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  • · Fachbeitrag · Wettbewerbsrecht

    Entlassmanagement: Bundesgerichtshof hält Rezeptzuweisung für rechtmäßig

    von RA Andreas Frohn, Köln, www.kanzlei-am-aerztehaus.de 

    | In nunmehr letzter Instanz hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Zulässigkeit der Rezeptvermittlung als Teil des Entlassmanagements bestätigt. Das in § 11 Apothekengesetz (ApoG) geregelte Zuweisungsverbot müsse in diesem Falle zurücktreten ( BGH, Urteil vom 13.3.2014, Az. I ZR 120/13, Abruf-Nr. 141636 ). |

    Sachverhalt

    Eine in der Hand einer Universitätsklinik und dreier Sanitätshäuser befindliche Gesellschaft (Patientenring GmbH) hatte unter anderem den Zweck, stationär in der Universitätsklinik behandelte Patienten vor deren Entlassung über die weitere Versorgung mit Arzneimitteln zu beraten. Teil dieser Beratung war das Angebot, die benötigten Arzneimittel über eine der Partnerapotheken - eine solche betrieb der Beklagte - zu beziehen. Konkret wurde der Patient, sofern er dies wünschte, noch am Krankenbett gegen Aushändigung des Originalrezepts durch einen Boten einer der Partnerapotheken beliefert.

     

    Nach § 11 Abs. 1 S. 1 ApoG dürfen Erlaubnisinhaber und Personal von Apotheken mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben. Weil der Apotheker an einem Kooperationsmodell teilnahm, dessen Zweck offenbar gerade die Zuweisung von Verschreibungen war, klagte ein Konkurrent unter Berufung auf die vorgenannte Norm.

     

    Das Landgericht Freiburg (Urteil vom 31.10.2012, Az. 1 O 139/12, Abruf-Nr. 123873) hatte das Modell in erster Instanz maßgeblich unter dem Gesichtspunkt als zulässig erachtet, die Auswahl der konkreten Apotheke werde nicht von einem Arzt, sondern von nicht-medizinischen Mitarbeitern der Patientenring GmbH getroffen. In der Berufungsinstanz entschied das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe anders: Das Zuweisungsverbot solle nach seinem Sinn und Zweck alle Personen erfassen, die sich im weiteren Sinne mit der Behandlung von Krankheiten befassen. Da auch die sonstigen Mitarbeiter der GmbH zumindest mittelbar in die Krankenversorgung eingebunden seien, liege eine unzulässige Rezeptzuweisung vor (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.6.2013, Az. 4 U 254/12, Urteil unter www.dejure.org).

    Entscheidungsgründe

    Der BGH hebt das Berufungsurteil auf und sieht in der Kooperation keinen Verstoß gegen § 11 Abs. 1 ApoG. Nach Auffassung der Richter spiele es keine Rolle, ob die Vorschrift die unmittelbare Kooperation von Leistungserbringern voraussetze (Arzt und Apotheker) oder ob auch die Beteiligung eines Dienstleisters vom Verbot umfasst sei. Denn jedenfalls würden das in § 11 Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) V geregelte Versorgungsmanagement und das in § 39 Abs. 1 S. 4 bis 6 SGB V geregelte Entlassmanagement eine einschränkende Auslegung des § 11 Abs. 1 S. 1 ApoG erfordern.

     

    Zweck des Zuweisungsverbots sei, dass der Arzt sich bei der Auswahl der Arzneimittel ausschließlich von fachlich-medizinischen Gesichtspunkten leiten lasse und der Apotheker seine Kontrollfunktion bei der Belieferung von Verschreibungen sachlich und eigenverantwortlich wahrnehme. Zudem solle die Bestimmung des § 11 ApoG die Wahlfreiheit des Patienten gewährleisten.

     

    Andererseits hätten gesetzlich Versicherte nach § 11 Abs. 4 S. 1 SGB V Anspruch auf ein Versorgungsmanagement, was unter anderem (die Einwilligung des Versicherten vorausgesetzt) die gegenseitige Information der Leistungserbringer beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche nach sich ziehe. Besondere Bedeutung komme dabei dem als Unterfall des Versorgungsmanagements geregelten Bereich des Entlassmanagements zu: § 39 Abs. 1 S. 4 bis 6 und § 11 Abs. 4 S. 4 SGB V hätten das Ziel, die Kontinuität der Versorgung zu gewährleisten und die Kommunikation zwischen den beteiligten ambulanten oder stationären Versorgungsbereichen zu verbessern. Danach obliege es den Krankenhäusern, im Rahmen des Entlassmanagements den Übergang in den nächsten Versorgungsbereich und damit insbesondere die weitere Versorgung mit Medikamenten zu koordinieren. Jene Koordinierung wiederum umfasse die Pflicht, den ersten Kontakt mit der vom Versicherten gewünschten Apotheke oder - wenn kein entsprechender Wunsch geäußert worden ist - mit einer den Umständen nach als geeignet erscheinenden Apotheke herzustellen. Genau diese Leistung erbringe vorliegend die Patientenring GmbH.

     

    Der insoweit bestehende Widerspruch zwischen dem zulässigen Entlassmanagement und der unzulässigen Rezeptzuweisung sei dahingehend aufzulösen, dass dem Entlassmanagement als neuerer und speziellerer Regelung Vorrang zukomme. Einerseits diene dies der Abwehr von Gesundheitsgefahren, andererseits beeinträchtige das Kooperationsmodell die mit dem Zuweisungsverbot verfolgten Zwecke nicht nennenswert.

    Anmerkung und Praxishinweis

    Das Urteil des BGH ist das Resultat einer umsichtigen Abwägung im Einzelfall. Maßgebend für das Überwiegen der Gründe für die Zulässigkeit des Modells wird neben der Abwehr von Gesundheitsgefahren - etwa aufgrund ansonsten nur verzögerter Belieferung mit wichtigen Arzneimitteln - der Umstand gewesen sein, dass der Patient nicht zwingend auf den Service der Kooperationsapotheken verwiesen wurde, sondern auch eine andere, beispielsweise seine „Hausapotheke“ benennen konnte.

     

    PRAXISHINWEIS | Sollten Sie mit Ihrer Apotheke die Kooperation mit einer auf das Entlassmanagement spezialisierten Gesellschaft eingehen wollen, wäre zu prüfen, inwieweit das konkrete Modell eventuell doch die Zwecke des Zuweisungsverbots in einem über den hiesigen Fall hinausgehenden Maße beeinträchtigt. Ein pauschaler Freifahrtschein ist das Urteil nicht.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 15 | ID 42948490