlich in die Kenntnis des Einrichtungsbetreibers fallende Umstände von maßgeblicher Bedeutung sind.

     

    FAZIT | Die Schaffung des Wohn- und Betreuungsvertrags bedingte die Einführung eigener Gewährleistungsrechte. Deren Umsetzung und die Anspruchsdurchsetzung werden sich oftmals an den bekannten Normen des Miet-, Dienst- und Werkvertragsrechts orientieren. Ein schnelles Handeln ist wegen der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist geboten. Warum erhebliche Erschwernisse bei der Durchsetzung der Gewährleistungsrechte eingeführt wurden, bleibt offen und widerspricht der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksache 16/12409, S. 10).

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2019 | Seite 178 | ID 46044814