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  • 01.09.2006 | Der praktische Fall

    Erblasserwünsche optimal umsetzen

    von RA und Notar Jürgen Gemmer, FA Steuerrecht, Braunschweig

    Eltern möchten oft mit den Abkömmlingen Regelungen über den künftigen Nachlass treffen, um dies für sich selbst erledigt zu haben, und um künftigen Streit der Kinder untereinander zu vermeiden. Der folgende Beitrag zeigt anhand eines typischen Falls, wie der Berater klassische Regelungen optimal umsetzen kann und worauf er dabei achten muss.  

     

    Der praktische Fall

    Eheleute M und F haben drei volljährige Kinder, S 1, S 2 und T. M und F und S 1 wohnen in einer Immobilie, die im Alleineigentum des M steht. Diese hat einen Wert von 400.000 EUR. M und F bewohnen das Erdgeschoss, S 1 das Obergeschoss. Sie möchten gerne diese Immobilie auf S 1 übertragen, da dieser viel Geld in den Ausbau seiner Wohnung gesteckt hat. Ihnen ist aber eine Absicherung, z.B. ein dingliches Wohnrecht auf Lebenszeit, sowie die Gartennutzung wichtig. Ferner sind M und F Miteigentümer eines Miet- und Geschäftshauses, das S 2 bekommen soll. Diese Immobilie hat einen Wert von ca. 200.000 EUR. Das Problem besteht darin, dass S 2 das Haus ebenfalls schon übertragen erhalten soll, er aber als Student noch nicht in der Lage ist, die Instandhaltungskosten zu tragen. T soll Geld erhalten. Welche Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich unter zivilrechtlichen/erbrechtlichen und steuerlichen Gesichtspunkten an?  

     

    Schuld- und sachenrechtliche Überlegungen

    Um den Wünschen der Eheleute M und F zu entsprechen, bietet es sich an, das Zweifamilienhaus durch vorweggenommene Erbfolge auf S 1 zu übertragen. M und F wird ein dingliches Wohnungsrecht nach § 1093 BGB bestellt.  

     

    Checkliste: Übertragung einer Immobilie auf einen Abkömmling

    Sorgfalt bei der Ausgestaltung des Gemeinschaftsverhältnisses: Sofern im Rahmen der Übergabe mehreren Personen inhaltsgleiche Rechte eingeräumt werden sollen, bedarf es einer sorgfältigen Ausgestaltung des Gemeinschaftsverhältnisses. Dabei ist wie folgt zu unterscheiden:  

     

    • Beide Ehegatten sind Miteigentümer des Übergabeobjekts: Für die Eheleute kann in diesem Fall u.a. das Wohnungsrecht als Gesamtgläubiger nach § 428 BGB bestellt werden.

     

    • Ein Ehegatte ist Alleineigentümer des Übergabeobjekts: Ist ein Ehegatte – wie im Beispiel der M – Alleineigentümer, ist Folgendes zu beachten: Der andere Ehegatte, hier die F, muss auch ausreichend versorgt werden. Es ist daher vorzugswürdiger, für M und F gleichrangige Wohnungsrechte zu bestellen.

     

    Um dem Scheidungsrisiko ausreichend Rechnung zu tragen (dazu anschaulich BGH NJW 96, 2153), wird das Wohnungsrecht zu Gunsten der F zusätzlich unter der auflösenden Bedingung der Scheidung bestellt.

     

    Inhaltliche Ausgestaltung des Wohnungsrechts  

    • Das Wohnungsrecht muss als Hauptzweck das Wohnen beinhalten.
    Als zulässige Nebenbefugnis kann sich das dingliche Wohnungsrecht auch auf einen unbebauten Teil des Grundstücks – etwa den Garten – erstrecken, sofern nur das Wohnen der Hauptzweck bleibt.

     

    Beachte: Die Eintragung des Wohnungsrechts mit Mitbenutzungsrecht an einem Garten ist nur an dem Hausgrundstück zulässig, nicht jedoch an einem rechtlich selbstständigen unbebauten Grundstück, auf das sich der Garten erstreckt, oder auf dem sich möglicherweise der Garten ausschließlich befindet. Sofern dies der Fall ist, kann

     

    • an dem Gartengrundstück eine gesonderte beschränkt persönliche Dingbarkeit zu Gunsten des Berechtigten bestellt werden oder
    • die beiden Grundstücke können zu einem Grundstück im Zuge des Übergabevertrags vereinigt werden.

     

    • Wegen der gegenseitigen Pflichten verweist § 1093 Abs. 1 S. 2 BGB auf die dort näher bezeichneten Vorschriften des Nießbrauchs. Das hierdurch entstehende sog. gesetzliche Begleitschuldverhältnis zwischen Eigentümer und Wohnungsberechtigtem beinhaltet daher insbesondere folgende Pflichten:

     

    Der Grundstückseigentümer ist grundsätzlich nur verpflichtet, die Ausübung des Wohnungsrechts zu dulden. Er hat aber keine Gebrauchsgewährleistungspflicht.

