Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.01.2007 | Erbschaftsteuer

    Was erwartet uns mit der Erbschaftsteuerreform?

    von RA Holger Siebert, FA Steuerrecht und Erbrecht, Alsfeld

    Am 25.10.06 hat die Bundesregierung den lang erwarteten Reformentwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge vorgelegt (Abruf-Nr. 063006; dazu auch Brüggemann, Erbfolgebesteuerung 06, 279 und 296; einen Sonderdruck zu diesem Thema können Sie kostenlos anfordern: Fax 02596 922-99, kein Fax-Abruf!). Im Wesentlichen sind Änderungen im Bereich der Unternehmensnachfolge und bei der Bewertung und Besteuerung von Immobilienerwerben geplant. Zwar wird nach wie vor die Entscheidung des BVerfG (1 BvL 10/02) im Hinblick auf die unterschiedlichen Bewertungsansätze im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer erwartet und es ist daher denkbar, dass der Gesetzentwurf im kommenden Frühjahr aus diesem Grund noch einmal überprüft wird.  

     

    Wichtig: Trotzdem werden Erben und Personen, die eine Firma übernehmen, bereits ab dem 1.1.07 die gesetzlichen Neuregelungen des Entwurfs in Anspruch nehmen können. Sie können ab diesem Zeitpunkt einen Antrag auf die für sie günstigere Regelung stellen. Der Beitrag fasst die wesentlichen Eckpunkte der geplanten Änderungen daher zusammen.  

     

    Checkliste: Erbschaftsteuerreform und Unternehmensnachfolge

    Wesentlicher Reforminhalt: Der Reformentwurf (ErbStG-E, Abruf-Nr. 063006) ) basiert im Wesentlichen auf dem sog. „Bayerischen Modell“. Im Einzelnen ist vorgesehen, dass die auf produktiv eingesetztes Vermögen entfallende Erbschaft- und Schenkungsteuer über einen Zeitraum von zehn Jahren gestundet werden soll. Die gestundete Steuer soll in zehn Jahresraten erlöschen, wenn der Betrieb weiterbetrieben wird. Führt der Nachfolger den Betrieb über zehn Jahre fort, soll die Steuer ganz entfallen.  

     

    Derzeit gültige Vergünstigungen für Betriebsvermögen: Das bisher gültige Recht gewährt für betriebliches Vermögen (Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und wesentliche Beteiligungen an Kapitalgesellschaften) zunächst auf das begünstigte Vermögen einen Freibetrag von 225.000 EUR, § 13a Abs. 1 ErbStG. Vom verbleibenden Betrag ist ein Bewertungsabschlag von 35 Prozent vorzunehmen, § 13a Abs. 2 ErbStG. Für die Steuerklasse II und III wird zudem eine Tarifermäßigung gemäß § 19a ErbStG angewendet. Gemäß § 13a Abs. 5, § 19a Abs. 5 ErbStG fallen die genannten Vergünstigungen rückwirkend weg, wenn nicht eine Behaltensfrist von fünf Jahren eingehalten wird.  

     

    Reformentwurf: Nach dem Reformentwurf wird künftig nur noch sog. Produktivvermögen im Rahmen der Erbschaftsteuer begünstigt. Liegt solches vor, wird die hierauf entfallende Erbschaftsteuer gestundet und erlischt in zehn Jahresraten, wenn der Betrieb fortgeführt wird (§ 28 Abs. 2 ErbStG-E) und keine schädlichen Verwendungen (§ 28 Abs. 3 ErbStG-E) erfolgen.  

     

    • Begünstigtes Vermögen: Ähnlich wie in § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG wird gemäß § 28a Abs. 1 ErbStG-E inländisches Betriebsvermögen (§§ 95 ff. BewG) begünstigt, soweit ein kompletter Gewerbebetrieb, ein Teilbetrieb, ein Mitunternehmeranteil nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG bzw. ein Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA unentgeltlich übertragen oder vererbt wird.

     

    Bei Kapitalgesellschaften muss die Beteiligung mehr als 25 Prozent betragen.

