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  • 01.06.2006 | Erbschaftsteuer

    Erlass der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen

    von RA Holger Siebert, FA Erbrecht und Steuerrecht, Alsfeld

    Die Abgabenordnung (AO) enthält zwei Normen, die Rechtsgrundlage für Billigkeitsmaßnahmen im Festsetzungs- und Erhebungsverfahren bilden, §§ 163und 227 AO. § 163 AO betrifft Billigkeitsmaßnahmen, die bereits im Festsetzungsverfahren akut sind. § 227 AO bekommt regelmäßig erst im Erhebungsverfahren Bedeutung. Im Fall sachlicher Unbilligkeit wird eher § 163 AO, bei persönlicher Unbilligkeit eher § 227 AO zum Tragen kommen. Die folgende Checkliste stellt die enge Anwendungsbreite beider Vorschriften in der Praxis dar.  

     

    Checkliste: Verfahren bei Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO
    • Verfahren: Billigkeitsmaßnahmen ergehen nach allgemeiner Auffassung in einem vom Steuerfestsetzungsverfahren gesonderten, wenn auch möglicher Weise gleichzeitig ablaufenden Verfahren (Groll, AO, § 163 Rn. 131). Während es im normalen Festsetzungsverfahren um die „Rechtmäßigkeit“ der Steuerfestsetzung geht, dreht es sich im Verfahren nach § 163 AO ausschließlich um die „Billigkeit“. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass auch § 163 AO eine Rechtsvorschrift darstellt. Die Überprüfung auf Billigkeitsmomente stellt daher eine weitergehende Rechtmäßigkeitsprüfung dar.

     

    • Antrag: Eine Entscheidung nach § 163 AO setzt nicht zwingend einen Antrag des Steuerpflichtigen voraus. Wenn die Gründe für eine Unbilligkeit auf der Hand liegen, ist bereits von Amts wegen eine Entscheidung nach § 163 AO zu treffen.

     

    • Entscheidungsverbund: Nach § 163 S. 3 AO soll die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme mit der Entscheidung im Festsetzungsverfahren verbunden werden, wenngleich es sich sachlich um zwei unterschiedliche Entscheidungen handelt. Die Entscheidung nach § 163 AO stellt dabei einen Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung dar.

     

    • Rechtsmittel: Rechtsmittel sind auch folgerichtig gegen beide Entscheidungen gesondert einzulegen. Hilft die Finanzverwaltung dem Einspruch nicht ab, ist gegen die Versagung im Rahmen des § 163 AO die Verpflichtungsklage vor dem FG zulässig.

     

    • Wahlmöglichkeiten: Der Steuerpflichtige, der die Steuerfestsetzung für unbillig hält, braucht nicht zwingend den Weg über § 163 AO zu beschreiten, sondern kann die Unbilligkeit auch noch im Erhebungsverfahren, gestützt auf § 227 AO, geltend machen. Eine Unterscheidung zwischen Billigkeitsgründen, die eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO rechtfertigen und solchen, die für einen Erlass der festgesetzten Steuer sprechen, findet nach allgemeiner Ansicht nicht statt (Klein/Rüsken, AO, § 163 Rn. 4).

     

    • Zeitpunkt: Die Billigkeitsmomente können durch den Steuerpflichtigen auch noch nach Bestandskraft des belastenden Steuerbescheids geltend gemacht werden.

     

    • Zuständigkeit: Zuständig ist das Finanzamt, das auch über die Steuerfestsetzung entschieden hat.
     

    Praktische Anwendung durch die Finanzverwaltung

    Die in der Praxis bekannten Einzelfälle zeigen grundsätzlich eine restriktive Handhabung durch die Finanzverwaltung. Die Finanzverwaltung glaubt, mit der Ablehnung von Billigkeitsentscheidungen die Durchsetzung des Rechts gegen rechtsfremde Ausnahmeregelungen sichern zu müssen. Insbesondere das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz mit seinen generalisierenden Regelungen müsse gegen auf den Einzelfall abgestimmte Sonderwünsche verteidigt werden.  

     

    Gerichtliche Beurteilung

    Auch die Gerichte sehen sich ganz überwiegend einer restriktiven Linie verpflichtet. Hierbei glaubt die Rechtsprechung, die Frage der Billigkeit der Steuerfestsetzung nur nach ausdrücklicher ablehnender Entscheidung der Finanzverwaltung auf ein gesondertes Rechtsmittel hin überprüfen zu dürfen (BFH BStBl. III 57, 211).