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  • · Fachbeitrag · Prozessberatung

    Buchhaltung in Polen? Wann eine Auslagerung ins Ausland lohnt

    von Alexandra Buba, M. A., freie Wirtschaftsjournalistin, Nürnberg

    | Die Großunternehmen machten es vor: Die Lufthansa verlagerte vor vier Jahren die Aufgaben der Kölner Rechnungswesen-Mitarbeiter ins polnische Krakau. Einer der Vorreiter dieser Entwicklung war der niederländische Philips-Konzern, der bereits seit über zehn Jahren einen Teil seiner Buchhaltung und Personalabrechnung von einer polnischen Tochtergesellschaft durchführen lässt. Doch funktioniert dieses Modell auch für mittelständische Mandanten? Und sind die Lohnkosten in Zeiten der „Digimatisierung“ überhaupt noch ein Thema? |

    1. Shared Service Center (SSC)

    Breslau, Danzig, Krakau, Posen, Stettin oder Krakau - in Polen boomen die sogenannten Shared Service Center. In diesen Tochterunternehmen und Niederlassungen bündeln große Gesellschaften interne Dienstleistungen, die für sämtliche Abteilungen im In- und Ausland zur Verfügung stehen - traditionell insbesondere im Finanz- und Rechnungswesen und der IT mit der Tendenz zu komplexeren Aufgaben etwa im Bereich Sales oder HR.

     

    Hauptmotivation für die Errichtung von Shared Service Centern ist die Einsparung von Personalkosten. Dass dieser Plan aufgeht, beweist ein Blick in eine Studie von PriceWaterhouseCoopers. Danach konnten 93 % der Unternehmen, die ein Shared Service Center im Ausland gegründet hatten, Kosten-einsparungen im Personalbereich verbuchen, im IT- und Infrastruktursektor ist dies 33 % gelungen.

    2. Zwei Drittel aller Aufgaben im Ausland

    Wenn Unternehmen Shared Service Center unterhalten, dann lassen sie dort über zwei Drittel aller Buchhaltungsaufgaben erledigen, nur noch ein einstelliger Prozentsatz der Tätigkeiten wird an externe Dienstleister, wie den Steuerberater, übertragen. Für den Bereich Steuern gilt diese Aufteilung freilich nicht: Hier verbleiben laut Studie 59 % der Aufgaben bei der inländischen Muttergesellschaft.

     

    Was Metro, Bayer & Co. erfolgreich praktizieren, könnte auch ein Modell für kleinere und mittelständische Unternehmen abgeben - denn bei der Beantwortung der Frage, für welche Mandanten sich eine Verlagerung von bestimmten Tätigkeiten überhaupt lohnt, steht nicht die Unternehmensgröße als solche im Vordergrund. „Ganz wesentlich bei der Entscheidung dafür, Buchführungstätigkeiten auszulagern ist zunächst einmal die Frage, ob das Unternehmen in irgendeiner Weise überhaupt im Ausland engagiert ist“, weiß Liliane Preusser, Partnerin der internationalen Beratungsgesellschaft Rödl & Partner.

    3. Besteuerung in Deutschland sicherstellen

    Die Diplomkauffrau betreut in Gleiwitz und Krakau, an zwei der sechs polnischen Standorte von Rödl & Partner, deutsche Mandanten. Der überwiegende Teil von ihnen - „98 %“ hat eine eigene Tochtergesellschaft in Polen. Für diese Unternehmen wird die Buchhaltung nach polnischem Recht erledigt. Mit über 900 Shared Service Centern, davon fast 700 von internationalen Konzernen, ist Polen zwar führend auf diesem Sektor, aber es käme auch vor, dass die polnischen Berater den Mandanten an ein SSC in Litauen oder Lettland verlieren, so Preusser. Die Deklarationsberatung und Erstellung des Jahresabschlusses nach polnischem Recht verbleibt allerdings in Polen. „Daneben kommen natürlich auch Mandanten aus Deutschland, die hier ihre deutschen Bücher geführt haben wollen“, berichtet Preusser.

