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  • 04.10.2010 | Pflichtteil

    Auch beim Berliner Testament entsteht mit jedem Erbfall ein Pflichtteilsanspruch

    von RiLG Dr. Andreas Möller, Bochum

    Bei einem Berliner Testament entsteht mit jedem Erbfall der Anspruch des durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossenen Abkömmlings gegen den Erben auf Auszahlung des Pflichtteils. Jedes von seinen Eltern enterbte Kind hat danach zwei Pflichtteilsansprüche, je einem beim Tod jedes Elternteils. Auch bei Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments ist die Erbfolge der Elternteile deutlich auseinander zu halten. Jeder der beiden eintretenden Erbfälle löst für den Enterbten einen Pflichtteilsanspruch aus. Daran ändert auch die irrige Vorstellung der Eltern nichts, es gebe nur einen die Kinder begünstigenden Erbfall. Demzufolge müssen sich die Kinder nicht den vollen Wert der von beiden Eltern übertragenen Anteile an Immobilien auf den Pflichtteil anrechnen lassen, sondern nur dasjenige, was allein von dem letztversterbenden Ehepartner zugewendet worden ist (OLG Koblenz 14.6.10, 2 U 831/09, n.v., Abruf-Nr. 102662).

     

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten über die Anrechnung auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Tod ihrer Mutter. Die Eltern der Parteien haben sich in einem notariellen gemeinschaftlichen Testament wechselseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben eingesetzt und ihre Kinder nach dem Tod des Letztversterbenden zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. In derselben Urkunde wurde von beiden Eltern den beiden Klägern Grundeigentum im Wert von 662.000 EUR mit der Bestimmung übertragen, dass diese Vorausempfänge auszugleichen sind. Der Überlebende war berechtigt, die Erbeinsetzung der Abkömmlinge zu verändern. Nachdem der Vater vorverstorben war, setzte die Mutter den Beklagten als Alleinerben ein. Nach dem Tod der Mutter streiten die Parteien darüber, ob auf die Pflichtteilsergänzungsansprüche der volle Wert der übertragenen Grundstücke anzurechnen ist - für jeden Kläger mithin 331.000 EUR -, oder ob im Hinblick auf die beiden Erbfälle zu differenzieren ist und auf den Pflichtteil nur die Zuwendung der Mutter anzurechnen ist, d.h. ½ von 331.000 EUR = 165.000 EUR. Das LG hat auf die Pflichtteilsansprüche des Klägers die Zuwendungen beider Elternteile angerechnet und die Klage des Klägers im Wesentlichen abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Beklagte an den Kläger gezahlt. Das OLG hat nach übereinstimmender Erledigungserklärung dem Beklagten gem. § 91a ZPO die Kosten auferlegt.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung des Klägers hätte Erfolg gehabt. Die Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments durch das LG verstößt gegen zwingendes Recht. Gem. § 2317 BGB entsteht der Pflichtteilsanspruch mit dem Erbfall. Darauf muss sich der Berechtigte gem. § 2315 Abs. 1 BGB das anrechnen lassen, was ihm der Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet hat, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll. Nach § 2317 Abs. 1 BGB entsteht mit jedem Erbfall der Anspruch auf Auszahlung des Pflichtteils (BGHZ 88, 102). Jedes von seinen Eltern enterbte Kind hat danach zwei Pflichtteilsansprüche, je einen beim Tod jedes Elternteils. Auch das Berliner Testament regelt nach dem Wortlaut der §§ 2269, 2273 BGB zwei Erbfälle. Nach dem Tod des Erstversterbenden geht sein Vermögen auf den überlebenden Ehegatten über. Später wird der Überlebende vom Schlusserben beerbt. Auch beim abweichenden Willen der Testierenden kann nicht von nur einem Erbfall ausgegangen werden.  

     

    Da die Abkömmlinge nicht an der Gestaltung des gemeinschaftlichen Testaments beteiligt waren, kann dieses auch nicht als ein Erbverzicht gem. §§ 2346, 2348 BGB gewertet werden.