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  • 01.06.2007 | Apothekenentwicklung

    Sind Apothekenketten jetzt nicht mehr zu stoppen?

    von Apotheker Dr. Reinhard Herzog, Tübingen

    Die Meldung schlug Ende April wie eine Bombe ein: Die Celesio AG übernimmt 90 Prozent am „Angstgegner“ DocMorris. Der Kaufpreis von 200 Mio. Euro für rund 172 Mio. Umsatz bei einer schwachen Ertragslage ist stolz und strategisch motiviert, für einen Großkonzern jedoch Kleingeld. Zusammen mit den bisherigen Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden Dr. Fritz Oesterle zum Thema Apothekenketten scheint damit ein neues Kapitel aufgeschlagen. Hier eine erste Analyse der – gar nicht so neuen? – Lage.  

    Mögliche Zukunftsszenarien

    Was im deutschen Apothekenmarkt zukünftig zulässig und möglich sein wird, hängt u.a. von der europäischen Rechtsprechung zum Thema Fremdbesitz ab. Insofern sind folgende drei Szenarien denkbar:  

     

    • Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet sich innerhalb der nächsten Monate für den Fremdbesitz und die nationale Gesetzgebung setzt diese Vorgabe eins zu eins um. Damit ist das Kettenszenario perfekt. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist m.E. mittel.

     

    • Die europäischen Richter belassen in einer baldigen Entscheidung den Nationalstaaten die Freiheit, eigene, nationale Regelungen für den Gesundheitsbereich zu treffen. Die Politik hält – ihrer bisherigen Linie treu – am Fremdbesitzverbot fest. DocMorris kann als Kooperationsmodell weitergeführt werden und muss sich hier mutmaßlich in der Rolle des „Discounters“ bewähren. Das ist möglich, aber nicht einfach, zumal die reale Gefahr besteht, dass im Gegenzug der Marktanteil im klassischen Großhandelsgeschäft sinkt. Möglicherweise wird dann das Modell wieder verkauft. Hier gibt es Parallelen zu den 1990er Jahren, als schon einmal ein „Vertikalkonzept“ favorisiert und schließlich abgestoßen wurde. Auch hierfür schätze ich die Wahrscheinlichkeit mittelhoch ein.

     

    • Der Richterspruch lässt noch längere Zeit auf sich warten; einstweilen gilt bisheriges Recht. In diesem Fall beginnt eine Zitterpartie von unbekannter Dauer und offenem Ende. DocMorris wird vorerst als Kooperationsmodell geführt. Die Expansion steht im Mittelpunkt. Celesio wird für Flächendeckung sorgen wollen. In jedem Fall wächst ein konkurrierendes Geschäftsmodell heran. Je nach Positionierung als preisaktive Apotheke wird es vielerorts mit der Ruhe vorbei sein. Das leidige Thema „Preise“ wird auf breiter Front hochkochen. Aber auch hier verliert das Großhandelsgeschäft und die „klassischen“ Apotheken laufen weg. Der Kampf muss beim Endkunden gewonnen werden. Die Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario ist aus meiner Sicht hoch.

    Mögliche Folgen einer Liberalisierung

    Abweichend von der Situation in anderen europäischen Ländern würde hierzulande die Kombination von Niederlassungsfreiheit und schlagartiger Liberalisierung in der Startphase zu unkalkulierbaren Verwerfungen führen. In dieser Erkenntnis liegt eine Chance für die Politik, die zumindest für kalkulierbare Übergangsregelungen sorgen kann.