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  • 01.04.2005 | Sozialhilferegress

    Sozialhilfeträger können Pflichtteilsansprüche auf sich überleiten

    von VRiLG Ralf Bock, Koblenz
    Der Pflichtteilsanspruch kann, wenn er auf den Sozialhilfeträger übergeleitet worden ist, von diesem auch geltend gemacht werden, ohne dass es insoweit auf eine Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten selbst ankäme (BGH 8.12.04, IV ZR 223/03, ZEV 05, 117, Abruf-Nr. 050277).

     

    Sachverhalt

    Der klagende Sozialhilfeträger nimmt die Beklagten als Erben auf den Pflichtteil ihrer behinderten Schwester in Anspruch. Er hatte die Pflichtteilsansprüche nach beiden Eltern gemäß § 90 BSHG auf sich übergeleitet. Die Eltern hatten sich im gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als alleinige Erben eingesetzt. Als Erben des Letztversterbenden wurden die Kinder bestimmt. Das Testament enthielt auch auch eine Pflichtteilsstrafklausel für den Fall, dass ein Kind nach dem Tod des erstversterbenenden Elternteils seinen Pflichtteil fordern sollte. Bezüglich der behinderten Tochter wurde Testamentsvollstreckung angeordnet. Der Testamentsvollstrecker sollte nach seinem Ermessen Sachleistungen und Vergünstigungen erbringen, die geeignet sind, dem behinderten Kind Erleichterung und Hilfen zu verschaffen. Diese Pflicht sollte aber entfallen, wenn die Leistungen auf die Sozialhilfe angerechnet würden.  

     

    Das Vormundschaftsgericht bestellte der Behinderten eine Ergänzungsbetreuerin für den Aufgabenkreis der Durchsetzung bestehender Erbansprüche, insbesondere Pflichtteilsansprüche, aus den Nachlässen der Eltern. Die Betreuerin lehnte eine Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen ab, weil sie in vollem Umfang vom Kläger vereinnahmt werden würden, die Behinderte davon also selbst keinen Nutzen hätte. Das LG hatte die Klage des Sozialhilfeträgers abgewiesen. Die Berufung hatte nur teilweise Erfolg. Die Revision des Klägers hatte vollen Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der Pflichtteilsanspruch kann, wenn er auf den Sozialhilfeträger übergeleitet worden ist, von diesem geltend gemacht werden. Ein Anhaltspunkt dafür, dass bei Pflichtteilsansprüchen zwischen der Inhaberschaft und der Befugnis zur Geltendmachung dieses Anspruchs zu unterscheiden ist, besteht nur in § 852 Abs. 1 ZPO. Danach ist der Pflichtteilsanspruch nur pfändbar, wenn er vertraglich anerkannt oder rechtshängig geworden ist. Welche Bedeutung dieser Vorschrift über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus zukommt, kann hier aber dahinstehen: Denn § 90 Abs. 1 S. 4 BSHG bestimmt ausdrücklich, dass der Übergang eines Anspruchs auf den Sozialhilfeträger nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann. Damit lässt sich aus § 852 Abs. 1 ZPO keine Einschränkung zum Nachteil des Sozialhilfeträgers herleiten. Es würde dem Sinn und Zweck des § 90 Abs. 1 S. 4 BSHG widersprechen, wenn man ihn einschränkend dahin verstehen wollte, dass der Pflichtteilsanspruch nur vorbehaltlich einer persönlichen Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten zur Geltendmachung übergeleitet werden könnte (OLG Frankfurt ZEV 04, 24). Der Sozialhilfeträger wird als Helfer des Sozialhilfeempfängers gerade anders behandelt als andere Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten.