Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 06.10.2008 | Erbschein

    Beschlagnahmefähigkeit von
    Patientenunterlagen des Erblassers

    von RA Dr. Christoph Goez, FA Steuerrecht und Erbrecht, Münster

    Immer häufiger besteht der Verdacht, dass die Todesursache Verstorbener nicht genau ermittelt wird. Vermutet der gesetzliche Erbe zudem noch, dass ein kurz vor dem Tod notariell eingesetzter Testamentserbe oder Dritter den Tod des Erblassers (mit) verursacht haben könnte, muss die Todesursache untersucht werden. Dazu müssen unter Umständen Patientenunterlagen beschlagnahmt werden.  

     

    Der Fall des LG Düsseldorf (26.2.08, 1 Qs 12/08, n.v., Abruf-Nr. 082889)

    Die 85-jährige Erblasserin E war wegen Tablettenmissbrauchs in Behandlung. Nach einem Zusammenbruch kam sie in ein Altenpflegeheim. Dort ging es ihr besser. Gesetzlicher und testamentarischer Alleinerbe war ihr Neffe N. Dieser kümmerte sich um E. Auch eine Bekannte B besuchte E. Auf Bitten dieser kam ein Notar zu E. Diese setzte B notariell als Alleinerbin ein. Entgegen früherer Vorstellung verfügte sie auch, dass sie nach ihrem Tod eingeäschert werden soll. N erfuhr von dem Testament erst, nachdem er schon Antrag auf Erteilung des Erbscheins als Alleinerbe der E gestellt hatte. Nachdem E eingeäschert war, erfuhr N, dass als Todesursache auch eine Vergiftung unbekannter Herkunft festgestellt worden war. B erhielt aufgrund des notariellen Testaments einen Erbschein als Alleinerbin. N misslang der Nachweis der Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung dieses Testaments einen Monat vor dem Tod der E. Im Hinblick auf den ärztlichen Untersuchungsbericht und die angegebene Todesursache hat N Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Die Staatsanwaltschaft (StA) verlangte die Krankenunterlagen der beteiligten Ärzte und des Altenpflegeheims zur gutachterlichen Auswertung. Das AG stellte die Beschlagnahmefreiheit gemäß §?97 StPO für die im Besitz der jeweiligen Ärzte oder des Krankenhauses befindlichen Krankenakten der E fest und wies die Beschlagnahme der Akten und die Durchsuchung der Praxen zur Auffindung der Krankenakten als unzulässig zurück. Zu Recht?  

     

    Die Krankenakten sind nicht gemäß § 97 StPO beschlagnahmefrei. Diese Vorschrift schützt das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nur, wenn der Patient Beschuldigter ist. Der Arzt soll nicht gezwungen sein, im Verfahren gegen seinen Patienten Beweismaterial liefern zu müssen (OLG Celle NJW 65, 362, 363). Die Beschränkung des Beschlagnahmeverbots auf das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem zeugnisverweigerungsberechtigten Arzt lässt sich zwar mit § 203 StGB und § 53 StPO nicht vollkommen widerspruchslos in Einklang bringen. Die Begrenzung des Schutzbereichs folgt aber zwingend aus dem Wortlaut des § 97 Abs. 1 StPO, der in § 97 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO auf die Beziehung zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten abstellt. Zwar wird in § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht explizit der Beschuldigte erwähnt. Aus dem Regelungszusammenhang folgt jedoch, dass auch bei Nr. 3 ein Bezug zum Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Berufsträger bestehen muss (Nack in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., § 97 Rn. 1; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 97 Rn. 10).  

     

    Die Durchsuchung der Geschäfts- und Praxisräume und die Beschlagnahme von Krankenakten sollen dazu dienen, eine etwaige zum Nachteil der Erblasserin begangene Straftat aufzuklären. Ein Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Ärzte muss hinter dem öffentlichen Interesse an vollständiger Wahrheitsermittlung im Strafverfahren zurückstehen.