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  • 06.07.2011 | Pflichtteil

    Konkurrenz von Pflichtteilsansprüchen bei Enterbung von Abkömmlingen mehrerer Stufen

    von RiLG Dr. Andreas Möller, Bochum

    1. Ein gesetzliches Erbrecht des entfernteren Abkömmlings besteht auch dann, wenn der nähere Abkömmling durch Verfügung von Todes wegen enterbt wurde (Anschluss an RGZ 61, 14; 93, 193).  
    2. § 2309 BGB setzt eine Pflichtteilsberechtigung des entfernteren Abkömmlings voraus, beschränkt diese aber zur Vermeidung einer Vervielfältigung der Pflichtteilslast. Ob dem näheren Abkömmling wirksam der Pflichtteil entzogen wurde, kann auch in dem Rechtsstreit über den Pflichtteilsanspruch zwischen dem entfernteren Abkömmling und dem Erben geklärt werden.  
    (BGH 13.4.11, IV ZR 204/09, n.v., Abruf-Nr. 111673)

     

    Sachverhalt

    Der Kläger macht gegen seinen Bruder (Beklagten) im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach seiner verstorbenen Großmutter geltend, deren Alleinerbe der Beklagte ist. Die Erblasserin und ihr Ehemann setzten sich mit gemeinschaftlichem notariellem Testament gegenseitig zu Alleinerben des Erstversterbenden ein. Der Vater der Parteien wurde zum alleinigen Erben des Längstlebenden bestimmt. Nach dem Tod des Großvaters errichtete die Großmutter ein notarielles Testament, in dem sie den Vater der Parteien u.a. wegen Veruntreuung von Geld enterbte und ihm den Pflichtteil entzog. Gleichzeitig setzte sie den Beklagten als Alleinerben ein. Der noch lebende Vater der Parteien hat weder gegenüber der Großmutter noch gegenüber dem Beklagten geltend gemacht, er sei Erbe nach seiner Mutter geworden oder pflichtteilsberechtigt. Der Kläger begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses einschließlich anrechnungs- und ausgleichspflichtiger Zuwendungen sowie beeinträchtigender Schenkungen, Abgabe der Versicherung an Eides Statt, Zahlung des Pflichtteilsanspruchs sowie daneben Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten. Klage und Berufung blieben erfolglos. Die Revision war überwiegend erfolgreich.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der Kläger ist nicht durch § 2309 BGB in der Geltendmachung des Pflichtteils beschränkt. Ihm steht gegen den Beklagten als Erben der gemeinsamen Großmutter ein Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Er ist nach § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB als Abkömmling der Erblasserin pflichtteilsberechtigt, da er durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen wurde. Er wäre infolge der Enterbung seines Vaters durch das spätere notarielle Testament seiner Großmutter neben dem Beklagten deren nächstberufener gesetzlicher Erbe gewesen.  

     

    Dagegen spricht nicht § 1924 Abs. 2 BGB. Danach schließt ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling (hier der Vater) diejenigen von der Erbfolge aus, die durch ihn mit dem Erblasser verwandt sind. Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass der nähere Abkömmling auch zur Erbfolge gelangt (RGZ 61, 14, 17 f.; RG JW 13, 869, 870). Ein gesetzliches Erbrecht des entfernteren Abkömmlings besteht daher nicht nur, wenn der nähere Abkömmling zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr lebt, § 1924 Abs. 3 BGB. Der entferntere Abkömmling tritt auch in die Erbenstellung ein und erwirbt ein eigenständiges Erbrecht, wenn der nähere Abkömmling nicht gesetzlicher Erbe wird, weil er  

    • die Erbschaft ausgeschlagen hat, § 1953 Abs. 2 BGB,
    • für erbunwürdig erklärt wurde, § 2344 Abs. 2 BGB, oder
    • einen - beschränkten - Erbverzicht erklärt hat, § 2346 Abs. 1 S. 2, § 2349 BGB.