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  • 04.12.2008 | Familienrecht

    Erbvertrag gilt bei Scheidung
    nicht automatisch fort

    von RiLG Dr. Andreas Möller, Bochum

    Zur Frage, ob die Erbeinsetzung der gemeinsamen Abkömmlinge in einem zwischen Eheleuten geschlossenen Erbvertrag nach ihrem
    hypothetischen Willen auch für den Fall der Scheidung gelten sollte (OLG München 8.2.08, 31 Wx 69/07, ZEV 08, 290, Abruf-Nr. 083612).

     

    Sachverhalt

    Der Erblasser war in zweiter Ehe mit der Beteiligten zu 1. verheiratet. Mit ihr hatte er nach der Scheidung seiner ersten Ehe einen Erbvertrag geschlossen, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Aus erster Ehe sind drei Kinder, die Beteiligten zu 2 bis 4 hervorgegangen. Mit seiner ersten Ehefrau hatte er einen Ehe- und Erbvertrag geschlossen, und darin u.a. Folgendes bestimmt: „Der Erstversterbende von uns setzt hiermit in einseitig nicht widerruflicher Weise unsere gemeinsamen Abkömmlinge nach gleichen Anteilen zu seinen Erben ein. Der Überlebende von uns erhält als Vermächtnis den lebenslangen unentgeltlichen und auch von einer eventuellen Wiederverheiratung unabhängigen Nießbrauch am gesamten Vermögen des Erstversterbenden ... Ferner bestimmt der Erstversterbende den Überlebenden zu seinem Testamentsvollstrecker. Der Testamtensvollstrecker ist insbesondere befugt, den Nachlass zu verwalten; er ist außerdem berechtigt, den Zeitpunkt der Auseinandersetzung nach seinem Ermessen zu bestimmen. Sonst bestimmen wir nichts. Der Überlebende von uns soll demnach in seiner Verfügung unter Lebenden und von Todes wegen frei sein.“ Die Beteiligte zu 1 beantragt einen Alleinerbschein für sich. Die Beteiligten zu 2 bis 4 beantragen einen gemeinschaftlichen Erbschein zu je 1/3. Das Nachlassgericht hat den Erlass eines gemeinschaftlichen Erbscheins für die Beteiligten zu 2 bis 4 zu je 1/3 angekündigt. Das LG hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 war erfolgreich.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 bis 4 ist gemäß § 2077 BGB unwirksam. § 2077 BGB gilt über § 2279 Abs. 2 BGB auch insoweit, als ein Dritter bedacht ist. Nach dieser Auslegungsregel ist die letztwillige Verfügung des Erblassers infolge der Auflösung der Ehe unwirksam geworden
    (§ 2077 Abs. 1 S. 1 BGB), wenn nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für diesen Fall getroffen haben würde (§ 2077 Abs. 3 BGB, vgl. auch BGH FamRZ 60, 28; BayObLG FamRZ 97, 123; Staudinger/Otte, BGB, 03, § 2077 Rn. 4). Der vorliegende Erbvertrag enthält diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung. Deshalb ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Verfügung auch im Fall einer späteren Scheidung Gültigkeit behalten sollte.  

     

    Die Auslegung der Tatsacheninstanz kann auf die weitere Beschwerde nur auf Rechtsfehler überprüft werden, insbesondere darauf, ob die Auslegung der Tatsacheninstanz gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt, ob in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen oder wesentliche Umstände übersehen wurden (vgl. BGHZ 121, 357, 363; BayObLG FamRZ 02, 269; Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 42; MüKo/J.Mayer, BGB 4. Aufl., § 2353 Rn. 134 ff.). Die Entscheidung des LG hat den Inhalt des Erbvertrags nur unvollständig gewürdigt, da es die letzten beiden Sätze der zitierten Passage des Ehe- und Erbvertrags völlig außer Betracht gelassen hat. Auf diesem Rechtsfehler beruht die Entscheidung. Die Annahme des LG, dass die vertragsschließenden Ehegatten bezweckt haben, die Stellung der Kinder zu stärken und ihnen auf jeden Fall das Familienvermögen zukommen zu lassen, ist nicht haltbar.