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  • · Fachbeitrag · Wettbewerbsrecht

    Achtung Formularfalle: Umgang mit Schreiben, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen

    von RAin Gülfidan Karasakal, Dr. Schmidt und Partner, Koblenz/Dresden

    | Im Alltagsstress wird die eingehende Post gerne schnell überflogen und nach wichtig sowie unwichtig sortiert. Eine Lupe für das Kleingedruckte oder die Zeit, sich alles in Ruhe durchzulesen, fehlen oftmals. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um den erfahrenen Apotheker oder die neue Auszubildende handelt. Und genau dies nutzen Scheinunternehmen aus, indem sie behördenähnliche Formulare oder scheinbar kostenlose Angebote, die z. B. mit dem Begriff „Offerte“ getarnt sind, aufsetzen und verschicken. AH berichtet, wie Sie nicht in die Formularfalle tappen. |

    Hilfe, eine unberechtigte Rechnung oder Mahnung!

    In der Regel sind auf den ersten Blick keine Kosten ersichtlich, daher ist das Schreiben schnell unterschrieben. Und damit es gleich vom Tisch ist, wird es direkt zurückgefaxt. Nach einer gewissen Zeit flattern dann die Rechnung und die ersten Mahnungen über einen vermeintlich abgeschlossenen Vertrag mit einer Mindestlaufzeit von zwei oder mehr Jahren ins Haus und die Verwunderung, woher diese rühren, ist groß. Viele lassen sich durch die Mahnungen einschüchtern und fühlen sich unter Druck gesetzt ‒ erst recht, wenn vermeintliche Tonbandaufnahmen von Telefongesprächen oder die Einschaltung eines Inkassounternehmens ins Spiel gebracht werden. Nun unterscheiden sich die Reaktionen der Betroffenen sehr stark:

     

    • Eine Vielzahl zahlt sofort, um keine weiteren Mahnungen zu riskieren und um Ruhe zu haben.

     

    • Einige überlegen, wie der Vertragsschluss zustande gekommen sein könnte, versuchen sich vom Vertrag zu lösen und erklären oft einen Widerruf, obwohl das Widerrufsrecht nur Verbrauchern und nicht Unternehmern zusteht. Meist scheitern sie daran, sich vom Vertrag zu lösen.

     

    • Nur eine geringe Zahl an Betroffenen lässt den Vorgang überprüfen und sucht sich rechtliche Unterstützung, um dagegen vorzugehen. In der Regel führt aber genau das zum Erfolg, denn oft genügt ein anwaltliches Schreiben und die Angelegenheit hat sich zugunsten der Betroffenen erledigt.

     

    • PRAXISTIPP | Sollten weitere Versuche erfolgen, heißt es, stets einen kühlen Kopf zu bewahren. In den seltensten Fällen wagen die Scheinunternehmen den Schritt zum Gericht, denn häufig haben sie ihren Geschäftssitz im Ausland. Dies sollte den Betroffenen durch die Vorwahl der ausländischen Faxnummer oder spätestens die IBAN-Nummer (etwa „BG“ statt „DE“) auffallen und diese zum Nachdenken anregen, bevor sie eine Zahlung tätigen.

       

    Wichtig zu wissen: rechtliche Einordnung

    Rechtlich betrachtet stellt das Versenden rechnungsähnlich aufgemachter oder durch missverständliche Formulierungen täuschender Angebotsformulare nach ständiger Rechtsprechung einen Wettbewerbsverstoß wegen irreführender, unlauterer Werbung dar. Ein formularmäßig aufgemachtes Angebotsschreiben für einen Eintrag in ein Branchenverzeichnis, das bei einem flüchtigen Leser den Eindruck hervorrufen kann, mit der Unterzeichnung und Rücksendung des Schreibens werde lediglich eine Aktualisierung von Eintragungsdaten im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses vorgenommen, verstößt gegen das Verschleierungsverbot des § 4 Nr. 3 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 30.06.2011, Az. I ZR 157/10, Abruf-Nr. 120071).

     

    Der BGH hat ferner eine Entgeltklausel in einem Antragsformular für einen Grundeintrag in ein Branchenverzeichnis im Internet für überraschend erklärt (BGH, Urteil vom 26.07.2012, Az. VII ZR 262/11, Abruf-Nr. 122454). Da Grundeinträge in ein Branchenverzeichnis im Internet in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten werden, wird eine Entgeltklausel, die so unauffällig in das Antragsformular eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des Klauselverwenders dort nicht vermutet wird, gemäß § 305c Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch nicht Vertragsbestandteil. Aufgrund der Unwirksamkeit der AGB-Klausel bestand auch kein entsprechender Zahlungsanspruch.

    Sparen Sie Nerven, Zeit und Kosten

    Um Zeit und Kosten zu sparen, sollte jedes Schreiben genau überprüft werden, ob

    • Sie den Absender oder das beworbene Verzeichnis kennen,
    • die Angaben zum Unternehmen vollständig sind und
    • das Unternehmen einen inländischen oder ausländischen Geschäftssitz bzw. eine inländische oder ausländische Kontoverbindung hat,

    bevor es unterschrieben und sogar eine Zahlung getätigt wird.

     

    Folgende Vorgehensweise hat sich bewährt, falls eine Unterschrift geleistet worden ist:

     

    Es sollte keine Zahlung erfolgen, stattdessen sollte der vermeintliche Auftrag/Vertrag schriftlich per Einschreiben wegen arglistiger Täuschung angefochten und hilfsweise gekündigt werden. Ist auch bereits eine Zahlung erfolgt, sollte diese unter Fristsetzung zurückgefordert werden. Ferner ist einer Datenweitergabe an Dritte zu widersprechen und das Löschen der eigenen Daten zu verlangen. Führen diese Maßnahmen zu keinem Erfolg, ist es ratsam, sich anwaltliche Hilfe zu suchen.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Der Bundesanzeiger hat auf seiner Internetseite bundesanzeiger.de unter „Hinweise und Meldungen/So geht‘s ‒ Daten und Statistiken“ eine Warnung vor unlauteren Anbietern i. S. v. Formularfallen veröffentlicht. Außerdem ist dort eine aktuelle Liste unseriöser Anbieter abrufbar.
    Quelle: Ausgabe 06 / 2021 | Seite 13 | ID 47133462