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  • · Fachbeitrag · Datenschutz

    Ist Videoüberwachung in Apotheken zulässig?

    von Dr. Bettina Mecking, Düsseldorf

    | Die Videoüberwachung am Arbeitsplatz „Apotheke“ stellt einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten dar. Im Datenschutzrecht geht es darum, widerstreitende Grundrechtspositionen anhand einer Abwägung miteinander in Einklang zu bringen. Dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten stehen bei der Videoüberwachung das Eigentumsrecht und die Berufsausübungsfreiheit des Arbeitgebers gegenüber. |

    Wann ist eine offene Videoüberwachung zulässig?

    Es sind die gesetzlichen Anforderungen aus § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zu beachten. Eine Videoüberwachung in den Apothekenräumen ist nur zulässig, wenn diese erforderlich ist, um das Hausrecht durchzusetzen und wahrzunehmen. Eine Videoanlage im Verkaufsraum darf installiert werden, wenn sie der notwendigen Überwachung der Kunden dient und auf die Überwachung hingewiesen wird. Ist eine Videoüberwachungsanlage im Einsatz, sind der Umstand und der Umfang der Beobachtung gegenüber den Betroffenen durch geeignete Maßnahmen kenntlich zu machen. Dies kann zum Beispiel durch ein gut wahrnehmbares und möglichst im Zutrittsbereich der überwachten Fläche angebrachtes Hinweisschild erfolgen.

     

    Wichtig | Zu beachten ist, dass Tonaufnahmen bei jeder Form der Videoüberwachung unzulässig sind. Anders als bei Bildaufnahmen ist es gemäß § 201 Strafgesetzbuch unter Androhung von Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe verboten, das nicht öffentlich gesprochene Wort aufzuzeichnen oder abzuhören. Sofern also eine Videoüberwachungskamera über eine Audiofunktion verfügt, ist diese irreversibel zu deaktivieren. Tonmitschnitte sind außerdem schon aus Gründen der Wahrung der Vertraulichkeit der Beratungsgespräche in einer Apotheke nicht zulässig.

    Was ist beim Einsatz von Kamera-Attrappen zu beachten?

    Auch wenn bloße Kamera-Attrappen eingesetzt werden, sind Rechte von Beschäftigten betroffen. Es ist nämlich nicht erkennbar, ob tatsächlich Videoaufzeichnungen stattfinden oder nicht. Eine Attrappe kann bei Betroffenen den Eindruck erwecken, sie müssten ständig mit einer überwachenden Aufzeichnung rechnen. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kann ein empfundener „Überwachungsdruck“ Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche der Betroffenen begründen, selbst wenn keine Aufzeichnung erfolgt oder die Kamera nicht eingeschaltet ist (Urteil vom 16.3.2010, Az. VI ZR 176/09, Abruf-Nr. 101249).

    Hohe Anforderungen an die verdeckte Videoüberwachung

    In Ausnahmefällen darf die Videoüberwachung am Arbeitsplatz heimlich erfolgen (Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 21.6.2012, Az. 2 AZR 153/11, Abruf-Nr. 122047). Die Anforderungen an eine verdeckte Videoüberwachung sind allerdings sehr hoch:

     

    • Es muss der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers vorliegen.
    • Weniger einschneidende Mittel müssen ausgeschöpft sein.
    • Die Videoüberwachung darf als einziges Mittel verbleiben und sie darf insgesamt nicht unverhältnismäßig sein.

     

    MERKE | Eine Videoüberwachung in Bereichen, die überwiegend der privaten Lebensgestaltung der Beschäftigten dienen, ist gleichwohl unzulässig. Dies gilt insbesondere für WC, Sanitär- und Umkleideräume sowie das Nachtdienstzimmer.

     

    Wie lange dürfen Videodaten gespeichert werden?

    Nach dem Prinzip der Datensparsamkeit ist eine unnötige Datenerhebung zu vermeiden. Tonaufnahmen sind bei jeder Form der Videoüberwachung unzulässig. Gemäß § 6b Abs. 5 BDSG sind die Daten unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen. Eine starre Frist hinsichtlich der Aufbewahrungsdauer existiert demnach nicht. Nach Auffassung der Aufsichtsbehörden dürfen die Daten aus der Videoüberwachung maximal 72 Stunden gespeichert werden. Diese Dauer ist jedoch nicht in jedem Fall praktikabel. So hat auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschieden, dass eine Speicherdauer von zehn Tagen zulässig sein kann (Urteil vom 29.9.2014, Az. 11 LC 114/13, Urteil unter www.dejure.org). Für die Speicherdauer allein maßgeblich ist der Zweck: Fällt der konkrete Zweck der Erhebung weg, sind die Daten unverzüglich zu löschen.

    Heimliche Videoüberwachung in der Freizeit

    Das Ausspionieren von Arbeitnehmern - etwa beim Verdacht auf vorgetäuschte Krankheit - kommt mancherorts vor. Ein Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit von einem Detektiv überwachen lässt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht (BAG, Urteil vom 19.2.2015, Az. 8 AZR 1007/13, Urteil unter www.dejure.org). Die von dem beauftragten Detektiv heimlich angefertigten Videoaufnahmen und Fotos sind ebenfalls rechtswidrig. Eine solche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erachtet das Gericht als derart schwerwiegend, dass sogar ein Geldentschädigungsanspruch begründet sein kann.

     

    PRAXISHINWEIS | Im Kern geht es in der Entscheidung um die Frage, wo die Grenzen der Beweiserhebung durch den Arbeitgeber liegen. Vorstellbar wäre etwa der Fall, dass sich ein Arbeitnehmer in der Apotheke krankmeldet, weil er nichts tragen kann. Wenn der Inhaber der Apotheke jetzt positiv weiß, dass sein Arbeitnehmer im Familien-Restaurant um die Ecke kellnert und schwere Teller trägt, können das durchaus hinreichend konkrete Anhaltspunkte sein, bei denen ohne Schmerzensgeldrisiko ein Detektiv mit der Überprüfung beauftragt werden darf.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2015 | Seite 15 | ID 43536453