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  • 01.07.2010 | Anfechtung

    Anfechtung der Erbschaftsannahme wegen Überschuldung des Nachlasses

    von RA Ernst Sarres, FA Familienrecht und Erbrecht, Düsseldorf

    Bei Annahme der Erbschaft ist dem Erben oft nicht bekannt, dass auf ihn übergegangene Verbindlichkeiten bestehen, die u.U. zur Überschuldung des Nachlasses führen können. Wenn er davon erst nach Ablauf der sechswöchigen Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB erfährt, ist zu klären, ob die Annahme des Erbes rückgängig zu machen ist.  

     

    Der praktische Fall

    Erbe E ist Rechtsnachfolger seines Vaters V und nimmt die Erbschaft im Januar 05 an. Im Nachlass befindet sich ein Depot im Wert von 9.000 EUR, das E auf sich umschreiben lässt. Nach Abzug von Verbindlichkeiten verbleibt ein Aktivvermögen von 7.000 EUR. Am 10.6.10 ist dem E ein Erbschaftsteuerbescheid über ca. 20.000 EUR zugestellt worden. Die Schulden stammen aus einer früheren Erbschaft des V. Die Steuerschuld ist zwar noch nicht verjährt, das Finanzamt hatte seine Eintreibung jedoch vernachlässigt. Wegen der hohen Nachlassverbindlichkeiten möchte E mit dem Erbe nichts mehr zu tun haben und lässt die Voraussetzungen von Anfechtungsmöglichkeiten am 15.6.10 prüfen, z.B. wegen Überschuldung des Nachlasses. Was kann er tun?  

     

    Anfechtungsmöglichkeiten, §§ 1954 ff., 119 ff. BGB

    Nimmt der Erbe die Erbschaft ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten an, hat er eine Willenserklärung abgegeben. Daher stellt sich die Frage der Anfechtung der Annahme der Erbschaft, da er nichts von den Schulden des Erblassers wusste. Abgesehen von den Sonderbestimmungen der §§ 1954 f., 1957 BGB, gelten die Vorschriften des allgemeinen Teils des BGB, also die §§ 119 ff., 123, 142 BGB.  

     

    Überschuldung: Nur Motivirrtum oder relevanter Anfechtungsgrund?

    Wegen der Anfechtungsgründe kommt nur ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft einer Sache gemäß § 119 Abs. 2 BGB in Betracht. Dabei gilt die Erbschaft als „Sache“ im Sinne dieser Vorschrift (BayObLG MittRhNotK 79, 159, 161; FamRZ 99, 1173). Das ist z.B. der Fall, wenn ein Erbe über die Zusammensetzung des Nachlasses irrt, er eine Nachlassverbindlichkeit und die durch diese eingetretene Überschuldung des Nachlasses nicht kennt (MüKo/Leipold, BGB, 5. Aufl., § 1954 Rn. 11).