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  • 03.07.2008 | Testamentsvollstreckung

    Nichterfüllung der Zusage zur Amtsaufgabe als Grund zur Entlassung?

    von RA Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster
    1. Eine schuldrechtliche Zusage des Testamentsvollstreckers, sein Amt niederzulegen, begründet einen im Zivilprozess durchsetzbaren Anspruch.  
    2. Die Nichterfüllung einer Zusage zur Amtsaufgabe kann lediglich als zusätzlicher Gesichtspunkt im Rahmen einer Gesamtwürdigung seiner Amtsführung bei der Entscheidung über seine Entlassung aus wichtigem Grund berücksichtigt werden.  
    3. Besteht zwischen den Beteiligten über den Inhalt des die Zusage zur Amtsaufgabe umfassenden Vertrags Streit, kann darüber nicht inzident im Entlassungsverfahren entschieden werden.  

     

    Sachverhalt

    Die Beteiligte zu 1) ist Alleinerbin des verstorbenen G, der Alleinerbe der Erblasserin war. Der Beteiligte zu 2) ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass der Erblasserin. Die Beteiligte zu 1) hat beantragt, den Beteiligten zu 2) als Testamentsvollstrecker abzuberufen, da er die im Testament ausgewiesenen Vermächtnisse nicht erfüllt habe und daher die Beteiligte zu 1) bereits gerichtlich in Anspruch genommen worden sei. Auch habe der Beteiligte zu 2) im Nachlassverzeichnis die Vermögenswerte falsch angegeben. Ferner habe der Beteiligte zu 2) die Erbschaftsteuer noch nicht entrichtet, obwohl bereits Vollstreckungsmaßnahmen angekündigt worden seien. Der Beteiligte zu 2) stellte zu Protokoll des AG und in einer Mediationsvereinbarung kurzfristig die Niederlegung seines Amtes in Aussicht. Er lehnte dies später aber mit Hinweis auf Schwierigkeiten ab. Die Beteiligte zu 1) hat beantragt, das Verfahren fortzusetzen, da die Testamentsvollstreckung bisher noch nicht erledigt sei. Dies lehnte der Beteiligte zu 2) vier Jahre nach Einleitung des Verfahrens unter Hinweis auf Schwierigkeiten bei der Beendigung der Testamentsvollstreckung bezüglich der Abwicklung der Restarbeiten ab. Das AG hat den Beteiligten zu 2) antragsgemäß aus dem Amt entlassen. Seine dagegen eingelegte sofortige Beschwerde blieb erfolglos. Die sofortige weitere Beschwerde führte dagegen zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung.  

     

    Entscheidungsgründe und Praxishinweis

    Das OLG hat bei dieser Entscheidung wichtige Merksätze im Hinblick auf die Entlassung eines Testamentsvollstreckers aufgestellt.  

     

    Checkliste: 8 wichtige Merksätze zur Entlassung eines Testamentsvollstreckers
    1. Entlassung ist konstitutive Entscheidung des Gerichts: Das Verfahren auf Entlassung des Testamentsvollstreckers (§ 2227 Abs. 1 BGB) ist auf eine konstitutive Entscheidung des Nachlassgerichts gerichtet, die zur Beendigung des Testamentsvollstreckeramts führt.

     

    2. Vorfragen müssen geklärt sein: In einem solchen Verfahren muss vorab geprüft werden, ob das Amt wirksam begründet wurde und fortbesteht. Ist das Testamentsvollstreckeramt bereits aus anderen Gründen beendet, ist für eine Entlassung durch das Nachlassgericht kein Raum mehr. Folge: Im Verfahren über einen Entlassungsantrag tritt Erledigung ein (BayObLG FamRZ 87, 101, 104; OLG Hamm FamRZ 01, 1178).

     

    Hier ist das Amt des Testamentsvollstreckers nicht durch Nichterledigung der dem Beteiligten zu 2) zugewiesenen Aufgaben beendet. Insoweit kann dahinstehen, inwieweit die von der Erblasserin ausgesetzten Vermächtnisse zwischenzeitlich erfüllt sind. Denn die von der Erblasserin angeordnete Testamentsvollstreckung geht über eine bloße Auseinandersetzungsvollstreckung i.S. des § 2203 BGB hinaus.

     

    3. Vereinbarung führt nicht zur Beendigung des Amtes: Eine Vereinbarung, durch die sich der Testamentsvollstrecker gegenüber dem Erben zur Amtsniederlegung verpflichtet, ist – in Grenzen – rechtlich möglich (BGH NJW 62, 912; Reimann, NJW 05, 789). Sie kann eine Verpflichtung zur Amtsniederlegung begründen. Eine konstitutive Amtsbeendigung ist aber nur in den gesetzlichen Fällen sowie nach den Anordnungen des Erblassers möglich (BGH NJW 62, 912). Eine Vereinbarung zwischen dem Testamentsvollstrecker und den Erben beendet die Testamentsvollstreckung allerdings nicht automatisch. Eine wirksam begründete Verpflichtung, die Kündigung des Amtes zu erklären, ist vielmehr durch Klage vor dem Prozessgericht geltend zu machen (BGH FamRZ 66, 139). Die Entscheidung über die Frage, ob sich eine vertragliche Verpflichtung des Beteiligten zu 2) zur Kündigung seines Amtes ergibt, fällt als solche nicht in die Zuständigkeit des Nachlassgerichts.