     

    Dem steht grundsätzlich nichts entgegen - der deutsche Gesetzgeber sieht lediglich vor, dass die Verlagerung der elektronischen Buchführung ins Ausland beantragt werden muss und nur in einem Land möglich ist, mit dem Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat. Wesentlich ist immer, dass die Besteuerung in Deutschland und die Kontrolle durch die deutschen Finanzbehörden sichergestellt ist. Dazu gehört die Gewährleistung des Datenzugriffs. Papierbelege dürfen im Übrigen nicht im Ausland, sondern müssen in Deutschland aufbewahrt werden.

    4. Wenige Unternehmen beantragen Verlagerung

    Beantragt werden muss die Verlagerung beim zuständigen Finanzamt, der Antrag soll laut Bayerischem Landesamt für Steuern eine „detaillierte Beschreibung der für die Verlagerung vorgesehenen elektronischen Bücher und Aufzeichnungen und des für die Verlagerung gewählten Verfahrens“ enthalten. Wie dies in der Praxis genau auszusehen hat, bleibt offen.

     

    Da die Anträge dezentral gestellt und beschieden werden, lässt sich nur schätzen, wie viele Unternehmen tatsächlich solche gestellt haben, Fakt ist: Es sind eher wenige.

    5. Die Anzahl der Belege entscheidet

    Dass es nur wenige Unternehmen sind, hat seinen Grund, denn erst ab einem gewissen Belegaufkommen lohnt sich der Aufwand der Verlagerung überhaupt. „Wir haben daher zwar auch kleinere und mittelständischen Familienunternehmen als Mandanten, aber diese verfügen eben über eine hohe Anzahl an Belegen“, berichtet Preusser. In der Praxis sei die Buchhaltung in Polen dann überhaupt kein Problem: Das Rechnungswesengesetz des östlichen Nachbarn ist jung, für die polnischen Rödl-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter stellt es keine Schwierigkeit dar, die deutsche Buchhaltung zu übernehmen.

     

    Dazu bekommen sie Zugang zur Software des Mandanten, erhalten eine Schulung im Umgang mit derselben und beginnen zu buchen. Für Fragen gibt es eine Hotline zu den deutschen Kollegen oder zum Ansprechpartner im Mandantenunternehmen. „Nach zwei bis drei Monaten kennen wir die Abläufe“, so Preusser. Das Einsparpotenzial beziffert die Beraterin auf 30 bis 40 % - wenn die Buchhaltungsabteilung in Deutschland komplett liquidiert wird.

    6. Wo bleibt der Steuerberater?

    Dabei drängt sich die Frage auf, wo der Steuerberater in diesem Prozess seinen Platz findet. „Tatsächlich kann er beraten, wenn Unternehmen entweder selbst ein Shared Service-Center gründen oder die Buchführung verlagern wollen“, so Preusser. Wesentlich dabei: Die Unterstützung bei der IT und dem gesamten Change Management.

     

    Genau denselben Beratungsauftrag könnten sie freilich auch bekommen, wenn die Mandanten in Deutschland bleiben, könnte Arne Tödter aus Hamburg entgegnen. Der Steuerberater hat als einer der ersten überhaupt, bereits vor einem Jahrzehnt, als das Thema Buchhaltungsverlagerung einen Boom erlebte, neben seiner Hamburger Kanzlei ein Beratungsunternehmen genau zu diesem Zweck in Stettin gegründet. Heute blickt er auf eine rückläufige Entwicklung. „Wir beraten Unternehmen, die in vielen Ländern tätig sind“, sagt er. „Aber für den klassischen Hamburger, Kölner oder Münchener Mittelständler ist das heute nicht mehr spannend.“

    7. Digitalisierung schlägt Verlagerung

    Der Grund für die rückläufige Verlagerung sei die zunehmende Digitalisierung. „Dies hat unglaubliche Auswirkungen auf den Bereich der Buchführung, die Österreicher sprechen von Digimatisierung“, so Tödter. Günstigere Lohnkosten im Ausland sind in dem Moment, in dem Buchen vollständig automatisiert wird, überhaupt kein Thema mehr. „Die Mitarbeiter, die es heute schon in einigen Kanzleien gibt, sind keine klassischen Sachbearbeiter mehr, sondern topausgebildete Leute, die sich auch mit den Systemen der Mandanten auskennen, mit Warenwirtschaft usw. Sie kümmern sich um die Schnittstellen und Übergänge“, so Tödter. Hier setze die eigentliche Beratung an. Es geht also wieder hauptsächlich um IT und Change Management - egal ob in Polen und Wuppertal.

