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  • 01.11.2006 | Eigentumsvorbehalt

    Wer erwirbt Eigentum an einem vom Erblasser unter Eigentumsvorbehalt erworbenen Pkw?

    von RA Gudrun Möller, Nordkirchen
    1. Ein vom Erblasser unter Eigentumsvorbehalt erworbenes und anschließend an eine Bank zur Sicherung für ein gewährtes Darlehen übereignetes Fahrzeug geht in das Eigentum der Erben über, wenn die Bank den Fahrzeugbrief nach dem Tod des Erblassers und der Tilgung der Darlehensschuld an die Erben übersendet. Ein Dritter, dem der Erblasser das Fahrzeug nach Übergabe durch den Verkäufer geschenkt hat, ist den Erben in einem solchen Fall zur Herausgabe des Fahrzeugs verpflichtet.  
    2. Zur Widerlegung der Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB.  
    (OLG Saarbrücken 10.8.06, 8 U 484/05, n.v., Abruf-Nr. 062929).  

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin begehrt als Erbin von der Beklagten Herausgabe eines Pkw. Die Miterben haben sie zur Prozessführung ermächtigt. Die Beklagte war mit dem Erblasser befreundet. Der Erblasser hatte den Pkw bei einem Autohaus unter Eigentumsvorbehalt gekauft. Zur Finanzierung hatte er bei der Bank ein Darlehen aufgenommen und dieser zur Sicherheit das Anwartschaftsrecht am Pkw übertragen. Die Finanzierung erfolgte ferner durch Inzahlungnahme des Pkw der Beklagten. Die Übergabe des Pkw erfolgte an diese. Im Fahrzeugbrief, den die Bank erhielt, war der Erblasser eingetragen. Dieser unterzeichnete eine maschinengeschriebene „Verfügung“, in der er bestimmte, dass der Pkw bei seinem Ableben auf die Beklagte übergehen sollte. Nach seinem Tod hat eine Lebensversicherungs- und Rentenanstalt den Darlehensvertrag abgelöst. Die Bank hat den Kfz-Brief an die Klägerin übersandt. Deren Klage hatte Erfolg. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil blieb dagegen erfolglos.  

     

    Praxishinweis

    Hier liegt ein Klassiker des Sachenrechts mit erbrechtlichen Bezügen vor. Die Erben können von der Beklagten die Herausgabe des Pkw nach § 985 f.i.V. mit § 1922 Abs. 1 BGB verlangen, da sie das Eigentum daran von der Bank erworben haben, § 929 S. 1, § 931 BGB. Das OLG hat Folgendes geprüft:  

     

    Checkliste: Dinglicher Vollzug des Kaufs unter Eigentumsvorbehalt

    Ursprünglich war „das Autohaus“ Eigentümerin des Fahrzeugs.  

    • Erblasser hat nie Eigentum am Pkw erworben: Das Eigentum am Pkw wurde unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung übertragen, § 158 Abs. 1, § 449 Abs. 1 BGB.
    • Mit vollständiger Zahlung ist die Bank Eigentümeringeworden: Denn der Erblasser hat das Anwartschaftsrecht am Pkw gemäß § 929 S. 1, §§ 930, 931 BGB wirksam auf die Bank übertragen.
    • Bank hat Eigentum auf Erben übertragen: Das Angebot erfolgte schlüssig durch Übersendung des Kfz-Briefs an die Klägerin (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 98, 1068). Diese Willenserklärung haben die Erben angenommen, ohne dass dies besonders kundgetan werden musste, § 151 BGB.
    • Bank hat Herausgabeanspruch an Erben abgetreten: Dies erfolgte mit der Übersendung des Kfz-Briefs, § 931 BGB (OLG Saarbrücken, a.a.O.). Die Erben nahmen das Angebot an, § 151 BGB.

     

    Beklagte kann sich auch nicht auf die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 BGB berufen: Zwar wird zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache vermutet, dass er mit Besitzerwerb Eigenbesitz und sogleich Eigentum erlangt hat (BGH NJW 02, 2101). Die Klägerin konnte die Vermutung hier durch den Beweis des Gegenteils widerlegen, § 292 ZPO. Dies ist dadurch möglich, dass  

    • Fremdbesitz bei Besitzerlangung belegt wird (BGH NJW 04, 217). Wer zunächst Fremdbesitzer war, kann sich auch nicht auf § 1006 BGB berufen, wenn er später Eigenbesitzer wird (BGH, a.a.O.);
    • die Klägerin beweist, dass die Beklagte trotz Eigenbesitzerwerbs nie Eigentum erlangt oder es wieder verloren hat (BGH a.a.O).

