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  • 03.05.2011 | Der praktische Fall

    Auslegung einer Pflichtteilsstrafklausel bei einvernehmlicher Erfüllung des Pflichtteils

    von RA und Notar a.D. Jürgen Gemmer, FA für Steuerrecht, Magdeburg

    In gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen finden sich häufig Pflichtteilsstrafklauseln. Werden diese nicht mit der erforderlichen Sorgfalt abgefasst, kann es nach dem Erbfall zu unangenehmen Überraschungen für einzelne Beteiligte kommen. Dazu ein Fall aus der Praxis:  

     

    Der Fall des OLG Frankfurt a.M. (2.8.10, 20 W 49/09, FamRZ 11, 592, Abruf-Nr. 110228)

    Die Erblasserin ist am 27.3.08 verstorben, ihr Ehemann am 5.1.00 vorverstorben. Die Eheleute hatten am 2.11.83 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Erben eingesetzt haben und folgende Pflichtteilsstrafklausel aufgenommen: „Sollte eines der Kinder auf Auszahlung seines Pflichtteils bestehen, soll es auch nach Ableben des überlebenden Ehepartners nur einen Pflichtteil bekommen.“ Eine ausdrückliche Schlusserbeneinsetzung enthält das Testament nicht. Die Beteiligten zu 1), 5) und 6) sind die drei Töchter der Eheleute. Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind die drei Kinder der Beteiligten zu 5). Die Beteiligten zu 1) und 6) sind kinderlos. Die Beteiligten zu 1), 5) und 6) haben mit ihrer Mutter, der Erblasserin, am 20.4.00 einen notariellen Vertrag geschlossen. Darin haben die Töchter erklärt, dass sie ihren Pflichtteilsanspruch geltend machen, den sie mit 247.000 EUR bezifferten. Zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs hat die Erblasserin zugesichert, ihnen zwei näher bezeichnete Grundstücke im Gesamtwert von ca. 2.200.000 DM zu gleichen Teilen schenkweise zu übertragen. Die Beteiligten zu 2) bis 4) haben nach dem Tod der Erblasserin beantragt, ihnen einen Erbschein zu erteilen, der sie als Miterben zu je einem Drittel ausweist. Mit Vorbescheid hat das AG angekündigt, den gemeinschaftlichen Erbschein antragsgemäß zu erteilen. Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt, die das LG zurückgewiesen hat. Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.  

     

    Der Tenor der Entscheidung lautet: „Sieht ein gemeinschaftliches Testament den Ausschluss der Kinder vom Erbe nach dem länger Lebenden vor, wenn diese auf den Pflichtteil „bestehen“, greift die Ausschlusswirkung auch ein, wenn der Pflichtteil einvernehmlich mit dem länger lebenden Erblasser erfüllt wurde. Allerdings sind nur die Kinder ausgeschlossen, nicht jedoch deren Abkömmlinge, wenn die Klausel nur die Kinder benennt.“ Dazu im Einzelnen:  

     

    Auslegung einer Pflichtteilssanktionsklausel im Berliner Testament

    Der erste wichtige Entscheidungskomplex betraf die Frage, ob aus der Beifügung der Pflichtteilssanktionsklausel darauf geschlossen werden kann, dass die Kinder nach dem sog. Berliner Testament (§ 2269 BGB) zu Schlusserben eingesetzt wurden.