     

    „Wenn mich heute Mandanten fragen, ob eine Verlagerung sinnvoll sein könnte, dann rate ich ihnen dazu, stattdessen ihre Prozesse und Systeme in den Griff zu bekommen“, sagt der Berater. Anders verhalte sich die Sache bei der Lohnbuchhaltung - diese könne deutlich weniger automatisiert werden und wäre aufgrund der personalintensiven Bearbeitung für die Verlagerung in ein lohngünstigeres Land attraktiv. Dafür erfordert sie aber deutliche Spezialkenntnisse - über die ausländische Kräfte oftmals nicht verfügen. Sie benötigten daher zunächst einmal eine sehr gute Ausbildung.

    8. Technik spielt für die Unternehmen

    Aber Finanzbuchhaltung im Ausland? „Ich sehe das nicht mehr“, sagt Tödter schlicht. Die technische Entwicklung spiele für die Unternehmen, jede Standardtätigkeit werde künftig von Maschinen erledigt. „Dabei ist die neue Rolle, die wir haben, ganz toll - als wichtiger Partner der Unternehmen auf Augenhöhe.“ Neben der Change Management-Beratung würden freilich auch künftig - nicht nur aus rechtlichen Gründen - die Bereiche Jahresabschluss und Steuererklärung immer Sache des Beraters bleiben.

     

    Wie aber beginnen nun Tödters Mandanten das Projekt „Maschine statt Verlagerung“? „Sie müssen modular an die Sache herangehen“, so Tödter. Am Anfang stünden die Fragen: Wie kommt die Kanzlei an die Daten? Wie wird die Kasse ausgelesen? Wie kommen die Eingangsrechnungen in die Kanzlei? Wie lässt sich der Onlineshop anbinden? Am Anfang sei dies mühsam, räumt der Berater ein, doch die Ergebnisse kämen schnell.

    9. Herausforderung Onlineshop

    Manchen Mandanten reiche eine Strukturierung ihrer Systeme, andere wollten stärker an die Kanzlei angebunden sein. Letztere können dann etwa Zahlungsläufe als Stapel, die die Kanzlei an die Bank übermittelt hat, direkt online freigeben, für andere erledigt die Kanzlei auch die Mahnläufe. Die Unternehmen sind aus diesen Dingen dann ganz raus - und haben natürlich so ihre Effizienzsteigerungen, ganz ohne nach Polen zu gehen“, so Tödter.

     

    Das wesentliche Zukunftsthema dabei sei die saubere Integration der Onlineshops, die immer mehr Mandanten unterhalten, in die Buchführung. „Das ist nicht nur wegen der verschiedenen Zahlungssysteme wie Paypal usw. eine echte Herausforderung.“

    10. Komplexitätsgrenze erreicht

    Andererseits - auch das räumt der Pionier der effizienten Buchführung ein - sei es für keine Kanzlei einfach, sich auf diesen Veränderungsprozess einzulassen. „Ich frage mich manchmal schon: Wo ist eigentlich meine Komplexitätsgrenze?‘“ Das liegt nicht zuletzt daran, dass die heutigen Lösungen und Systeme noch weit von einer Standardisierung entfernt sind, die das Zusammenspiel vereinfachen würde. In absehbarer Zeit kann sich dies ändern, wenngleich etwa die jüngsten Entwicklungen zum Thema Rechnungsdatenstandard wenig Hoffnung machen.

     

    Vielleicht wäre es an dieser Stelle deutlich einfacher, Mandanten schlicht zu raten, ihre Buchführung einfach in Stettin ausführen zu lassen. Als nachhaltiges Zukunftsmodell taugt dies aber für die allermeisten wohl eher nicht.

     

    Weiterführende Hinweise

    • „Elektronische Buchführung im Ausland“, SH 03/2012, Seite 2, Abruf-Nr. 34794960
    Quelle: Ausgabe 06 / 2017 | Seite 149 | ID 44698393

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