     

    • Nicht begünstigtes Vermögen: Die obigen Vergünstigungen sollen bei nicht produktivem Vermögen, welches an Dritte zur Nutzung überlassen wird, nicht zur Anwendung gelangen (siehe Begründung zu § 28a Abs. 1 Nr. 2 ErbStG-E). Die Einlage solcher nicht produktiver Wirtschaftsgüter soll allerdings nicht zum Verlust der erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen führen, wenn sie z.B. zur Absicherung eines Betriebsmittelkredits eingelegt werden. Hier dürften sich in der Praxis nicht unerhebliche Nachweisschwierigkeiten ergeben.

     

    • Schädliche Verwendungen: § 28 Abs. 2und 3 ErbStG-E enthalten Fallgruppen, bei deren Vorliegen die Steuerbegünstigungen rückwirkend entfallen. Die einzelnen Tatbestände knüpfen konsequenterweise an die Fortführungsregelung in § 28 Abs. 2 ErbStG-E an. Zu diesen Tatbeständen gehören im Einzelnen:

     

    • Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die der Veräußerer durch eine Sacheinlage aus dem Betriebsvermögen i.S. des § 28a Abs. 1 Nr. 1und 2 ErbStG-E erworben hat;
    • Veräußerung eines Anteils an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG oder eines Anteils, den der Veräußerer durch eine Einbringung des Betriebsvermögens i.S. des § 28a Abs. 1 Nr. 1und 2 ErbStG-E in eine Personengesellschaft erworben hat;
    • Auflösung der Kapitalgesellschaft i.S. des § 28a Abs. 1 Nr. 3 ErbStG-Einnerhalb der Frist oder Herabsetzung des Nennkapitals oder Übertragung von Vermögen der Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft, eine natürliche Person oder eine andere Körperschaft;
    • wenn der Erbe aufgrund eines Vermächtnisses begünstigtes Vermögen auf einen Dritten übertragen muss, entfällt ebenfalls die steuerliche Privilegierung, § 28a Abs. 2 ErbStG-E.

     

    • Schonvermögen / Freigrenze: Der neue § 13 Abs. 1 Nr. 19 ErbStG-E gewährt für steuerbegünstigtes Vermögen i.S. von § 28a ErbStG-E eine Freigrenze in Höhe von 100.000 EUR.

     

    Rechtsvergleich: Bei einer Gegenüberstellung reinen Betriebsvermögens stellt sich die Steuerlast nach dem Entwurf regelmäßig günstiger dar:  

     

    Beispiel: Die Vermögensaufstellung des Betriebs hat folgende Positionen (alle Beträge in EUR):  

     

    Aktiva  

     

     

    Maschinen / Anlagen  

    1.100.000 EUR  

     

    an Dritte vermietete Grundstücke  

    3.230.000 EUR  

     

    Geldvermögen  

    10.000 EUR  

     

    Wertpapiere  

    570.000 EUR 

     

     

     

    4.910.000 EUR  

    Passiva  

     

     

    Rückstellungen  

    9.000 EUR  

     

    Verbindlichkeiten Bank  

    2.560.000 EUR  

     

    Sonstige Verbindlichkeiten  

    1.400.000 EUR  

     

     

     

    ./. 3.969.000 EUR  

    Wert des Betriebsvermögens  

     

    941.000 EUR  

     

     

    Besteuerung nach geltendem Recht 

    Betriebsvermögen  

     

    941.000 EUR  

    abzüglich Freibetrag, § 13a Abs. 1 ErbStG 

    ./. 225.000 EUR  

     

    abzüglich Bewertungsabschlag, § 13a Abs. 2 ErbStG (941.000 EUR ./. 225.000 EUR) = 716.000 EUR x 35 %  

     

    ./. 250.600 EUR  

     

    steuerpflichtiges Betriebsvermögen (941.000 EUR ./. 225.000 EUR) x 65 %  

     

    ./. 465.400 EUR  

     

    abzüglich persönlicher Freibetrag, §16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG  

