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  • 04.05.2010 | Gestaltungspraxis

    Vertragliche Verschaffung einer Erbenstellung kann ausgelegt bzw. umgedeutet werden

    von RiLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    1. Wenn die Personen, die als Erben in Betracht kommen, im Hinblick auf eine unklare oder unklar erscheinende Erbrechtslage in einem notariellen Vertrag vereinbaren, dass einer von ihnen Hoferbe sein soll, ist zwar eine darin liegende, von der tatsächlichen Hoferbrechtsfolge abweichende Hoferbenbestimmung nicht wirksam. Aus einer solchen Vereinbarung, die darauf gerichtet ist, dem begünstigten Beteiligten unabhängig von der tatsächlichen Erbrechtslage den zur Erbschaft gehörenden Nachlass zukommen zu lassen, wird aber eine schuldrechtliche Verpflichtung herzuleiten sein, ggf. durch Rechtsgeschäft unter Lebenden die bei entsprechender Erbenstellung bestehende Vermögenslage herbeizuführen, dem begünstigten Beteiligten also den Nachlass bzw. bei einem Hof das Hofvermögen zu übertragen und damit das von den Beteiligten bei Vertragsschluss übereinstimmend gewollte Ergebnis herbeizuführen.  
    2. Eine solche Vereinbarung mit Vergleichscharakter kann regelmäßig nicht mit Erfolg wegen Irrtums angefochten werden und ist grundsätzlich auch einer Aufhebung oder Rückabwicklung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht zugänglich, wenn sich später eine gerichtliche Klärung der bei Vertragsschluss unklaren Erbrechtslage ergibt.  
    (OLG Oldenburg 10.9.09, 1 U 36/09, n.v., Abruf-Nr. 101218)

     

    Sachverhalt

    Die Erblasserin hatte mit notariellem Testament zunächst den Vater des Klägers (einen ihrer Söhne) zum Erben und Hofeserben und in einem weiteren notariellen Testament die Beklagte (eine Tochter) zur Erbin und Hofeserbin eingesetzt. Der Beklagten wurde ein Hoffolgezeugnis erteilt. Sie wurde als Eigentümerin des Hofes eingetragen. Die Familie sah die Hoferbrechtsfolge aber nicht als erledigt an. Die Kinder der Erblasserin schlossen einen mit „Erbregelungs- und Auseinandersetzungsvertrag“ bezeichneten notariellen Vertrag. Darin verzichtete die Beklagte gegen Ausgleichsansprüche für sich und die übrigen Geschwister auf sämtliche Ansprüche aus dem Hoffolgezeugnis und erklärte sich damit einverstanden, dass dem Vater des Klägers das Hoffolgezeugnis erteilt wird. Dessen Versuch, feststellen zu lassen, dass er Hoferbe geworden sei, scheiterte. Er verlangte - gestützt auf diese Vereinbarung -, dass ihm der Hof übertragen wird. Da er während des Prozesses verstarb, hat der Kläger als sein Erbe den Prozess fortgesetzt. Das Begehren war erst in der Berufungsinstanz erfolgreich.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der Vater des Klägers hat aufgrund des notariellen Vertrags einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass ihm der Hof übertragen wird. Eine unwirksame Vereinbarung über die Erbenstellung einer Person, insbesondere ein Vergleich, kann dahingehend ausgelegt oder umgedeutet werden, dass der Vertragspartner dem begünstigten Vertragsteil die bei entsprechender Erbenstellung bestehende Vermögenslage verschafft. Folge: Er kann verpflichtet sein, ihm die Erbschaft durch Übertragen eines Miterbenanteils oder - wie hier - durch Einzelübertragung der zur Erbschaft gehörenden Gegenstände zukommen zu lassen. Eine solche schuldrechtliche Verpflichtung hat der BGH insbesondere aus einer Auslegungsvereinbarung eines Testaments abgeleitet (NJW 86, 1812).  

     

    Der Vater des Klägers und seine Geschwister haben sich dahingehend geeinigt, dem Vater die formale Stellung eines Hoferben zu verschaffen. Wenn der Weg des Notars nicht gangbar war, ist davon auszugehen, dass der rechtsgeschäftliche Wille der Vertragsbeteiligten auch den allein rechtlich möglichen Weg einschloss, der zu dem von ihnen damals gewollten Ergebnis führte. Ohne Erfolg versucht die Beklagte, aufgrund ihrer jetzigen Kenntnis ihre damalige subjektive Einschätzung der Lage anders darzustellen. Nach den damaligen Vorstellungen der Parteien (und ihrer rechtlichen Berater) war die Erbrechtslage unklar. Ein Vergleich wird aber nicht dadurch nachträglich zur Schenkung, dass sich später die Rechtslage klärt und erkennbar wird, dass der Vergleich einen Beteiligten begünstigt.