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  • 01.02.2010 | Nachfolgegestaltung

    Vor- und Nacherbschaft: Vorzeitiger Tod des Nacherben als Störfall

    von RA Ernst Sarres, FA Familienrecht und Erbrecht, Düsseldorf

    Die nur durch letztwillige Verfügung begründbare erbrechtliche Nachfolgegestaltung der Vor- und Nacherbschaft gemäß § 2100 BGB hat für den Erblasser primär das Ziel, die abschließende Rechts- und Vermögensnachfolge vermögensbewahrend zu steuern, sodass der Nachlass zunächst vom Vorerben „treuhänderisch“ übernommen wird, bevor der Nacherbe endgültiger Erbe wird. Als einleuchtendes Beispiel dient etwa die erbrechtliche Behandlung eines verschwenderischen und durch Kreditschulden belasteten Abkömmlings, der nach dem Willen des Vaters (Erblassers) zur Vermögenssicherung erst Vorerbe wird, bevor seine sonstigen Kinder Nacherben werden. Der folgende Beitrag zeigt Einzelprobleme aus dem Recht der Vorerb- und Nacherbschaft und gibt Gestaltungsempfehlungen im Zusammenhang mit der Vererblichkeit von Nacherbenrechten.  

     

    Ausgangsfall: Gegenseitige Erbeinsetzung

    Der finanziell stark belastete T hat aus erster Ehe zwei Kinder K1 und K2. Da sich die Kinder im Scheidungsverfahren gegen ihn wandten, hat er sie enterbt. T heiratet die sehr wohlhabende E mit einem Schätzvermögen von 400.000 EUR. Beide stellen Vorüberlegungen zu einer erbrechtlichen Nachfolgeregelung an, da sie die wirtschaftliche Beteiligung von K1 und K2 am Nachlass möglichst ausschließen wollen. E setzt T daher zu ihrem Alleinerben ein.  

     

    Umgekehrt setzt T die E auch in einem einseitigen Testament zur Alleinerbin ein. Es stellt sich für die Eheleute die Frage, wie sich ein Erbfall bei dieser Gestaltung erbrechtlich konkret auswirken würde. Die Chronologie der (unvorhersehbaren) Erbfälle führt zu deutlich widersprechenden Ergebnissen, wie die folgenden Sachverhaltsvarianten zeigen:  

     

     

    Variante 1: T wird Alleinerbe

    Wenn Erblasserin E zuerst verstirbt, wird T gemäß Testament ihr Rechtsnachfolger. Seine Kinder sind zwar enterbt. Die Kinder haben bei dieser Variante aber bedeutsame Pflichtteilsansprüche gegen die Erben des T, § 2303 BGB. Denn Berechnungsgrundlage für mögliche Pflichtteilsansprüche ist das von T ererbte Vermögen in Höhe von mindestens 400.00 EUR.  

     

    Diese Rechtsfolge wäre von dem beteiligten Ehepaar nicht gewollt.  

     

    Variante 2: E wird Alleinerbin

    T stirbt zuerst und wird von E beerbt. Die Kinder des T als Erben erster Ordnung sind enterbt und nur pflichtteilsberechtigt.  

     

    Da hier die E Alleinerbin geworden ist, können die Kinder mögliche Pflichtteilsansprüche nur aus dem „Vermögen“ des T ableiten. Da T wegen Schulden kein verteilungsfähiges Vermögen hat, wären die Pflichtteilsansprüche für die Kinder des T ohne wirtschaftliche Bedeutung.  

    Da nicht vorhersehbar ist, ob Variante 1 oder Variante 2 eintrifft, muss eine Regelung gefunden werden, die das Vermögen von E schützt und die Ansprüche der Kinder des T minimiert halten. Trotz aller Nachteile, die berechtigterweise der Nacherbfolge zugeschrieben werden, könnte sie hier einen Lösungsansatz bieten.