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  • 01.04.2010 | Aktuelle Gesetzgebung

    Erbrechtliche Gleichstellung vor dem 1.7.49 geborener nicht ehelicher Kinder geplant

    von Notar Thomas Krause, Staßfurt

    Vor dem 1.7.49 geborene nicht eheliche Kinder sind im Erbrecht ehelichen Kindern nicht vollständig gleichgestellt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seinem Urteil vom 28.5.09 (FamRZ 09, 510) festgestellt, dass dies gegen die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verstößt, und Deutschland deshalb zu Entschädigungszahlungen an das beschwerdeführende nicht eheliche Kind verpflichtet. Der folgende Beitrag befasst sich mit dem mittlerweile vorliegenden Referentenentwurf des BMJ für ein zweites Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nicht ehelicher Kinder, mit dem die Ungleichbehandlung unterbunden werden soll.  

    Aktuelle Rechtslage

    Im Erbrecht werden eheliche und nicht eheliche Kinder bisher nicht vollständig gleich behandelt. Zwar hat das Gesetz über die rechtliche Stellung der nicht ehelichen Kinder (NEhelG) vom 19.8.69 (BGBl I, 1243) für die Erbfälle, die sich nach Inkrafttreten des NEhelG am 1.7.70 ereigneten den nicht ehelichen Kindern der alten Bundesrepublik ein Erb- und Pflichtteilsrecht zuerkannt. Von dieser Neuregelung wurden jedoch gemäß Art. 12 § 10 Abs. 2 S. 1 NEhelG die Kinder ausgenommen, die vor dem 1.7.49 geboren und deshalb bei Inkrafttreten des NEhelG 21 Jahre alt oder älter waren. Diese Kinder gelten bis heute mit ihren Vätern als nicht verwandt und haben daher auch kein gesetzliches Erbrecht. Das BVerfG (BVerfGE 44, 1; DNotZ 04, 471) hat diese Ausnahme für verfassungsgemäß erachtet.  

     

    Anders verhielt es sich dagegen in der DDR. Seit 1976 waren dort die nicht ehelichen Kinder erbrechtlich den ehelichen vollständig gleichgestellt. Die Altersgrenze des Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG kannte das DDR-Recht nicht. Zur Abwendung beitrittsbedingter Rechtsnachteile ordnet Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB für diese nicht ehelichen Kinder, auch wenn der Erblasser nach dem 2.10.90 gestorben ist, die erbrechtliche Gleichstellung mit ehelichen Kindern an (vgl. auch Krause, ZAP-OST F. 12, S. 67).  

    Entscheidung des EGMR vom 28.5.09

    Der EGMR hat in seinem Urteil vom 28.5.09 festgestellt, dass die bisher im deutschen Erbrecht vorgesehene Ungleichbehandlung von ehelichen und nicht ehelichen Kindern, die vor dem 1.7.49 geboren wurden, gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 14 i.V. mit Art. 8 EMRK verstößt. Der EGMR hat seine Entscheidung zwar maßgeblich mit den Umständen des Einzelfalls begründet, insbesondere mit der im konkreten Fall bestehenden engen Verbindung zwischen Vater und Kind, dem Fehlen näherer Verwandter väterlicherseits und dem Aufwachsen des nicht ehelichen Kindes in der DDR mit ihren weitergehenden erbrechtlichen Regelungen. Er hat aber darüber hinaus auch darauf hingewiesen, dass die Gleichstellung nicht ehelicher mit ehelichen Kindern ein besonders wichtiger Grundsatz sei. Vor diesem habe ein etwaiges Vertrauen anderer Personen auf den Fortbestand der Rechtslage zurückzutreten. Vor dem Hintergrund der Entwicklung der gesellschaftlichen Wertvorstellungen könnten Bewertungen, die in früherer Zeit berücksichtigenswert gewesen seien, nicht mehr zur Rechtfertigung heutiger gesetzlicher Regelungen herangezogen werden.  

    Geplante Neuregelung der erbrechtlichen Gleichstellung

    Der Referentenentwurf des BMJ vom 01.12.09 sieht vor, dass alle vor dem 1.7.49 geborenen nicht ehelichen Kinder künftig gesetzliche Erben ihrer Väter werden. Härtefällen soll durch Anordnung einer gesetzlichen Nacherbschaft zugunsten der hinterbliebenen Ehefrauen und Lebenspartner begegnet werden. Bei Sterbefällen vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung unterscheidet der Referentenentwurf zwischen solchen, die vor und nach der Entscheidung des EGMR am 28.5.09 eingetreten sind.