     

    Unabhängig davon, wie man hier die Mediationsvereinbarung verstehen muss, hat diese das Amt nicht beendet.

     

    4. Unfähigkeit ist Entlassungsgrund: Nach § 2227 Abs. 1 BGB kann das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker auf Antrag eines Beteiligten entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Die Unfähigkeit kann sich aus einer Untätigkeit ergeben, aber auch aus dem Unvermögen, die Auseinandersetzung oder Verwaltung in gehöriger Weise durchzuführen (OLG Köln FamRZ 05, 1204; BayObLG FamRZ 91, 235). Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass die genannten Entlassungsgründe nur Beispiele sind. Daneben sind u.a. als wichtige Entlassungsgründe allgemein anerkannt:

     

    • Verstöße des Testamentsvollstreckers gegen Anordnungen des Erblassers,
    • grobe Verstöße gegen seine Pflicht zur Rechnungslegung, Auskunftserteilung und ordnungsgemäßen Unterrichtung der Erben,
    • ungerechtfertigte Bevorzugung einzelner Miterben.

     

    Vgl. zur Entlassung eines Testamentsvollstreckers auch OLG Karlsruhe EE 05, 128, Abruf-Nr. 051819 und OLG Hamm EE 07, 165, Abruf-Nr. 072774.

     

    5. Verschulden ist nicht Voraussetzung: Ein wichtiger Grund setzt nicht notwendig ein Verschulden des Testamentsvollstreckers voraus. Als wichtiger Entlassungsgrund anerkannt ist auch ein auf Tatsachen beruhendes Misstrauen der Erben gegen die Amtsführung des Testamentsvollstreckers, wenn dieser dazu, auch ohne Verschulden, Anlass gegeben hat (BayObLG FamRZ 05, 934; 88, 770). Maßgeblich ist stets, ob der Testamentsvollstrecker begründeten Anlass zu der Annahme gegeben hat, dass ein längeres Verbleiben im Amt der Ausführung des Erblasserwillens hinderlich sei oder die Interessen der am Nachlass Beteiligten schädigen oder erheblich gefährden werde (Staudinger/Reimann, BGB, Stand 03, § 2227 Rn. 4). Es geht weniger um die Subsumtion unter eine der nicht scharf abgrenzbaren Fallgruppen, sondern vielmehr um die umfassende Würdigung des Sachverhalts unter dem Blickwinkel des Erblasserwillens und der Interessen der Betroffenen, insbesondere der Erben.

     

    6. Unfähigkeit i.S. des § 2227 BGB meint subjektive Unmöglichkeit: Gemeint ist dabei in erster Linie die subjektiveUnmöglichkeit der Amtswahrnehmung. Nach wohl h.A. ist der Begriff weit auszulegen. Begrifflich liegt Unfähigkeit nur vor, wenn sich der Testamentsvollstrecker als subjektiv ungeeignet für die Amtsführung erweist. Hierfür mag eine (unmotivierte) Untätigkeit ein schwerwiegendes Indiz sein.

     

    7. Pflichtverletzung i.S. des § 2227 BGB meint nicht Verletzung vertraglicher Pflichten: Für die Frage einer Pflichtverletzung kommt es nicht darauf an, ob der Testamentsvollstrecker dem Erben gegenüber übernommene vertragliche Zusagen erfüllt. Maßgeblich ist vielmehr nur, ob er die vom Erblasser übertragenen Pflichten ordnungsgemäß wahrnimmt. Nur soweit sich beide Pflichtenkreise decken, ist die Einhaltung vertraglicher Verpflichtungen auch für die Entlassung nach § 2227 Abs. 1 BGB bedeutsam (BayObLG FamRZ 00, 193).

     

    Die Nichterfüllung einer Zusage zur Amtsaufgabe kann daher bereits im Ausgangspunkt nicht isoliert, sondern allenfalls als zusätzlicher Gesichtspunkt bei einer Gesamtbewertung der Amtsführung des Testamentsvollstreckers in die Entscheidung über seine Entlassung einfließen.

     

    8. Streit über den Inhalt von Vereinbarungen vor dem Zivilgericht klären: Die Berücksichtigung einer Zusage zur Amtsaufgabe ist darüber hinaus davon abhängig, dass der Inhalt der vom Testamentsvollstrecker übernommenen vertraglichen Verpflichtung feststeht. Besteht Streit darüber, kann es nicht Aufgabe des Entlassungsverfahrens nach § 2227 Abs. 1 BGB sein, in eine Beweisaufnahme einzutreten, um die für die Auslegung des Vertrags maßgeblichen tatsächlichen Gesichtspunkte aufzuklären. Denn über den Bestand des vertraglichen Anspruchs kann mit materieller Rechtskraft nur im Zivilprozess entschieden werden. Eine andere Beurteilung würde die Gefahr inhaltlich widersprechender Entscheidungen zwischen dem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit und demjenigen der streitigen Gerichtsbarkeit begründen, die vermieden werden muss. Wichtig: Die grundlose Weigerung einer vertraglichen Zusage zur Amtsaufgabe kann für sich genommen nicht die Annahme eines wichtigen Grundes i.S. des § 2227 Abs. 1 BGB rechtfertigen.