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  • 02.06.2008 | Erbschaftsbesitz

    Erbrechtsanmaßung eines Miterben

    von RA Gudrun Möller, FA Familienrecht, Münster
    1. Die Begründung des alleinigen Besitzes am Nachlassgegenstand durch einen Miterben vor der Auseinandersetzung des Nachlasses kann als Anmaßung einer tatsächlich nicht bestehenden Alleinerbenstellung verstanden werden, wenn sie mit einer Negierung des den übrigen Miterben zustehenden Rechts zum Mitbesitz verbunden ist.  
    2. Der Ersatzanspruch des Herausgabeberechtigten im Fall der Unmöglichkeit der Herausgabe des Nachlassgegenstands, hier: eines Aktiendepots, umfasst dessen Wert und den Gewinn, der ihm infolge des Unvermögens des Rückgewährpflichtigen zur Herausgabe entgeht. Für die Wertbemessung ist der Zeitpunkt des Herausgabeverlangens maßgeblich (OLG Koblenz 24.9.07, 12 U 1126/06, n.v., Abruf-Nr. 081493).  

     

    Sachverhalt

    Die Kläger nehmen ihren Vater, den Beklagten, auf Schadenersatz in Anspruch. Die Parteien sind Miterben am Nachlass der Tante des Beklagten. Der Schadenersatzanspruch der Kläger beruht auf der Unmöglichkeit der Herausgabe des auf sie entfallenden Anteils eines Aktiendepots. Der Beklagte hatte auch das Erbe der Kläger aus dem Nachlass seiner Mutter vereinnahmt, da die Kläger seiner Ansicht nach nur „formal“ Erben geworden seien. Die Aktien aus dem Nachlass seiner Tante übertrug er in sein persönliches Aktiendepot. Durch Verkäufe daraus ist der aus dem Nachlass der Tante herrührende Bestand nicht mehr unterscheidbar. Der Beklagte verwaltete die restlichen Aktien nach Gutdünken, ohne dass eine Nachlassverwaltung im Rechtssinne angeordnet gewesen wäre. Die Kläger erhoben eine Auskunftsklage gegen ihn. Der Beklagte veräußerte angesichts eines zeitweiligen Kursverlusts alle restlichen Wertpapiere, die in der Folgezeit wieder eine Wertsteigerung erfahren hätten. Das LG hat der Klage zum Teil stattgegeben. Dagegen haben sowohl der Beklagte als auch die Kläger Berufung eingelegt. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Rechtsmittel der Kläger hat dagegen Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Das LG hat den Anspruch zutreffend auf §§ 2018, 2020, 2023, 2024, 989 BGB gestützt. Objektiv lag eine Erbrechtsanmaßung des Beklagten dadurch vor, dass er sich die Aktien aus dem zum Nachlass gehörenden Depot einverleibt und mit seinem eigenen Vermögen vermischt hat. Zwar kann die Begründung des Alleinbesitzes am Nachlassgegenstand nur als Anmaßung einer tatsächlich nicht bestehenden Alleinerbenstellung verstanden werden, wenn damit das Recht zum Mitbesitz der Miterben negiert wird. Das ist hier aber der Fall. Der Beklagte hat u.a. nicht freiwillig Auskunft erteilt und über Nachlassaktien verfügt, ohne Rechnung zu legen. Er hat sich als Alleinerbe gefühlt, die Kläger seien nur „formal“ Erben. Praktisch und willentlich hat er deren Erbenstellung negiert.  

     

    Auch die subjektive Komponente der Erbrechtsanmaßung liegt vor. Dafür spricht u.a. das Agieren ohne Information oder sonstige Beteiligung der Kläger an den Verfügungen über den ungeteilten Teilnachlass.