    ./. 205.000 EUR  

     

    steuerpflichtiger Erwerb (465.400 EUR ./. 205.000 EUR) 

    260.400 EUR  

     

    Steuer (sofort fällig), § 19 Abs. 1, § 19a Abs. 4 ErbStG 

    30.360 EUR  

     

     

     

    Künftige Besteuerung (Ermittlung begünstigtes Vermögen) 

    Aktiva 

     

     

    Gesamt  

    4.910.000 EUR  

     

    nicht begünstigtes Vermögen in diesem Beispiel  

    3.810.000 EUR  

     

    Passiva 

     

     

    Gesamt  

    3.969.000 EUR  

     

    Wert des Betriebsvermögens  

     

    941.000 EUR  

    Saldo nicht begünstigtes Vermögen ./. Passiva  

    -159.000 EUR  

    0 EUR  

    begünstigtes Betriebsvermögen  

     

    941.000 EUR  

    Steuerberechnung  

     

     

    Betriebsvermögen  

     

    941.000 EUR  

    abzüglich persönlicher Freibetrag  

     

    ./. 205.000 EUR  

    steuerpflichtiger Erwerb  

     

    736.000 EUR  

    Steuer, § 19 ErbStG 

     

    139.840 EUR  

    Anteil begünstigtes Vermögen 941.000 : 941.000 = 100 %  

     

     

    zu stundende Steuer 139.840 x 100 %  

     

    139.840 EUR  

    sofort fällige Steuer  

     

    0 EUR  

     

     

    Wenngleich betriebliches Vermögen auf den ersten Blick stärker begünstigt wird, ist doch nicht zu verkennen, dass sich in den Fällen, in denen neben dem betrieblichen auch nicht begünstigtes Vermögen vererbt wird, ein Progressionsschub gegenüber dem alten Recht eintreten kann. Dies liegt darin begründet, dass es nach dem derzeit gültigen Recht durch den gemäß § 13a Abs. 2 ErbStG gewährten Bewertungsabschlag von 35 Prozent regelmäßig zur deutlichen Progressionsminderung kam.  

     

    Übergangsregelung:  

    • Nach der Übergangsregelung des § 37 ErbStG-E gelten die Neuregelungen grundsätzlich für alle Erwerbe, für die die Steuer nach dem Tag der Verkündung des Änderungsgesetzes entsteht.

     

    • Stundung und Erlöschen der Steuer kommen nicht zur Anwendung, wenn das begünstigte Vermögen vor dem 1.1.2012 erworben wird, bereits Gegenstand einer vor dem Tag nach der Verkündung des vorliegenden Änderungsgesetzes ausgeführten Schenkung desselben Schenkers an dieselbe Person war und wegen eines vertraglichen Rückforderungsrechts nach dem 11.11.05 herausgegeben werden musste. Das gilt nicht, wenn das Rückforderungsrecht seine Grundlage darin hat, dass der Beschenkte vor dem Schenker verstorben ist.

     

    • Die gesetzlichen Neuregelungen (§ 13 Abs. 1 Nr. 19, § 28, § 28a ErbStG-E) finden auf Antrag auch auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 31.12.06 und vor dem Tag nach der Verkündung des vorliegenden Änderungsgesetzes entstanden ist. In diesen Fällen sind die §§ 13a und 19a (ErbStG a.F.) bei der Berechnung der Steuer nicht anzuwenden.

     

    Beurteilung der geplanten Änderung: Betrachtet man isoliert den reinen Bereich von betrieblichen Produktivvermögen, führt die Reform zweifelsfrei zu einer weiteren Entlastung der Betriebe, soweit eine Fortführung gewährleistet ist. Durch die Beschränkung der Vergünstigungen auf Produktivvermögen fallen Vergünstigungen künftig für verschiedene Vermögenswerte weg. Da eine Minderung der Bemessungsgrundlage nicht mehr stattfinden wird, kann dies bei der Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe durch die stärkere Progressionswirkung nachteilig sein.