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  • 01.06.2006 | Sozialhilferegress

    Pflichtteilsanspruch kann übergeleitet werden

    von RA und Notar Reinhold Redig, Mörlenbach
    Der Pflichtteilsanspruch eines enterbten Sozialhilfeempfängers kann auf den Sozialhilfeträger übergeleitet und von diesem geltend gemacht werden, wobei es auf eine Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten selbst nicht ankommt (BGH 19.10.05, IV ZR 235/03, ZEV 06, 76, Abruf-Nr. 061369).

     

    Sachverhalt

    Die Eltern hatten sich im gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Darin heißt es weiter: „Der überlebende Ehegatte von uns soll Vollerbe sein, so dass er über den gesamten Nachlass und sein Eigenvermögen frei verfügen kann. Sollte ein Kind bereits Pflichtteilsrechte nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils geltend machen, verliert es beim Tod des länger lebenden Elternteils seinen testamentarisch festgelegten Anspruch.“ Beide Töchter machten keine Pflichtteilsansprüche geltend. Der klagende Sozialhilfeträger leitete beim Tod des Vaters Pflichtteilsansprüche der behinderten Tochter auf sich über und erhob erfolglos Zahlungsklage. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die Überleitbarkeit von Pflichtteilsansprüchen des Sozialhilfeempfängers auf den Träger der Sozialhilfe ist höchstrichterlich anerkannt (BGH NJW 94, 248). § 90 Abs. 1 S. 4 BSHG (jetzt § 93 Abs. 1 S. 4 SGB XII), der den Übergang eines Anspruchs auf den Sozialhilfeträger regelt, wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann. Diese Vorschrift würde ihres Sinnes beraubt, wenn man sie einschränkend dahingehend verstehen wollte, dass der Pflichtteilsanspruch nur vorbehaltlich einer persönlichen Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten zur Geltendmachung übergeleitet werden könnte. Auf Grund von § 90 Abs. 1 S. 4 BSHG (jetzt § 93 Abs. 1 S. 4 SGB XII) muss der Sozialhilfeempfänger strikter als z.B. ein Unterhaltsberechtiger auch Pflichtteilsansprüche vorrangig einsetzen. Gründe der Rücksichtnahme auf familienrechtliche Verbundenheit des Pflichtteilsberechtigten oder Respektierung des Erblasserwillens rechtfertigen keine andere Auslegung. Gleiches gilt für die Gründe, die gegen die Überleitung des Ausschlagungsrechts sprechen. Denn für das Pflichtteilsrecht gibt es – anders als etwa für das Erbrecht (§§ 1942 ff. BGB) – kein besonderes Ausschlagungsrecht.  

     

    Praxishinweis

    Der BGH bestätigt damit seine neuere Rechtsprechung (BGH EE 05, 55, Abruf-Nr. 050277). Eine etwaige Bevorzugung des behinderten Kindes gegenüber seinen Geschwistern, weil es trotz der Inanspruchnahme des Pflichtteils nach dem erstverstorbenen Elternteil den Erbteil im Schlusserbfall behält, ist nach Ansicht der BGH-Richter angesichts der sonst möglichen, aber gerade nicht gewollten Konsequenzen grundsätzlich mit dem Erblasserwillen zu vereinbaren.