· Fachbeitrag · Arzneimittelversorgung
Fälschungen von Arzneimittelverordnungen: Das sollten Apotheker beachten
von RAin und Apothekerin Isabel Kuhlen, Vellmar, www.kanzlei-kuhlen.de
| Als zuständige Abgabestelle für die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sind Apotheken nicht selten mit der Situation konfrontiert, dass der Verdacht einer Rezeptfälschung besteht. AH erläutert, was es in solchen Fällen zu beachten gilt. |
Rechtlicher Rahmen
Das Fälschen von Rezepten ist ein Straftatbestand, der nach § 267 Strafgesetzbuch (StGB) mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren belegt ist. Strafbar ist nicht nur das eigenhändige Fälschen, sondern auch das Gebrauchen einer gefälschten Urkunde. Hinzu kommt die Strafbarkeit wegen Betrugs, soweit die Abrechnung über eine Krankenkasse erfolgen soll. Der rechtliche Rahmen im Umgang mit Rezeptfälschungen wird durch § 17 Abs. 5 S. 3 ApBetrO vorgegeben, der die Kontrollfunktion der Apotheke ausdrücklich klarstellt. Ergänzend behandelt § 17 Abs. 8 ApBetrO Verdachtsfälle von Missbrauch. Besteht bei Vorlage eines Rezepts der Verdacht auf Missbrauch, darf das Arzneimittel keinesfalls abgegeben werden.
§ 17 Abs. 5 S. 3 ApBetrO: „Enthält eine Verschreibung einen für den Abgebenden erkennbaren Irrtum, ist sie nicht lesbar oder ergeben sich sonstige Bedenken, so darf das Arzneimittel nicht abgegeben werden, bevor die Unklarheit beseitigt ist.“
§ 17 Abs. 8 ApBetrO: „Das pharmazeutische Personal hat einem erkennbaren Arzneimittelmissbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten. Bei begründetem Verdacht auf Missbrauch ist die Abgabe zu verweigern.“ |
Rezeptfälschung festgestellt: Muss/darf eine Anzeige erfolgen?
Da der Apotheker durch das StGB der Schweigepflicht unterliegt, ist das Erstatten einer Anzeige nicht unproblematisch. Um eine Abgabe von Arzneimitteln auf Basis gefälschter Rezepte i. S. d. § 17 Abs. 8 ApBetrO zu verhindern, ist es ‒ sofern nicht besondere Situationen im Einzelfall bestehen ‒ nicht zwingend erforderlich, die Polizei hinzuzuziehen. Es mag für das eigene Rechtsempfinden befremdlich sein, dass eine versuchte Straftat nicht unbedingt angezeigt werden kann. Da aber auch ein „Straftäter“ grundsätzlich Rechte besitzt, die gewahrt werden müssen, ist tatsächlich eine genaue Analyse der Situation erforderlich.
Bei der Entscheidung, ob Anzeige erstattet werden soll, muss die Schweigepflicht des Apothekers im Verhältnis zu der Person, die das gefälschte Rezept einzulösen versucht, berücksichtigt werden. Gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm u. a. als Apotheker anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist. Ein Verstoß gegen die gesetzliche Schweigepflicht des Apothekers kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet werden. Die Schweigepflicht umfasst alle im Zusammenhang mit der Berufsausübung als Apotheker erlangten Kenntnisse. Dementsprechend kann auch die Kenntnis von einer Straftat unter die Schweigepflicht des Apothekers fallen.
Beachten Sie | Zusätzlich ist ein Apotheker durch die Berufsordnung der jeweiligen Landesapothekerkammer zur Verschwiegenheit im Rahmen der Ausübung seines Berufs verpflichtet.
Da eine Entbindung von der Schweigepflicht durch den Betroffenen i. d. R. nicht vorliegen dürfte, ist der Apotheker nur dann befugt, das Wissen weiterzugeben und damit entgegen seiner Schweigepflicht zu handeln, wenn dies zum Schutz eines höherrangigen Rechtsguts erforderlich ist. Bereits die Feststellung, dass es sich bei der vorgelegten Verordnung um eine Fälschung handelt, muss dazu führen, dass das Arzneimittel nicht zur Abgabe kommt. Dies kann der Apotheker im Regelfall aus eigener Kraft sicherstellen, d. h. ohne Hinzuziehung der Polizei. Insoweit ist es daher nicht notwendig, die Schweigepflicht zu verletzen. Soweit jedoch eine zu erwartende Gefährdung von Leben, Leib oder Gesundheit Dritter vorliegt, d. h., wenn ein Rechtsgut in Gefahr ist, das im Vergleich zur Schweigepflicht gegenüber dem Fälscher als höherrangig zu bewerten ist, darf ggf. Anzeige erstattet werden.
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Besteht die Möglichkeit der Gefährdung Dritter, wenn die Straftat nicht angezeigt würde, könnte dies eine Berechtigung zur Erstattung einer Anzeige sein. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn zu befürchten ist, dass der Täter mit dem zu erlangenden Arzneimittel „dealt“ und damit die Gesundheit Dritter gefährdet. |
Beachten Sie | Unabhängig davon, ob eine solche Fallgestaltung vorliegt, ist eine Rücksprache mit dem Arzt immer zulässig. Sie stellt keinen Bruch der Schweigepflicht dar, da sie notwendig ist, um festzustellen, ob tatsächlich eine Fälschung vorliegt.
Dürfen andere Apotheken gewarnt werden?
Auch die Möglichkeiten einer Warnung anderer Apotheken sind differenziert zu betrachten: Hier spielt die Schweigepflicht gegenüber dem Rezeptfälscher ebenfalls eine wichtige Rolle. Es ist unzulässig, das Rezept an die umliegenden Apotheken zu schicken, da es für eine Warnung dieser Apotheken nicht erforderlich ist, persönliche Daten des Täters weiterzugeben. Erlaubt ist jedoch die „anonymisierte“ Weitergabe der Informationen, welches Arzneimittel „verordnet“ ist und woran die Fälschung zu erkennen ist, da hierbei keine persönlichen Informationen über den Täter preisgegeben werden.