     

    • Keine Eigenbesitzvermutung: Der Kaufpreis wurde durch ein Darlehen finanziert. Es ist allgemein bekannt, dass sich die Bank zu dessen Sicherung das Eigentum am Pkw übertragen lässt. Damit wusste die Beklagte, dass der Erblasser ihr kein Eigentum am Pkw verschaffen konnte.

     

    • Jedenfalls kein Eigentumserwerb: Zwar wird der Besitzer des Pkw als Eigentümer auch des Kfz-Briefs vermutet, da dieser ein bloßes Hilfspapier ist, § 952 BGB analog. Die Eintragung im Brief ist nur ein Indiz (BGH, a.a.O.). Gegenüber dem Besitzer des Pkw, zu dessen Gunsten § 1006 BGB greift, muss auch derjenige, der Briefbesitzer und Halter ist, sein Eigentum nachweisen (BGH, a.a.O).

     

    • Kein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten: Der Eigentumserwerb nach § 929 S. 1, § 932 BGB wäre an ihrer Bösgläubigkeit gescheitert. Nach § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nicht im guten Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Hier ist davon auszugehen, dass der Beklagten die Sicherungsübereignung des Pkw an die Bank und damit das fehlende Eigentum des Erblassers bekannt war. Unabhängig davon wäre jedenfalls von grob fahrlässiger Unkenntnis auszugehen. Denn der Erblasser konnte die für den gutgläubigen Erwerb erforderliche Vorlage des Kfz-Briefs nicht bewirken. Der Erwerber eines gebrauchten Kfz handelt grob fahrlässig i.S. von § 932 Abs. 2 BGB, wenn er sich nicht anhand des Kfz-Briefs über das Eigentum des Veräußerers vergewissert (BGH, a.a.O).

     

    • Keine Übertragung des Anwartschaftsrechts am Pkw auf die Beklagte: Dieses hat der Erblasser auf die Bank übertragen, in deren Händen es zum Vollrecht erstarkt ist.

     

    • Verfügung des Erblassers war nichtig: Soweit es sich dabei um ein Vermächtnis i.S. von §§ 1939, 2147 BGB handeln sollte, wäre dieses formunwirksam, §§ 1939, 1941, 2247, 2276 BGB. Unabhängig davon gibt es dem Bedachten nur einen schuldrechtlichen Anspruch, § 2174 BGB.

     

    • Schenkungsversprechung von Todes wegen wäre auch unwirksam: Sollte die Verfügung des Erblassers als ein solches i.S. von § § 2301 BGB auszulegen sein, wäre dies ebenfalls formunwirksam, da die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen anwendbar wären. Die Schenkung ist auch nicht vollzogen (§ 2301 Abs. 2 BGB), weil der Beklagten das Eigentum nicht zu Lebzeiten des Erblassers übertragen worden ist und zu ihren Gunsten auch kein Anwartschaftsrecht begründet worden ist, das sich bei Eintritt der Überlebensbedingung zum Vollrecht hätte entwickeln können.

     

    Beklagte hat kein Recht zum Besitz, § 986 Abs. 1, 2 BGB: Ihr Verhältnis zum Erblasser begründet kein Besitzrecht. Sie hat auch kein Anwartschaftsrecht erworben. Zwar hat der Erblasser ihr den Pkw überlassen. Das könnte ein Leihvertrag nach § 598 BGB sein, so dass den Erben ein jederzeitiges, im Streitfall von ihnen ausgeübtes Rückforderungsrecht zusteht, § 604 Abs. 3 BGB.  

    Die Miterben haben die Klägerin zur Prozessführung ermächtigt. Da sie auch ein schutzwürdiges Eigeninteresse daran hat, liegt gewillkürte Prozessstandschaft vor (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., Vor § 50 Rn. 42). Sie kann Leistung an sich verlangen (Palandt/Edenhofer, BGB, 65. Aufl., § 2039 Rn. 11).