     

    Der Wohnungsberechtigte
    • muss bei der Ausübung seines Rechts die wirtschaftliche Bestimmung der ihm überlassenen Räume aufrechterhalten und nach den Regeln der ordnungsgemäßen Wirtschaft verfahren;
    • sein Recht schonend ausüben;
    • darf keine Umgestaltung oder wesentliche Veränderung der Räume vornehmen;
    • muss nach Beendigung des Wohnungsrechts die Wohnung zurückgeben.

     

    • Die Unterhaltungspflichten sind so ausgestaltet, dass der Wohnungsberechtigte nur die Ausbesserungen und Erneuerungen im Rahmen der gewöhnlichen Unterhaltung vornehmen muss. Veränderungen oder Verschlechterungen, die durch die ordnungsgemäße Nutzung entstehen, gehen nicht zu seinen Lasten. Bei den außergewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen sieht das Gesetz eine sog. Pattsituation vor, das heißt, hier bestehen für Eigentümer und Wohnungsberechtigten keine Vornahmepflicht. Dies bedingt vertraglichen Regelungsbedarf!

     

    Praxishinweis: Es empfiehlt sich, vertraglich zu vereinbaren, dass der Eigentümer über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus zur Unterhaltung der dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume verpflichtet ist, soweit dies das Interesse des Berechtigten erfordert. Dies kann auch mit dinglicher Wirkung geschehen. Zweckmäßigerweise wird daher als dinglicher Inhalt des Wohnungsrechts vereinbart, dass der Eigentümer verpflichtet ist, die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume in einem jederzeit gut bewohnbaren und beheizbaren Zustand zu erhalten. Alternativ besteht die Möglichkeit, diese Unterhaltungspflicht dinglich durch eine eigenständige Reallast abzusichern.

     

    • Regelung hinsichtlich der laufenden Betriebskosten: Die Verpflichtung des Eigentümers, die Kosten für Heizung, Strom, Wasser, Gas usw. zu tragen, können zum dinglichen Inhalt des Wohnungsrechts gemacht werden. Alternativ können diese Leistungspflichten als selbstständigen Reallast ausgestalten.

     

    Gestaltungsüberlegungen: Wesentliche Regelungspunkte bei der Übertragung einer Immobilie zu Lebzeiten des Übertragenden sind:  

     

    • Regelung, wer Nebenkosten tragen muss: Auf alle Fälle ist eine klare Abgrenzung vorzunehmen, wer welche Nebenkosten zahlen muss. Hier kann durchaus auf die im Mietrecht gängigen Standards zurückgegriffen werden, etwa auf Betriebskosten, die nach der zweiten Berechnungsverordnung umlagefähig sind.

     

    • Heimunterbringung des Wohnungsberechtigten: Ein nicht zu unterschätzendes Problem kann sich ergeben, sofern der Wohnungsberechtigte wegen seines Gesundheitszustands im Heim untergebracht werden muss. Einige Obergerichte nehmen eine Umwandlung des Anspruchs aus dem dinglichen Wohnungsrecht in einen Vergütungsanspruch in Höhe der durch die Vermietung erzielbaren Erträge an (z.B. OLG Köln NJW-RR 95, 1358; OLG Düsseldorf NJW-RR 94, 201). Wichtig: Als Ergebnis lässt sich festhalten: Die Tendenz der Obergerichte geht eindeutig zur Beteiligung an den Heimkosten.

     

    Ob hier ein vertraglicher Ausschluss des Wohnungsrechts gegenüber einem Regressversuch des Sozialhilfeträgers Bestand hat, ist zweifelhaft. Grundbuchrechtlich könnte man zwar das Wohnungsrecht unter der auflösenden Bedingung eintragen lassen, dass es erlischt, wenn der Berechtigte das Anwesen nicht nur vorübergehend verlässt. Hier besteht aber auch die Missbrauchsgefahr, dass der Eigentümer durch ungebührliches Verhalten den Übergeber aus dem Anwesen „hinaus ekelt“.

     

    • Zerstörung des Gebäudes: Das Gebäude kann während der Dauer des Wohnungsrechts zerstört werden. In diesem Fall erlischt das Wohnungsrecht. Daher sollte eine ausdrückliche schuldrechtliche Vereinbarung über die Wiederaufbaupflicht getroffen werden. Diese Verpflichtung kann zusätzlich grundbuchrechtlich als sog. „Brandvormerkung“ gesichert werden. Als weitere dingliche Sicherung kommt eine Wohnungsrechtsreallast in Betracht.

     

    • Vereinbarung von Rückforderungsrechten hinsichtlich des übertragenen Grundeigentums: Diese ist in Übergabeverträgen üblich und dient der Sicherung des Übergebers gegen
    • Verfügung des Übernehmers über den Vertragsbesitz,
    • ungewollte Vererbung des Vertragsbesitzes,
    • nicht gewünschtes Fehlverhalten des Übernehmers,
    • Zugriff von Gläubigern auf den Vertragbesitz und
    • eventuell Vermögensverlust durch Scheidung der Ehe des Übernehmers.